Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Musiktherapeuten - Tariflücke
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anlagen zum BAT enthalten wegen der Eingruppierung von Musiktherapeuten eine bewußte Regelungslücke. Die zuständige Gewerkschaft hat für die Eingruppierung von Musiktherapeuten in anderen Tarifverträgen Eingruppierungsmerkmale geschaffen. Die zuständigen Verbände der Arbeitgeber haben versucht, die Eingruppierung von Musiktherapeuten durch Verwaltungsanordnungen zu regeln. Der BAT ist wiederholt um Eingruppierungsmerkmale für andere therapeutische Berufe geändert worden.
2. Enthalten die Anlagen zum BAT keine speziellen Eingruppierungsmerkmale, so ist auf die allgemeinen Merkmale für den Verwaltungsdienst zurückzugreifen. Dies gilt aber nur dann, wenn ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der speziell zu regelnden Berufsgruppe und dem allgemeinen Verwaltungsdienst besteht.
3. Die Gerichte für Arbeitssachen sind grundsätzlich nicht befugt, spezielle Eingruppierungsmerkmale für sich neu entwickelnde Berufsgruppen zu schaffen. Ob Individualverträge der richterlichen Kontrolle unterliegen, wenn die Zuordnung zu "ähnlichen Gruppen" willkürlich oder sachfremd ist, braucht das Gericht nicht zu entscheiden.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.03.1993; Aktenzeichen 3 Sa 111/92) |
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 03.11.1992; Aktenzeichen 2 Ca 648/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 15. Juli 1988 als Musiktherapeut in der "L , Fachklinik für Psychiatrie und Neurologie" des beklagten Landes beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger erhielt unter entsprechender Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigungstherapeuten zunächst Vergütung aus der VergGr. V c BAT und später unter Anrechnung von Vordienstzeiten wegen dreijähriger Bewährung ab 1. Januar 1991 aus der VergGr. V b (Fallgr. 5) BAT.
Der Kläger hat "seine falsche Eingruppierung" am 18. Juni 1989 und 4. Februar 1990 beanstandet, was das beklagte Land als Geltendmachung eines Anspruchs auf Vergütung aus der VergGr. V b verstanden und auch behandelt hat. Ein Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IV b BAT wurde dagegen erstmals mit Zustellung der vorliegenden Klage am 13. Januar 1992 geltend gemacht.
Der Kläger hat in den Jahren 1976 bis 1980 an der Musiktherapeutischen Arbeitsstätte e.V. in Berlin die Ausbildung zum Musiktherapeuten erfolgreich absolviert. Von Juli 1982 bis Juni 1983 war er in der Nervenklinik Spandau in Berlin als Musiktherapeut tätig. Von August 1983 bis Februar 1985 hat er nach einer von ihm vorgelegten Bescheinigung für "Spencer Houses" in London gearbeitet. In seinem dem beklagten Bundesland vorgelegten Lebenslauf hat er angeführt, er sei von 1983 bis 1986 arbeitslos gewesen; während dieser Zeit habe er einige Einzelmusiktherapien privat durchgeführt. Nach diesem Lebenslauf war er "1986 in einem Heim (DRK) für geistig und lernbehinderte Kinder und Jugendliche" tätig und hat vom 1. Oktober 1986 bis 31. Dezember 1987 als Musikpädagoge in einer Kindertagesstätte in Berlin mit zusätzlichen therapeutischen Aufgaben gearbeitet. Dazu hatte das Bezirksamt Kreuzberg unter dem 3. Mai 1990 der Landesklinik - unter anderem - mitgeteilt, der Kläger sei in dieser Zeit "als Facherzieher für Musik und nicht als Musiktherapeut tätig" gewesen. Bis zur Einstellung seitens des beklagten Bundeslandes war der Kläger abermals arbeitslos.
Nach einer Bescheinigung vom November 1980 hat er sich in London zu Ausbildungszwecken "8 analytisch-musiktherapeutischen Sitzungen und 16 überwachten "Intertherapy-Sitzungen" unterzogen". In der Zeit von November 1980 bis Oktober 1984 war er Teilnehmer "einer Supervisionsgruppe für Musiktherapeuten". Vom 20. Oktober 1982 bis 15. Juni 1983 hat er teilgenommen an der "Supervision: Gegenseitige Beratung in kritischen Gruppensituationen".
In der Arbeitsgruppe des Klägers sind neben ihm drei Diplom- Musiktherapeuten (FH) tätig. Diese werden nach VergGr. IV b BAT vergütet.
Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeit sei schwieriger einzustufen als die der drei Diplom-Musiktherapeuten seiner Arbeitsgruppe. Im übrigen entspreche seine Ausbildung in Berlin der Ausbildung zum Diplom-Musiktherapeuten. Die Lerninhalte beider Ausbildungen seien im wesentlichen identisch. Ebenso sei die Qualifikation der Dozenten vergleichbar. Die Leiterin der musiktherapeutischen Arbeitsstätte in Berlin sei Professorin für Musik; die Dozenten für die musiktherapeutischen und instrumentalen Fächer müßten über ein abgeschlossenes Musikhochschulstudium verfügen. Die medizinisch-menschenkundlichen Fächer würden von approbierten Ärzten gelehrt. Ebenso sei für die Dozenten neben dem abgeschlossenen Musikhochschulstudium langjährige Praxis in Musiktherapie und pädagogische Befähigung notwendig.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, sein beruflicher Werdegang zeige, daß er umfassend und nicht nur auf einem speziellen Gebiet seines Berufes mit den Absolventen der Fachhochschule in Heidelberg vergleichbar sei, die - unstreitig - die einzige Fachhochschule im deutschen Raum mit einem Studiengang ist, der mit einem bundesweit anerkannten Fachhochschul-Diplom in Musiktherapie abschließt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land sei verpflichtet, ihn zumindest in Ausfüllung einer unbewußten tariflichen Regelungslücke in VergGr. IV b Fallgr. 16 Teil II Abschn. G der Anl. 1 a zum BAT einzugruppieren, denn er erfülle in subjektiver wie in objektiver Hinsicht die dort geforderten Tätigkeitsmerkmale eines sonstigen Angestellten, da seine Tätigkeit der eines qualifizierten Sozialpädagogen entspreche. Zumindest seien aber die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppen des Teils I für den allgemeinen Verwaltungsdienst heranzuziehen. Da seine Tätigkeit in diesem Sinne gründliche und umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordere, habe er zumindest Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. V b BAT von Anfang seiner Beschäftigung an.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klä-
ger 1.313,14 DM brutto (Differenzzahlung für
das Jahr 1989) nebst 4 % Zinsen aus dem sich
hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshän-
gigkeit zu zahlen.
Hilfsweise: Das beklagte Land wird verurteilt, an
den Kläger 484,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus
dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
7.596,81 DM (Differenzzahlung für das Jahr
1990) nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus
ergebenden Nettobetrag seit 1. Januar 1990 zu
zahlen.
Hilfsweise: Das beklagte Land wird verurteilt, an
den Kläger 2.675,88 DM nebst 4 % Zinsen aus dem
sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechts-
hängigkeit zu zahlen.
3. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klä-
ger 5.140,46 DM brutto (Differenzzahlung für
das Jahr 1991) nebst 4 % Zinsen aus dem sich
hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshän-
gigkeit zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, daß das beklagte Land
verpflichtet ist, den Kläger ab 1. Januar 1992
nach VergGr. IV b BAT zu bezahlen und die
rückständigen Vergütungsunterschiede mit 4 %
seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat im wesentlichen bestritten, daß die Ausbildung des Klägers der an einer Fachhochschule zum Diplom-Musiktherapeuten entspreche, und sich auf § 70 BAT berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine geltend gemachten Ansprüche weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IV b BAT noch in der Zeit vom 1. November 1989 bis 31. Dezember 1990 auf Vergütung aus VergGr. V b BAT.
I.1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet mit unmittelbarer und zwingender Wirkung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
Damit kommt es für die Klageforderung darauf an, ob mindestens die Hälfte der die Arbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von dem Kläger in Anspruch genommenen VergGr. IV b bzw. V b BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Danach ist unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. BAG Urteil vom 14. August 1991 - 4 AZR 593/90 - AP Nr. 158 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).
2. Von diesem Rechtsbegriff geht auch das Landesarbeitsgericht aus und hat - von der Revision unbeanstandet - die Tätigkeit des Klägers auf der Station 1 b als einen einheitlichen Arbeitsvorgang bestimmt, der mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nimmt. Hieran ist revisionsrechtlich nichts zu beanstanden. Insbesondere kommt eine Aufgliederung dieses einheitlichen Arbeitsvorgangs in einzelne der Anzahl der Patienten auf dieser Station entsprechende Arbeitsvorgänge nicht in Betracht.
II.1. Das Landesarbeitsgericht nimmt zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen an, die Tarifvertragsparteien hätten im BAT anders und im Unterschied zu dem Tarifvertrag zwischen der ÖTV mit dem Verband der Krankenanstalten in privater Trägerschaft in Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1984 keine speziellen Tätigkeitsmerkmale für Musiktherapeuten geschaffen. Es hat weiter angenommen, im Gegensatz zur Auffassung des Klägers liege insoweit eine bewußte Tariflücke vor. Dem ist zuzustimmen.
a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt eine Lücke des Tarifvertrages nur dann vor, wenn auch im Wege seiner Auslegung ein Regelungswille der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden kann, der Richter also über die Auslegung hinaus selbst zur ergänzenden Rechtsfindung genötigt wäre.
b) Tarifnormen sind über den reinen Wortlaut hinaus stets auch nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang auszulegen, da der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen für die Auslegung maßgebend ist und dieser nicht allein aus einer einzelnen Tarifnorm, sondern regelmäßig nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs zutreffend ermittelt werden kann. Dagegen kann der Wille der Tarifvertragsparteien bei der Auslegung von Tarifnormen nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen in irgendeiner Weise zum Ausdruck gekommen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAGE 66, 177, 181 = AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse, m.w.N.).
c) Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze ist von einer bewußten Regelungslücke auszugehen.
aa) Der Beruf des Musiktherapeuten hat sich erst in jüngerer Zeit entwickelt, wobei - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - der des Diplom-Musiktherapeuten noch jüngeren Datums ist. Eine Fachhochschulausbildung gibt es nach der Darstellung des beklagten Bundeslandes seit 1979, nach dem Vortrag des Klägers erst seit 1981. In den Blättern für Berufskunde - Stand Mai 1994, Bd. 2, 2 - II A 30 - heißt es unter Ziff. 1.1. u.a.:
Die Aufgaben eines Diplom-Musiktherapeuten umfas-
sen Maßnahmen, die der Wiederherstellung, Erhal-
tung und Förderung von Gesundheit und der Ent-
wicklung und Bereicherung der Persönlichkeit mit
musikalischen Mitteln dienen. Musiktherapie ist
die theoriegeleitete Einwirkung mit musikalischen
Mitteln auf den Menschen in seiner körperlich--
seelisch-geistigen Realität, in seinen bewußten
und unbewußten Strebungen und in seinen sozialen
und ökologischen Eingebundenheiten. Der Diplom--
Musiktherapeut setzt sein Medium Musik im Rahmen
der therapeutischen Beziehung ein, um je nach In-
dikationsstellung Haltungen und Verhalten gezielt
zu beeinflussen. Seine Aufgaben umfassen psycho-
therapeutische Maßnahmen (konfliktzentriert-auf-
deckende Maßnahmen) und/oder klinische, heilpäd-
agogische, präventive sowie rehabilitative Maß-
nahmen (übend- und erlebniszentrierte Maßnahmen).
Die musiktherapeutischen Aufgaben bzw. Ziele lei-
ten sich ab von den diagnostizierten Störungen,
Konflikten, Traumen und Defiziten. Der Musikthe-
rapeut hat die Aufgabe, Ergebnisse und Methoden
psychologischer Grundlagendisziplinen und ver-
wandter Bereiche (Musik-Psychologie, Musik-Sozio-
logie, Medizin u.a.) im (musik)psychotherapeu-
tischen und (musik)heilpädagogischen Sinne anzu-
wenden. In dieser Hinsicht ist Musiktherapie als
"klinische" Methode zu verstehen. Sie ist eine
praxisbezogene Disziplin auf der Grundlage meta-
theoretischer Konzepte.
bb) Die Entwicklung des Berufes eines Musiktherapeuten ist den Tarifvertragsparteien des BAT bekannt gewesen. So sind in dem von der Gewerkschaft ÖTV mit dem Verband der Krankenanstalten in privater Trägerschaft in Baden-Württemberg e.V. abgeschlossenen Vergütungs- und Lohntarifvertrag Nr. 6 vom 12. Dezember 1984 in der Fassung des 1. - 4. Änderungstarifvertrages in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 22 eingruppiert - unter anderem - "Musiktherapeuten... in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V c... ". Hinsichtlich der Überlegungen auf seiten öffentlicher Arbeitgeber heißt es bei Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr (BAT, Stand Mai 1994, Band 3, Teil II Abschnitt D, Rz 288) "der Gruppenausschuß... kam in seiner Sitzung am 14.10.1977... zu dem Ergebnis, daß diese Angestellten in sinngemäß entsprechender Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigungstherapeuten einzugruppieren sind...; diese Auffassung wurde... von der... Mitgl.vers. der TdL am 29.06.1982... gebilligt".
In der Mitgliederversammlung der TdL am 09./10.12.1985 wurde... zur Eingruppierung von Diplom-Musiktherapeuten festgestellt... "die Eingruppierung dieser Kräfte muß sich nach der ausgeübten Tätigkeit richten...".
Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien in der Anlage 1 a zum BAT Teil II D - medizinische Hilfsberufe -, der seit 1966 besteht, den Beruf des Musiktherapeuten nicht aufgenommen, obwohl sie sich mit dieser Anlage in der Folgezeit mehrfach befaßt, sie geändert und um neue Berufe, z.B. Beschäftigungstherapeuten, Logopäden, Orthoptistinnen ergänzt haben, so bei Abschluß des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT vom 5. August 1971, vom 11. Juni 1981 und zuletzt vom 24. April 1991.
cc) Daraus folgt aber, daß die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Tätigkeit von Musiktherapeuten im öffentlichen Dienst bewußt keine Regelung für deren Eingruppierung getroffen haben. Dies ist aber auch und gerade im Hinblick auf die Freiheit der Tarifvertragsparteien, zu bestimmen, ob und für welche Berufsgruppen sie tarifliche Regelungen schaffen wollen (Art. 9 Abs. 3 GG), nicht zu beanstanden (BAGE 48, 307, 310 f. = AP Nr. 4 zu § 3 BAT).
dd) Eine Eingruppierung der Musiktherapeuten unter Anwendung der allgemeinen tariflichen Merkmale der Anlage 1 a für den allgemeinen Verwaltungsdienst ist nicht möglich. Zwar kann nicht übersehen werden, daß die Tarifvertragsparteien des BAT grundsätzlich die Tätigkeit eines jeden öffentlichen Angestellten mit ihrem Regelungswerk erfassen wollten, soweit sie nicht ausdrücklich Ausnahmen normiert haben (vgl. §§ 1, 3, 22 BAT). Deshalb ist auch eine Tariflücke im Bereich der VergO des BAT nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. z.B. BAG Urteil vom 14. August 1985 - 4 AZR 322/84 - AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975) nur dann anzunehmen, wenn beim Fehlen spezieller Tätigkeitsmerkmale für die zu bewertende Tätigkeit auch eine Eingruppierung nach den allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst nicht möglich ist. Denn diese haben nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Auffangfunktion und können daher auch für solche Tätigkeiten herangezogen werden, die nicht zu den eigentlichen behördlichen bzw. herkömmlichen Verwaltungsaufgaben gehören (vgl. BAG Urteil vom 14. August 1985 - 4 AZR 322/84 - AP, aaO, m.w.N.). Die Rechtsprechung des BAG hat eine Tariflücke nur dann angenommen, wenn bei der zu beurteilenden Tätigkeit kein unmittelbarer Bezug zu den eigentlichen Aufgaben der betreffenden Dienststellen, Behörden und Institutionen besteht (BAGE 32, 364, 370 = AP Nr. 31 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und Urteil vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 539/80 - AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Im vorliegenden Fall besteht aber zwischen der Tätigkeit der Musiktherapeuten und der im allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigten Angestellten keinerlei Bezug (BAGE 32, 364, 370 = AP, aaO), so daß die bestehende Tariflücke hier auch nicht durch Rückgriff auf die allgemeinen tariflichen Merkmale geschlossen werden kann.
2. Liegt aber eine bewußte Regelungslücke vor, fehlt es an einer tariflichen Anspruchsgrundlage. Könnten die Arbeitsgerichte bewußte Tariflücken mittels Lückenfüllung schließen, würden sie auf diesem Weg die Tarifvertragsparteien zwingen, auch für die Musiktherapeuten tarifliche Regelungen zu schaffen. Dies wäre jedoch ein unzulässiger dem Grundgesetz widersprechender Eingriff in die Tarifautonomie (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 52; BAGE 48, 307, 311 = AP, aaO).
III.1. Eine vertragliche Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Vergütung aus der Vergütungsgruppe IV b BAT bzw. für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 V b BAT wird vom Kläger selbst nicht behauptet. Sie ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger selbst nicht vorgetragen, die Richtlinien des Finanzministeriums über die Eingruppierung von Angestellten in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen vom 29. April 1984 seien vertraglich vereinbart worden. Die tatsächliche Eingruppierung des Klägers gibt keinen Grund zu der Prüfung, ob Individualverträge der richterlichen Kontrolle unterliegen, wenn die Zuordnung zu "ähnlichen Gruppen" willkürlich oder sachfremd ist.
2. Ebensowenig kann der Kläger seinen Anspruch auf den Grundsatz der Gleichbehandlung mit den in der Klinik beschäftigten Diplom-Musiktherapeuten stützen.
Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger ebenfalls den Abschluß seines entsprechenden Studiums an einer staatlichen Fachhochschule erlangt hätte. Denn die Vergütung der Diplom-Musiktherapeuten knüpft an den auf diesen Beruf bezogenen (staatlichen) Ausbildungsgang an, dessen prüfungsmäßig erfolgreicher Abschluß in aller Regel die Gewähr dafür bietet, daß der Absolvent - nach entsprechender Einarbeitung - als dementsprechend qualifizierte Fachkraft auf allen Feldern dieses Berufes eingesetzt werden kann.
Im Rahmen des hier gegebenen Gestaltungsspielraums des beklagten Landes ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn es im Rahmen der Richtlinien für eine Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT nicht ausreichen läßt, daß der Angestellte "nur" über gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen, aber nicht über einen entsprechenden staatlichen Abschluß verfügt. Das stimmt zudem mit einem Wertungsgrundsatz der tariflichen Vergütungsordnung überein. Die Tarifvertragsparteien lassen solche Gleichwertigkeit teilweise genügen ("sonstiger Angestellter"); im übrigen haben sie (Nr. 1 Abs. 3 Satz 1 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen) bestimmt, Angestellte, die die an sich geforderte Vorbildung oder Ausbildung nicht besitzen, seien - bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - in der nächstniedrigeren Vergütungsgruppe, hier also der Vergütungsgruppe V b eingruppiert. Darin kommt auch zum Ausdruck, welche Bedeutung die sachkundigen Normgeber diesem Gesichtspunkt - rechtlich - zumessen.
Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die eine derartige Differenzierung als sachwidrig erscheinen lassen könnte. Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, der fragliche Ausbildungsgang könnte erst seit 1979 (so das beklagte Bundesland) oder 1981 (so der Kläger) durchlaufen werden.
Darauf, ob der Kläger einem Diplom-Musiktherapeuten (FH) "gleichwertig" ist, kommt es sonach nicht an.
IV. Offenbleiben kann deshalb auch, ob der Kläger die Ausschlußfristen des § 70 BAT gewahrt hat, insbesondere ob das Schreiben des Verwaltungsleiters der Landesklinik vom 18. März 1991 als formgerechte Geltendmachung i.S.v. § 70 BAT anzusehen ist.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Bott Schneider
Wiese Hecker
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
BAGE, 94 |
BB 1994, 2004 |
NZA 1995, 1212 |
NZA 1995, 1212-1213 (LT1-3) |
AP Nr 179 zu §§ 22, 23 BAT 1975 (LT1-3) |
EzBAT §§ 22, D 1 VergGr IVb Nr 2 (LT1-3) |
MDR 1995, 392 (LT1-3) |