Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. Eingruppierung. Bewährungszeiten
Leitsatz (redaktionell)
Verlangt ein Tätigkeitsmerkmal die Bewährung in einer bestimmten Vergütungsgruppe und/oder in einer bestimmten Fallgruppe, wird nach dem tariflichen Wortlaut die normative Geltung der entsprechenden Vergütungsordnung vorausgesetzt. Eine solchermaßen bestimmte Bewährungszeit kann daher erst mit Inkrafttreten der zu Grunde liegenden Vergütungsordnung zu laufen beginnen.
Normenkette
Manteltarifvertrag von 24. September 2004 zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (MTV Pro Seniore) §§ 11, 12, 12b, Anlage B
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2007 – 8 Sa 190/07 und 8 Sa 268/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung der Klägerin.
Die jetzt 56-jährige Klägerin wurde von der Beklagten mit Wirkung ab dem 1. April 2000 als Krankengymnastin eingestellt. Jedenfalls seit Januar 2005 erhielt die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag eine monatliche Gesamtbruttovergütung in Höhe von 1.796,17 Euro monatlich.
Die Klägerin war vom 1. Oktober 2004 bis zum 31. März 2005 und ist seit dem 1. März 2006 erneut Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Am 24. September 2004 unterzeichneten die Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG (Pro Seniore AG) und die Gewerkschaft ver.di verschiedene Tarifverträge, nämlich den Manteltarifvertrag (MTV) mit den Anlagen A und B, den Tarifvertrag über eine Zuwendung und den Vergütungstarifvertrag Nr. 1. Der betriebliche Geltungsbereich der Tarifverträge wurde – in teilweise voneinander abweichenden Formulierungen – auf die in der Anlage A zum MTV auf die im Einzelnen aufgeführten 21 zum Konzern der Pro Seniore AG gehörenden Seniorenbetriebsgesellschaften mit insgesamt ebenfalls aufgeführten 96 “Residenzen” (Einrichtungen) erstreckt. Die Beklagte ist in der Anlage A zum Manteltarifvertrag vom 24. September 2004 angeführt.
Aufgrund teilweise rechtskräftig gewordener Entscheidungen der Vorinstanzen über die Anwendbarkeit des MTV und über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin steht fest, dass diese seit dem 1. Januar 2005 mindestens nach der VergGr. Vc der Anlage B zu dem für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltenden Manteltarifvertrag – Krankengymnasten – zu vergüten ist.
Die Klägerin erstrebt darüber hinaus die Feststellung der Vergütungspflicht nach der VergGr. Vb, da sie sich in der Tätigkeit als Krankengymnastin mit überwiegend schwierigen Aufgaben in der VergGr. Vc Fallgr. 1 mehr als drei Jahre lang bewährt habe. Sie habe ihre Tätigkeit stets beanstandungsfrei ausgeübt. Die Bewährungszeit sei dabei nicht erst ab Inkrafttreten der Tarifverträge zum 1. Januar 2005, sondern ab Beginn des Arbeitsverhältnisses gerechnet. Das folge aus einer Auslegung des MTV; eine andere Sichtweise verstoße gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung.
Die Klägerin hat – soweit in der Revision noch von Interesse – zuletzt Differenzvergütungsansprüche für die Zeit von Januar 2005 bis einschließlich März 2007 eingeklagt. Ihr stehe in der VergGr. Vb eine tarifliche Vergütung in Höhe von insgesamt 2.258,49 Euro brutto monatlich zu (Grundvergütung in der Betriebszugehörigkeitsstufe 3 1.534,63 Euro brutto zzgl. Ortszuschlag 609,26 Euro brutto zzgl. allgemeine Zulage 114,60 Euro brutto). Daraus ergibt sich eine Differenz zu der ihr entsprechend der rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zu zahlenden Vergütung nach VergGr. Vc (2.128,37 Euro) in Höhe von 130,12 Euro monatlich, für die streitige Zeit von 27 Monaten mithin ein Gesamtbetrag von 3.513,24 Euro. Demgemäß hat die Klägerin zuletzt – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.513,24 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 130,12 Euro brutto seit dem 7. Februar, dem 7. März, dem 7. April, dem 9. Mai, dem 7. Juni, dem 7. Juli, dem 8. August, dem 7. September, dem 8. Oktober, dem 7. November und dem 7. Dezember 2005, dem 7. Januar, dem 7. Februar, dem 7. März, dem 7. April, dem 8. Mai, dem 8. Juni, dem 7. Juli, dem 7. August, dem 7. September, dem 9. Oktober, dem 7. November und dem 7. Dezember 2006 sowie seit dem 8. Januar, dem 7. Februar, dem 7. März und dem 10. April 2007 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab April 2007 monatlich die Vergütung gem. der VergGr. Vb (Fallgr. 2) Vergütungsstufe 3, der Anlage B zum Manteltarifvertrag zwischen der Pro Seniore Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft vom 24. September 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage bezüglich der noch streitigen Ansprüche zurückzuweisen. Sie hat unter Berufung auf die zu dem MTV und den streitigen Eingruppierungsnormen ergangene Senatsrechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Bewährungszeit erst ab Inkrafttreten des MTV am 1. Januar 2005 zu laufen begonnen habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit in der Revision allein noch streitig, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision die Eingruppierungsfeststellung und Leistungsverurteilung der Beklagten in vollem Umfange weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin hinsichtlich der noch streitigen Ansprüche zu Recht nicht stattgegeben. Die Klägerin ist nicht in der von ihr begehrten VergGr. Vb eingruppiert und hat deshalb auch keinen Anspruch auf die Zahlung der entsprechenden Vergütung. Die im Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Vb Fallgr. 2 vorgesehene Bewährungszeit in einer Tätigkeit der VergGr. Vc Fallgr. 1 hat erst am 1. Januar 2005 mit Inkrafttreten des MTV begonnen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung hinsichtlich der in die Revision gelangten Streitpunkte – kurz zusammengefasst – damit begründet, dass die Klägerin zwar entgegen der von der Beklagten noch in der Berufungsinstanz geäußerten Auffassung in der VergGr. Vc eingruppiert sei, die für die Höhergruppierung in VergGr. Vb erforderliche dreijährige Bewährungszeit aber noch nicht absolviert habe, da diese erst ab Inkrafttreten des MTV am 1. Januar 2005 zu laufen beginnen konnte.
II. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts lässt keinen entscheidungserheblichen Rechtsfehler erkennen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der MTV kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Die Beklagte ist als tarifvertragsschließende Partei beim Abschluss des Tarifvertrages von der Konzernmuttergesellschaft wirksam vertreten worden (vgl. dazu Senat 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – AP TVG § 1 Nr. 40 = EzA TVG § 1 Nr. 48). Die Klägerin ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di.
2. Die sich aus der Geltung des Tarifvertrages für das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Ermittlung der Eingruppierung der Klägerin ergebenden Vorschriften lauten:
Ҥ 12
Eingruppierung
1. Die Eingruppierung der Arbeitnehmer richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage B). Der Arbeitnehmer erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert ist.
2. Der Arbeitnehmer ist in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.
…”
Die in § 12 Ziff. 1 Satz 1 MTV in Bezug genommene Anlage B lautet auszugsweise wie folgt:
“Anlage B zum Manteltarifvertrag vom 24.09.2004
… Krankengymnasten
…
Vergütungsgruppe Vb
1. …
2. Krankengymnasten in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 nach dreijähriger Bewährung in einer dieser Tätigkeiten.
Vergütungsgruppe Vc
1. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Erlaubnis, die überwiegend schwierige Aufgaben im Sinne der Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1 erfüllen.
2. …
Vergütungsgruppe VIb
1. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit, die in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben erfüllen. (Schwierige Aufgaben sind z.B. Krankengymnastik nach Lungen- oder Herzoperationen, nach Herzinfarkten, bei Querschnittlähmungen, in Kinderlähmungsfällen, mit spastisch Gelähmten, in Fällen von Dysmelien, nach Verbrennungen, in der Psychiatrie oder Geriatrie, nach Einsatz von Endoprothesen.)”
3. Danach ist die Klägerin in der VergGr. Vc eingruppiert. Der Anspruch auf die entsprechende Feststellung und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung ist vom Landesarbeitsgericht tituliert worden. Mehr kann die Klägerin nicht mit Recht verlangen.
a) Die Auslegung eines Tarifvertrages durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 22. Oktober 2002 – 3 AZR 468/01 – AP § 1 TVG Auslegung Nr. 184 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 36). Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebende Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (ständige Rechtsprechung, zB Senat 30. Mai 2001 – 4 AZR 269/00 – BAGE 98, 35, 38 f.; 7. Juli 2004 – 4 AZR 433/03 – BAGE 111, 204, 209).
b) Bei Fallgruppen, die – wie die vorliegend entscheidungserheblichen – in der Weise aufeinander aufbauen, dass sich der Angestellte in der im Tätigkeitsmerkmal der niedrigeren Vergütungsgruppe geforderten Tätigkeit eine gewisse Zeit lang bewährt haben muss, ist zunächst zu prüfen, ob der Angestellte die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe – hier der VergGr. Vc Fallgr. 1 – erfüllt, und anschließend, ob das Merkmal der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe – hier der VergGr. Vb – vorliegt.
c) Durch die Teilrechtskraft des Berufungsurteils steht fest, dass die Klägerin von der Beklagten seit dem 1. Januar 2005 zumindest nach der VergGr. Vc der Anlage B zum MTV zu vergüten ist.
d) Entgegen der Revision erfüllt die Klägerin jedoch nicht das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Vb Fallgr. 2. Denn sie hat sich in der Tätigkeit der VergGr. Vc Fallgr. 1 nicht drei Jahre bewährt. Die Bewährungszeit hat erst mit dem Inkrafttreten des MTV am 1. Januar 2005 zu laufen begonnen. Dies hat der Senat für eine vergleichbare Formulierung im MTV bereits in seiner eine andere Einrichtung der Pro-Seniore-Gruppe betreffenden Entscheidung vom 17. Oktober 2007 (– 4 AZR 1005/06 – AP TVG § 1 Nr. 40 = EzA TVG § 1 Nr. 48) ausführlich begründet und ferner in einer die Beklagte selbst betreffenden und auf Klägerseite von der hiesigen Bevollmächtigten geführten Rechtsstreit ergangenen Entscheidung bestätigt (Senat 4. April 2008 – 4 AZR 104/07 –). Der Senat sieht auch nach nochmaliger Überprüfung keinen Anlass, hiervon abzugehen.
aa) Tarifvertragsparteien bestimmen selbst über die tarifliche Bewertung von Vorbeschäftigungszeiten und -tätigkeiten. Sie sind dabei weitgehend frei. Die Tarifvertragsparteien der Pro-Seniore-Tarifverträge haben sowohl hinsichtlich der Beschäftigungszeit bei der Bestimmung der Vergütungsstufe innerhalb einer Vergütungsgruppe als auch bei der tariflichen Höhergruppierung aufgrund vergangener Tätigkeiten differenzierte Regelungen getroffen. So ist nicht nur im MTV die Beschäftigungszeit in mehrfacher Hinsicht abgestuft definiert, nämlich als Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber (§ 11 Ziff. 1 MTV), der Tätigkeit bei der Pro Seniore AG oder deren Tochtergesellschaften (§ 12b Ziff. 1, § 11 Ziff. 2 MTV) und Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern (§ 12b Ziff. 2 Satz 2 MTV). Auch im Bereich der Tätigkeitsmerkmale in der Anlage B zum MTV selbst sind unterschiedlich bewertete Tätigkeitszeiten definiert. So ist für die Eingruppierung von Altenpflegehelferinnen in der VergGr. Ap IV Fallgr. 2 eine mindestens “sechsjährige Berufstätigkeit nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis” als Voraussetzung genannt. Die Anforderungen an die Bewährungstätigkeit in der niedrigeren Vergütungsgruppe sind ebenfalls unterschiedlich. So wird teilweise die “Tätigkeit” in einer bestimmten Fallgruppe der niedrigeren Vergütungsgruppe gefordert (zB VergGr. Ap VI Fallgr. 1 und 2), in anderen Fällen die “Bewährung” in einer solchen Fallgruppe (zB VergGr. Ap VII Fallgr. 1 und 4). Bei den gewerblichen Arbeitnehmern wird in der VergGr. IXb Fallgr. 2 vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer eine “einjährige Tätigkeit in der Vergütungsgruppe X” absolviert hat, also nicht spezifiziert auf eine der dort geregelten insgesamt sechs Fallgruppen. Auch die VergGr. VII Fallgr. 3 verlangt von den aufstiegsberechtigten Arbeitnehmern der VergGr. VIII nur eine Bewährung “in dieser Vergütungsgruppe”. Nach den Kriterien für die Auslegung eines Tarifvertrages als Rechtsnormenwerk ist regelmäßig davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien durch eine unterschiedliche Terminologie auch unterschiedliche Regelungen treffen wollen. So auch hier: aus den unterschiedlichen Begriffen muss geschlossen werden, dass die Tarifpartner sich die Frage der Anrechnung von Tätigkeiten auf die Erfüllung von Tätigkeitsmerkmalen in Aufstiegsgruppen gestellt und differenziert beantwortet haben. Von einer Anerkennung reiner Tätigkeitszeiten außerhalb der Wirksamkeit des MTV sind die Tarifvertragsparteien nicht ausgegangen, auch wenn sie unter nachvollziehbaren Gesichtspunkten durchaus als gleichwertig erscheinen können. Eine solche Entscheidung haben die Gerichte hinzunehmen (Senat 14. April 1999 – 4 AZR 189/98 – BAGE 91, 163, 173 f.).
bb) Dementsprechend hat der Senat in einem anderen Fall die Bestimmung des MTV, der für den Bewährungsaufstieg eines Beschäftigungstherapeuten die “Bewährung in dieser Tätigkeit” vorsieht, dahingehend ausgelegt, dass diese Bewährungszeit nicht an die (normative) Geltung einer bestimmten Vergütungsordnung gebunden ist, sondern allein an die (beanstandungsfreie) Ausübung der Tätigkeit eines Beschäftigungstherapeuten selbst. Diese Qualifizierung der Tätigkeit ist ebenfalls nicht an den Tarifvertrag gebunden. Wie dargelegt, knüpft der Begriff der “Tätigkeit eines Beschäftigungstherapeuten” an allgemeine, teilweise gesetzlich normierte Voraussetzungen an, nicht jedoch an die Geltung einer Tarifnorm des MTV Pro Seniore. Eine solche Ausübung bedarf daher bereits dem Wortlaut nach nicht der Geltung des Vergütungssystems und der Einordnung dieser Tätigkeit in diese Ordnung (9. April 2008 – 4 AZR 117/07 –).
cc) Aus demselben Grund hat der Senat auf der anderen Seite jedoch in mehreren Fällen entschieden, dass in den Konstellationen, in denen das Tätigkeitsmerkmal die Bewährung in einer bestimmten Vergütungsgruppe und/oder in einer bestimmten Fallgruppe verlangt, nach dem tariflichen Wortlaut die normative Geltung der entsprechenden Vergütungsordnung vorausgesetzt wird. Eine solchermaßen bestimmte Bewährungszeit kann daher erst mit Inkrafttreten der zu Grunde liegenden Vergütungsordnung zu laufen beginnen (vgl. dazu ausführlich 17. Oktober 2007 – 4 AZR 1005/06 – Rn. 34 bis 50, AP TVG § 1 Nr. 40 = EzA TVG § 1 Nr. 48).
dd) Eine entsprechende Regelung findet sich auch in dem hier einschlägigen Tätigkeitsmerkmal der VergGr. Vb Fallgr. 2. Dies setzt seinem Wortlaut nach eine “Tätigkeit der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1” voraus, in welcher sich der Angestellte drei Jahre lang bewährt haben muss. Ist die Zuordnung einer Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungs- oder Fallgruppe Tatbestandselement eines Tätigkeitsmerkmals, so kann dieses nur dann erfüllt werden, wenn die dort verlangte Zuordnung während des tariflichen Bewährungszeitraums auch vorgenommen werden konnte, die Vergütungsordnung mithin galt. Dies war bezüglich des MTV und seiner Anlage B vor dem 1. Januar 2005 nicht der Fall. Deshalb konnte die Bewährungszeit in der VergGr. Vc Fallgr. 1 für die Klägerin erst am 1. Januar 2005 beginnen und war zum – maßgebenden – Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts noch nicht vollendet.
ee) Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Klägerin greifen nicht. Der Senat hat sich mit ihnen schon ausführlich auseinandergesetzt (9. April 2008 – 4 AZR 104/07 – Rn. 44 ff.) und kann – auch wegen der Identität der Prozessbevollmächtigten beider Parteien – auf die dortigen Ausführungen verweisen. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in der Revisionsverhandlung auf Folgendes hinzuweisen:
Auch das Argument der Klägerin, die Klägerin werde durch die tariflichen Bewährungsregelungen wegen ihres Alters diskriminiert, weil das Regelungsziel der Anerkennung von während der Berufsausübung erlangten Qualifikationen mit der von den Tarifvertragsparteien gewählten Regelung nicht erreichbar sei, dagegen einzig mit der von ihr für rechtmäßig gehaltenen Anrechnung sämtlicher Tätigkeitszeiten als Krankengymnastin umgesetzt werden könne, ist nicht durchgreifend. Es verbietet sich nahezu von selbst, den Tarifvertragsparteien Regelungsabsichten zu unterstellen, die durch den von ihnen gewählten Wortlaut der entsprechenden Regelungen nicht umgesetzt werden könnten, und an deren Stelle nolens volens eine selbst erarbeitete Alternativregelung zur Anwendung zu bringen, die dem den Tarifvertragsparteien unterstellten Regelungsziel entspräche. Das ist in der Sache eine ergänzende Vertragsauslegung, die jedoch mindestens die Feststellung einer planwidrigen Lücke im Regelungswerk voraussetzt. Auf die sich weiter aus dem Normcharakter des Tarifvertrages ergebenden Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Auslegungsmethode ist hier nicht weiter einzugehen, da es bereits an einer solchen planwidrigen Lücke fehlt. Die Tarifvertragsparteien haben für die in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitsverhältnisse eine neue konstitutive Vergütungsordnung geschaffen. In dieser sind ua. Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund von näher geregelten Bewährungszeiten vorhanden. Die Tarifvertragsparteien haben ferner eine Besitzstandsgarantie in § 24 MTV vereinbart. Die im MTV normierte erstmalige Ermöglichung einer bis dahin nicht bestehenden Aufstiegsmöglichkeit kann bereits aus systematischen Gründen nicht zu dem von der Klägerin behaupteten Eingriff in ihren “wohlerworbenen Besitzstand” führen. Der weiter von ihr angeführte Aspekt, dass die eingruppierungsrechtliche Nichtberücksichtigung auch längerer Tätigkeitszeiten aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten der neuen Vergütungsordnung “auch mit allgemeinen materiellen Gerechtigkeitsaspekten in gewichtiger Weise kollidieren würde”, ist angesichts der klaren Entscheidung der Tarifvertragsparteien und deren nach § 4 Abs. 1 TVG normativen Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht von Bedeutung.
III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bott, Treber, Creutzfeldt, Hannig, Grimm
Fundstellen
Haufe-Index 2090721 |
AP, 0 |