Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsabsenkung durch Firmentarifvertrag für Kureinrichtungen einer Krankenkasse
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu Senat 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 26 = EzA TVG § 3 Nr. 22, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen
Normenkette
Tarifkonkurrenz TVG § 4; TVG §§ 1-4; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 138
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Vergütungsanspruch der Klägerin durch Firmentarifvertrag wirksam abgesenkt wurde.
Die Klägerin steht seit dem 13. November 1972 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten, seit 1. März 1987 als “Erste Wäscherin” in der Kureinrichtung “Haus S.” der Beklagten in Bad M…
Im schriftlichen Arbeitsvertrag ist festgelegt:
“Für das Beschäftigungsverhältnis gilt der mit den Gewerkschaften abgeschlossene Ersatzkassentarifvertrag (EKT) mit den dazugehörigen Anlagen.
Künftige Änderungen des EKT oder an seine Stelle tretende Tarifverträge gelten vom Tag des Inkrafttretens auch für Ihr Beschäftigungsverhältnis.”
Der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) besteht aus dem Manteltarifvertrag (MTV) und diversen Anlagen, ua. Anlage 3 “Gehaltstabelle II”, wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1962 mit späteren Änderungen von der Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen, der die Beklagte als Mitglied angehört, einerseits und ua. von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) andererseits abgeschlossen, deren Mitglied die Klägerin von Februar 1999 bis 31. März 2000 war.
Die Anlage 5 “Tätigkeitsmerkmale” ist ein “Haustarifvertrag” zwischen der Beklagten und diversen Gewerkschaften, ua. der HBV. Die Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen ist für den Bereich “Tätigkeitsmerkmale” nicht zuständig. Die Klägerin ist in der Vergütungsgruppe 3 des Abschnitts D “Kureinrichtungen und Bildungszentrum” der Anlage 5 zum EKT eingruppiert. Sie erhält Vergütung nach Vergütungsgruppe 3. Die Höhe richtet sich nach Anlage 3 “Gehaltstabelle II” zum EKT. Diese Beträge zahlte die Beklagte unter Hinweis auf den wegen der wirtschaftlichen Folgen der Einschnitte im “Kurwesen” mit dem “Verband der weiblichen Arbeitnehmer e.V.”, dem “DHV Deutscher Handels- und Industrieangestelltenverband'' und der DAG mit Wirkung zum 1. Februar 1998 abgeschlossenen gleichlautenden “Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b zum EKT” einen Firmentarifvertrag, nicht voll aus, sondern kürzte sie entsprechend.
In ihm “wird vereinbart”, daß die “Anlage 5 zum EKT – Tätigkeitsmerkmale – … wie folgt geändert” wird:
“I.
Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D. Kureinrichtungen und Bildungszentrum
Protokollnotizen
Nach der Protokollnotiz Nr. 2 wird folgende Protokollnotiz Nr. 3 angefügt:
3. Vergütungsgruppen in den Kureinrichtungen “Haus Q.”, “Haus S.” und “Haus W.”
- In den Kureinrichtungen “Haus Q.”, “Haus S.” und “Haus W.” entspricht das sich aus den Vergütungsgruppen ergebende Gehalt der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ab dem 1. Februar 1998 dem Faktor 0,85. Für die am 31. Januar 1998 in den Kureinrichtungen nach Satz 1 beschäftigten Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter vollzieht sich dies in folgender Weise:
- Ab 01. Februar 1998 beträgt das monatliche Gehalt (§ 11 EKT) einschließlich persönlicher Zulagen nach § 10 Abs. 2 bis 4 EKT und Anlage 5 zum EKT 90 v.H.
- Darüber hinaus vermindert sich das monatliche Gehalt (§ 11 EKT) einschließlich persönlicher Zulagen nach § 10 Abs. 2 bis 4 EKT und Anlage 5 zum EKT ab 01. Februar 1998 in 36-Monatsschritten, bis am 31. Januar 2001 monatlich 5 v.H. Minderung erreicht sind.
- Die nach den Ziffern 3.1 und 3.2 verminderten Bezüge stellen die maßgeblichen Bezüge iSd. EKT und seiner Anlagen dar.
- Die monatlichen Minderungsbeträge nach 3.2 bis einschließlich des Monats der Zahlung des Urlaubsgeldes nach § 23 EKT können jeweils mit dem Urlaubsgeld auf Antrag der Mitarbeiterinnen/des Mitarbeiters insgesamt verrechnet werden.
Die Texte nach der Überschrift “Inkrafttreten/Kündigung” ändern sich wie folgt:
“Inkrafttreten/Kündigung
Die durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b geänderte Fassung der Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D – tritt am 01. Februar 1998 in Kraft.
Die vorliegende Fassung der Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D -kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres frühestens zum 31. März 2001 gekündigt werden.
II.
Die DAK verpflichtet sich, die kasseneigenen Kureinrichtungen “Haus S.”, “Haus W.” und “Haus Q.” selbst in Eigenregie wirtschaftlich auf Dauer mindestens jedoch auf zehn Jahre, weiterzubetreiben. Ist die Erreichung dieses Ziels, diese Einrichtung wirtschaftlich weiterzubetreiben, durch eine Änderung wesentlicher Umstände gefährdet, verpflichtet sich die DAK unter Einbeziehung der tarifabschließenden Gewerkschaften, durch geeignete Anpassungsmaßnahmen für eine weitere Erreichung dieses Ziels zu sorgen.”
Mit der Gewerkschaft HBV wurde der “Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b zum EKT” am 3. März 2000 abgeschlossen.
Mit der beim Arbeitsgericht am 11. März 1998 eingegangenen Klage macht die Klägerin die der Höhe nach unstreitigen Gehaltsdifferenzen zwischen der Vergütungsgruppe 3 nach Maßgabe der Anlage 3 “Gehaltstabelle II” zum EKT und der Anlage 5 für die Monate Februar 1998 bis Juli 2000 geltend. Außerdem begehrt sie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, über den Monat Juli 2000 hinaus an die Klägerin eine Bruttovergütung in Höhe von 4.984,00 DM statt 4.277,93 DM zu bezahlen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Ergänzungstarifvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Außerdem sei er unwirksam. Er verletze insbesondere den Vertrauensgrundsatz, verstoße gegen den Gleichheitssatz und wegen des Ausmaßes der Lohnreduzierung gegen die guten Sitten.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständiges Gehalt in Höhe von 19.111,84 DM brutto nebst 8,5 % Zinsen aus dem sich hierauf ergebenden Nettobetrag seit 20. Juli 2000 zu bezahlen,
- es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, über den Monat Juli 2000 hinaus an die Klägerin eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.984,00 DM statt 4.277,93 DM zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, für das Klagebegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Es widerstreite der durch den Ergänzungstarifvertrag wirksam gestalteten Rechtslage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltendgemachten Gehaltsdifferenzen und auf die begehrte Feststellung. Die Absenkung des Vergütungsniveaus des Verbandstarifvertrages durch die Ergänzung eines Firmentarifvertrages ist wirksam. Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt sich zugunsten der Klägerin nichts anderes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Pfeil, Münter
Fundstellen