Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursrechtlicher Rang von Ansprüchen auf Ruhegeld
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche auf betriebliches Ruhegeld sind Masseforderungen im Sinne des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst d KO, soweit sie auf die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens entfallen.
2. Maßgebend ist der Bezugszeitraum; es kommt nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden oder fällig geworden ist.
3. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Konkursverfahren eröffnet worden ist.
Normenkette
KO §§ 59, 61; BetrAVG §§ 9, 7
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.12.1984; Aktenzeichen 16 (15) Sa 1299/84) |
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 09.05.1984; Aktenzeichen 6 Ca 38/84) |
Tatbestand
Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) verlangt von dem beklagten Konkursverwalter Erstattung von Versorgungsleistungen als Masseschulden.
Am 4. Januar 1983 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, der W. GmbH & Co. KG, das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Die Gemeinschuldnerin hatte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erbracht. Der Konkursverwalter befriedigte die Ruhegeldansprüche der früheren Mitarbeiter bis einschließlich Dezember 1982. Für den Monat Januar 1983 zahlte der Kläger nach § 7 BetrAVG an die Betriebsrentner 2.734,70 DM. Mit der Klage verlangt er Rückerstattung dieses Betrages aus der Konkursmasse und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Er ist der Auffassung, es handele es sich um eine Masseschuld i.S. des § 59 Abs. 1 Nr. 3 d KO.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er macht geltend, bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens seien allenfalls Ansprüche für die Zeit bis einschließlich 4. Januar 1983 rückständig gewesen. Er hat vorgetragen, die Renten seien stets erst am Monatsende rückwirkend gezahlt worden. Der Kläger hat erwidert, tatsächlich habe die Gemeinschuldnerin auch stets dann für den vollen Monat gezahlt, wenn die Zahlungsverpflichtung im Laufe des Monats erloschen sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage teilweise stattgegeben, und zwar in Höhe eines Betrags von 314,50 DM, das sind 4/31 der Klageforderung. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Zahlung weiterer 2.420,20 DM fordert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht eine weitere Masseforderung für den Monat Januar 1983 nicht zu.
I. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Einwand des Beklagten zurückgewiesen, er habe als Konkursverwalter über das Vermögen des Trägerunternehmens nicht für die Verbindlichkeiten der Unterstützungskasse einzutreten.
1. Gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG erwirbt der Versorgungsberechtigte gegen den Kläger als Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch auf die zugesagte Versorgung, wenn der Arbeitgeber in Konkurs fällt oder ein anderer der im Gesetz genannten Sicherungsfälle eintritt. Das gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG entsprechend, wenn eine Unterstützungskasse, die nach ihrer Versorgungsordnung vorgesehene Leistungen nicht erbringt, weil über das Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens gehen die Ansprüche der Versorgungsberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf den Träger der Insolvenzsicherung über. Dieser erwirbt kraft Gesetzes eigene Ansprüche. Dies gilt auch bei einer Versorgung durch eine Unterstützungskasse (vgl. dazu auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 9 Rz 69 m.w.N.).
Sagt der Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung durch eine rechtlich selbständige Unterstützungseinrichtung zu, so sind Versorgungsansprüche zwar im Regelfall gegen die Unterstützungseinrichtung und nicht gegen das Trägerunternehmen geltend zu machen (BAG Urteil vom 12. Februar 1971 - 3 AZR 83/70 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen). Das Trägerunternehmen hat jedoch dann für die Versorgungsverbindlichkeiten selbst einzustehen, wenn die Unterstützungskasse nicht ausreichend mit Mitteln versorgt ist. Ist die Kasse vermögenslos und verweigert sie die Leistungen, so können sich die Versorgungsberechtigten und damit im Sicherungsfall auch der Träger der Insolvenzsicherung unmittelbar an das Trägerunternehmen halten (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt BAG 32, 56 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, zu I 3 und II 2 b der Gründe, mit Anmerkung von Blomeyer).
2. Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die dargestellte Rechtsprechung des Senats ausgeführt, die Unterstützungskasse der Gemeinschuldnerin lehne die Erfüllung von Versorgungsansprüchen ab. Diese in der Revisionsinstanz nicht angegriffene Feststellung ist für den Senat bindend (§ 561 ZPO). Es ist daher davon auszugehen, daß die Unterstützungskasse der Gemeinschuldnerin angesichts des Konkurses ihres Trägerunternehmens außerstande ist, die Ansprüche der Versorgungsberechtigten zu befriedigen. Dann aber ist der Kläger nicht gehindert, die auf ihn übergegangenen Ansprüche unmittelbar gegen das Trägerunternehmen zu verfolgen.
II. Die Betriebsrenten für den Monat Januar 1983 sind nur insoweit Masseschulden, wie sie auf die Zeit bis zur Konkurseröffnung entfallen. Damit ist nur der von den Vorinstanzen dem Kläger zuerkannte Anteil von 4/31 des im Januar 1983 zu zahlenden Betrags vorweg zu befriedigen und dem Kläger aus der Konkursmasse zu erstatten (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 d KO, § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG).
1. Gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 d KO sind Masseschulden die Ansprüche auf Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung wegen der Rückstände für die letzten sechs Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens.
a) Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, bei der Feststellung der Rückstände sei nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit, sondern des Entstehens des Anspruchs entscheidend. Betriebsrentenansprüche entstünden jedoch nicht jeweils am Monatsersten für den ganzen Monat, sondern täglich für jeden Tag neu. Für Gehalts- und Urlaubsansprüche habe das Bundesarbeitsgericht dies anerkannt. Dieses Prinzip lasse sich zwanglos auch auf Ruhegeldansprüche übertragen. Dem ist im Ergebnis, aber nicht in allen Teilen der Begründung zu folgen.
b) Zu Recht lehnt das Berufungsgericht die Fälligkeit wiederkehrender Leistungen als maßgeblichen Zeitpunkt für die Fristberechnung ab. Das läßt sich zwar nicht eindeutig dem Wortlaut des Gesetzes entnehmen, ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber hat die Fälligkeit der Leistung, die er als zufällig ansah, als Zuweisungsmerkmal ablehnen wollen. Dies ergeben zweifelsfrei die Materialien des Dritten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (Konkursausfallgeldgesetz) vom 17. Juli 1974 (BGBl I, 1481), durch das u.a. die §§ 59 und 61 KO neu gefaßt wurden (BT-Drucks. 7/1750 S. 12 zu § 141 b AFG und S. 16 zu §§ 59 und 61 KO). Damit erledigt sich vorliegend die Frage, ob im Streitfall die Betriebsrente jeweils am Monatsanfang oder am Monatsende auszuzahlen war.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Revision bildet aber auch der Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs kein geeignetes Merkmal für die konkursrechtliche Zuordnung. Die §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 und 61 Abs. 1 Nr. 1 KO stellen ebensowenig darauf ab, ob der Anspruch realisierbar ist, wie darauf, ob der Anspruch bei Konkurseröffnung bereits entstanden war (§ 3 Abs. 1 KO). Die Rangordnung von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis in einem Konkursverfahren baut vielmehr darauf auf, daß die Ansprüche einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können. Daher ist für die Zuweisung im Konkurs der Anspruch schon dann begründet, wenn sein Rechtsgrund innerhalb des genannten Zeitraums gelegt ist, mag der Anspruch auch noch nicht fällig oder sogar nur aufschiebend bedingt sein. Das folgt aus § 67 KO, wonach auch aufschiebend bedingte Forderungen am Konkurs teilnehmen. Soweit im Schrifttum ausgeführt wird, für die Zuordnung eines Anspruchs aus einem Arbeitsverhältnis zu den Masseforderungen oder den bevorrechtigten Konkursforderungen komme es darauf an, wann der Anspruch entstanden sei, sollte damit kein zusätzliches Abgrenzungsmerkmal genannt, sondern nur deutlich gemacht werden, daß es nicht auf die Fälligkeit ankommt (Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 59 Anm. 4; Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Bd. 1, 2. Aufl., § 7 Rz 49; wohl auch Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 211 und Rz 226). Diese Auffassung hat auch das Bundesarbeitsgericht wiederholt vertreten, soweit es sich um die Zuordnung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung handelt (BAG 33, 113, 116 = AP Nr. 9 zu § 59 KO, zu II 2 b der Gründe mit zustimmender Anmerkung von Uhlenbruck; Urteil vom 21. Mai 1980 - 5 AZR 441/78 - AP Nr. 10 zu § 59 KO, zu A II 2 der Gründe, ebenfalls mit zustimmender Anmerkung von Uhlenbruck; Urteil vom 4. Juni 1985 - 3 AZR 355/83 - AP Nr. 19 zu § 61 KO).
c) Die Auffassung der Revision, für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung gelte etwas anderes, weil die zu vergütende Vorleistung der Versorgungsberechtigten nicht in den genannten Bezugszeiträumen, sondern langfristig oder auf Lebenszeit erbracht worden sei, vermag nicht zu überzeugen. Richtig ist, daß sich Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht in der gleichen Weise wie Lohn, Urlaubsabgeltung oder Tantiemen als Entgelt gerade einem bestimmten Zeitabschnitt zuordnen lassen. Die Revision verkennt aber, daß das Gesetz eine solche Kongruenz nicht fordert, sondern die Rangordnung für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen einschließlich solcher aus betrieblicher Altersversorgung nach Bezugszeiträumen gegliedert hat. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, Unterhalts- und Versorgungsrechte gegenüber anderen Ansprüchen zu privilegieren. Auch Entgeltansprüche für solche Dienste, die sich einem bestimmten Zeitabschnitt zuordnen lassen, dienen dazu, den Unterhaltsbedarf der Anspruchsinhaber zu befriedigen. Bei Versorgungsansprüchen früherer Arbeitnehmer tritt dieser Gesichtspunkt nur besonders deutlich hervor. Der Ruheständler wird im Gegensatz zu einem aktiven Arbeitnehmer in der Regel schon wegen Alters oder Invalidität nicht in der Lage sein, seinen Unterhalt durch Einsatz seiner Arbeitskraft anderweitig zu sichern. Er war nach der Gesetzeslage bis zur Neufassung von Teilen der Konkursordnung durch das Gesetz vom 17. Juli 1974 (aa0) auf dasjenige angewiesen, was er aufgrund der seinerzeit nicht bevorrechtigten Forderung aus dem Konkurs des Versorgungsschuldners erhielt. Dieser mangelnde Schutz hat den Senat schon vor dem Eingreifen des Gesetzgebers veranlaßt, Forderungen auf rückständige Versorgungsleistungen in entsprechender Anwendung des § 61 Nr. 1 KO a.F. als bevorrechtigt anzusehen (Urteil vom 4. Juli 1969, BAG 22, 105 = AP Nr. 6 zu § 61 KO). Als der Gesetzgeber das Gesetz vom 17. Juli 1974 verabschiedete, war ihm diese Rechtsauffassung des Senats, die im Schrifttum überwiegend geteilt wurde, bekannt. Er wollte ihr durch die Änderung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 KO und § 61 Nr. 1 KO Rechnung tragen und damit erreichen, daß rückständige Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung rückständigen Lohnforderungen gleichgestellt wurden (so ausdrücklich BT-Drucks. 7/1750 S. 16 zu §§ 59 und 61 KO). Damit wird zugleich der Zweck der Neuregelung deutlich: Maßgebend für die Zuordnung von Versorgungsansprüchen im Konkurs ist ausschließlich der jeweilige Bezugszeitraum.
2. Masseschulden i.S. des § 59 Abs. 1 Nr. 3 d KO sind somit diejenigen rückständigen Ruhegeldansprüche, die für die letzten sechs Monate bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens geschuldet werden. Stichtag für die Fristberechnung ist folglich allein das Datum der Konkurseröffnung (§ 187 Abs. 1 BGB). Eine Berechnung der Frist unter Einbeziehung oder Ausschluß des vollen Monats, in den der Zeitpunkt der Konkurseröffnung fällt, scheidet damit aus und ist auch nicht aus Gründen der Praktikabilität geboten. Ob der Tag der Konkurseröffnung mitzählt (vgl. § 187 Abs. 1 BGB), ist im Streitfall nicht zu entscheiden, da der auf ihn entfallende Betrag dem Kläger rechtskräftig zuerkannt ist. Unerheblich ist ferner, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt neben dem Rentenstammrecht jeweils ein gesonderter Anspruch auf die einzelne Rentenrate entsteht. Ebenso kann die Frage offenbleiben, ob sich aus Vorschriften des BGB oder des Rechts der gesetzlichen Sozialversicherung schließen läßt, daß ein Anspruch auf Zahlung
der monatlichen Rentenraten zum Monatsbeginn oder erst zum Monatsende entsteht.
Schaub Dr. Steckhan Griebeling
Grimm Dr. Michels
Fundstellen
BB 1987, 1039 |
BB 1987, 1039-1040 (LT1-3) |
DB 1987, 1305-1306 (LT1-3) |
BetrAV 1987, 195-196 (LT1-3) |
JR 1987, 264 |
KTS 1987, 499-501 (LT1-3) |
NZA 1987, 450-452 (LT1-3) |
RdA 1987, 187 |
ZIP 1987, 587 |
ZIP 1987, 587-588 (LT1-3) |
AP § 59 KO (LT1-3), Nr 20 |
AR-Blattei, ES 970 Nr 77 (LT1-3) |
AR-Blattei, Konkurs Entsch 77 (LT1-3) |
EzA § 59 KO, Nr 15 (LT1-3) |