Entscheidungsstichwort (Thema)
Sportlehrer an Führungsakademie
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 31.08.1988, 4 AZR 117/88 = nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 12.11.1987; Aktenzeichen 7 Sa 62/87) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 25.03.1987; Aktenzeichen 7 Ca 353/86) |
Tatbestand
Der Kläger wird seit dem 25. Januar 1965 an den Bundeswehrschulen der Beklagten als Sportlehrer beschäftigt und ist seit dem 18. Juni 1974 einem Sportlehrer mit staatlich anerkannter Sportlehrerprüfung gleichgestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung. Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. IV b BAT.
Seit dem 1. Februar 1982 ist der Kläger an der Führungsakademie der Bundeswehr in H tätig. Ihm obliegt die Erteilung von Sportunterricht in den von der Führungsakademie durchgeführten Lehrgängen. Diese umfassen auch die Fort- und Weiterbildung der zur Führungsakademie entsandten, berufserfahrenen Offiziere im Bereich der Sportausbildung. Die Lehrgangsteilnehmer haben in aller Regel eine Ausbildung als Sportausbilder, die nach der Zentralen Dienstvorschrift "Sport in der Bundeswehr" (ZDv 3/10) an der Sportschule der Bundeswehr und an den Offizier-, Unteroffizier-, Truppen- und Waffenschulen der Teilstreitkräfte nach besonderen Richtlinien erfolgt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß seine Tätigkeit das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV a, Teil III, Abschnitt I (Sportlehrer an Bundeswehrschulen) der Anlage 1 a zum BAT erfülle, da er sich langjährig als Sportlehrer in einer Tätigkeit der VergGr. IV b Fallgruppe 2, Teil III, Abschnitt I der Anlage 1 a zum BAT bewährt habe. In VergGr. IV b BAT Fallgruppe 2 seien Sportlehrer mit staatlich anerkannter Sportlehrerprüfung nach einjähriger Tätigkeit einzugruppieren, die in der Ausbildung von Sportausbildern (Riegenführer, Hilfssportlehrer, Sportleiter) tätig seien. Diese Anforderung sei mit seiner Tätigkeit an der Führungsakademie erfüllt, da die Ausbildung von Sportausbildern im tariflichen Sinne nicht nur deren Erstausbildung, sondern auch deren Fort- und Weiterbildung umfasse. Außerdem erfordere die Ausbildung bereits ausgebildeter Sportausbilder besondere Qualifikationen, die mindestens die gleiche Vergütung rechtfertigten wie sie Sportlehrer in der Erstausbildung von Sportausbildern erhielten.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihn ab 1. Oktober 1985 nach der VergGr.
IV a des Teils III Abschn. I der Anlage 1 a
zum BAT zu entlohnen,
2. festzustellen, daß die Beklagte bei der Erfül-
lung der Entlohnungsverpflichtung nach Ziff. 1
ihm die monatlichen Differenzbeträge zwischen
der VergGr. IV a und IV b gerechnet von der
jeweiligen Fälligkeit am 15. jedes Monats seit
Klagezustellung mit 4 % Zinsen pro Jahr zu
verzinsen habe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Die Tätigkeit des Klägers an der Führungsakademie der Bundeswehr sei keine "Ausbildung von Sportausbildern" im tariflichen Sinne. Als solche könne nur die Erstausbildung zum Sportausbilder angesehen werden. Diese werde an der Führungsakademie jedoch nicht durchgeführt. Die Lehrgangsteilnehmer seien bereits ausgebildete Sportausbilder, deren Qualifikation durch Fort- und Weiterbildung in den Lehrgängen gefestigt und ergänzt werde. Dies stelle an den Sportlehrer geringere Anforderungen als die Erstausbildung. Wenn die Tarifvertragsparteien den Sportlehrern an der Führungsakademie insoweit die gleiche Vergütung gewähren wollten, müßten sie die tariflichen Bestimmungen entsprechend anpassen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Dabei hat er seinen Zinsanspruch auf Rechtshängigkeitszinsen aus den Nettodifferenzbeträgen beschränkt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT nicht zusteht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der vom Kläger für sich beanspruchten Vergütungsgruppe IV a BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Hierbei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen. Danach ist darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (vgl. BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 282, 287 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 51, 356, 360 = AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Der Kläger ist Sportlehrer und hat damit eine Funktion inne. Alle Einzelaufgaben seiner Tätigkeit dienen einem einheitlichen Arbeitsergebnis, so daß seine gesamte Tätigkeit als Arbeitsvorgang im Tarifsinne anzusehen ist (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1988 - 4 AZR 765/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m. w. N.). Dieser ist nach den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. IV a, IV b und V b, Teil III, Abschnitt I der Anlage 1 a zum BAT einheitlich tariflich zu bewerten. Diese Tätigkeitsmerkmale haben folgenden Wortlaut:
"Vergütungsgruppe IV a
Sportlehrer nach langjähriger Bewährung in der Ver-
gütungsgruppe IV b Fallgruppe 2.
Vergütungsgruppe IV b
1. Sportlehrer nach langjähriger Bewährung in der Ver-
gütungsgruppe V b Fallgrupppe 2 oder 3.
2. Sportlehrer nach einjähriger Tätigkeit in der Ver-
gütungsgruppe V b Fallgruppe 2 oder 3, die sich da-
durch aus dieser Vergütungsgruppe herausheben, daß
sie in der Ausbildung von Sportausbildern (Riegen-
führer, Hilfssportlehrer, Sportleiter) tätig sind.
Vergütungsgruppe V b
1. .....
2. Sportlehrer mit staatlich anerkannter Sportlehrer-
prüfung. (Dieses Tätigkeitsmerkmal gilt nur für die
Sportlehrer, die ein mindestens viersemestriges
Studium an einem staatlichen Ausbildungsinstitut
durchlaufen haben.)
3. ....."
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß der Kläger, der Sportlehrer im Sinne der VergGr. V b BAT Fallgruppe 2 sei, das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV b BAT Fallgruppe 2 nicht erfülle, da er nicht in der Ausbildung von Sportausbildern (Riegenführer, Hilfssportlehrer, Sportleiter) tätig sei. Der tarifliche Begriff der "Ausbildung von Sportausbildern" umfasse nur deren Erstausbildung. Dies folge daraus, daß der Begriff der Ausbildung in der Rechtsterminologie einen bestimmten Inhalt habe, an den die Tarifvertragsparteien anknüpfen wollen. Dieser ergebe sich aus dem Berufsbildungsgesetz und dem Arbeitsförderungsgesetz und umfasse nur die Vermittlung der beruflichen Grundbildung und der zur Berufsausübung notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse und damit die Erstausbildung in einem Beruf. Auch nach der Zentralen Dienstvorschrift, die in einem inneren Zusammenhang zu den tariflichen Bestimmungen stehe, sei die Fort- und Weiterbildung bereits ausgebildeter Sportlehrer nicht als Ausbildung von Sportlehrern im Tarifsinne zu verstehen. Da die Tätigkeit des Klägers an der Führungsakademie sich nicht auf die Erstausbildung von Sportausbildern, sondern auf deren Fort- und Weiterbildung beziehe, erfülle sie nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IV b BAT Fallgruppe 2, so daß dem Kläger auch nach langjähriger Bewährung kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT zustehe.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Bei der Tarifauslegung sind maßgeblich der Tarifwortlaut und der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Der Begriff der "Ausbildung von Sportausbildern" ist von den Tarifvertragsparteien nicht gesondert erläutert worden. Auch bietet der tarifliche Gesamtzusammenhang keine Anhaltspunkte für eine Interpretation des Begriffs. Das Landesarbeitsgericht folgert aus der Verwendung des Begriffs der "Ausbildung" im Tarifwortlaut, daß die Tarifvertragsparteien damit an einen Begriff anknüpfen wollen, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte vorgegebene Bedeutung habe, so daß er in dieser auch der Tarifauslegung zugrunde zu legen sei (vgl. BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB; BAGE 50, 147, 151 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Urteile vom 12. März 1986 - 4 AZR 547/84 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt; vom 1. April 1987 - 4 AZR 397/86 - AP Nr. 136 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit Bezug auf das Berufsbildungsgesetz und das Arbeitsförderungsgesetz. Dies reicht jedoch zur Interpretation des Rechtsbegriffs der "Ausbildung von Sportausbildern" im Sinne der VergGr. IV b BAT Fallgruppe 2 nicht aus. Sowohl das Berufsbildungsgesetz als auch das Arbeitsförderungsgesetz stellen auf eine berufliche Grundausbildung ab, die vorliegend in den tariflichen Bestimmungen nicht angesprochen ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit den tariflichen Bestimmungen des Teils III Abschnitt I (Sportlehrer an Bundeswehrschulen) der Anlage 1 a zum BAT vielmehr spezielle Tätigkeitsmerkmale für Sportlehrer an Bundeswehrschulen normiert. Demgemäß ist davon auszugehen, daß in einem solchen Falle die verwendeten Begriffe in der Weise wiedergegeben und angewendet werden sollen, wie sie in den betreffenden Fachkreisen verstanden und üblicherweise angewendet werden (vgl. BAG Urteil vom 28. Februar 1979 - 4 AZR 461/77 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk und vom 12. März 1986 - 4 AZR 534/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie). Der Begriff der "Ausbildung von Sportausbildern" ist damit nach seiner üblichen Verwendung im Bereich der Bundeswehr zu interpretieren.
Zutreffend weist der Kläger insoweit darauf hin, daß der Begriff der "Ausbildung" im Bereich der Bundeswehr eine umfassende Bedeutung habe. Der Begriff der "Ausbildung" wird als Sammelbegriff verwendet für die militärische Ausbildung im engeren Sinne sowie für Bildung, Erziehung, Fortbildung und Weiterbildung in den Streitkräften (vgl. Handbuch "Militärische Ausbildungspraxis - Lern- und Arbeitsbuch für den Ausbilder", herausgegeben vom Bundesminister der Verteidigung, Juli 1987, S. 10). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der "Ausbildung von Sportausbildern" auch deren Fort- und Weiterbildung, wie der Kläger meint, erfassen wollen. Die Tätigkeitsmerkmale für Sportlehrer in Teil III, Abschnitt I der Anlage 1 a zum BAT betreffen nämlich nicht im allgemeinen Sinne die Ausbildung, der Soldaten und Offiziere im Bereich der Bundeswehr unterzogen werden, sondern ausschließlich die speziellen Tätigkeiten der Sportlehrer im Bereich der Sportausbildung an den Bundeswehrschulen. Aus diesem Grunde kommt es für die Interpretation des tariflichen Rechtsbegriffs allein darauf an, in welcher Weise die Sportausbildung im Bereich der Bundeswehr üblicherweise geregelt ist. Diese sieht nach der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv 3/10) die Ausbildung zu Sportausbildern nach besonderen Richtlinien an der Sportschule der Bundeswehr und den Offizier-, Unteroffizier-, Truppen- und Waffenschulen der Teilstreitkräfte vor. Die Ausbildung in diesem Sinne bezieht sich auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Ausübung der Tätigkeit eines Sportausbilders (Riegenführer, Hilfssportlehrer, Sportleiter) Voraussetzung sind und damit auf die "Erst"-Ausbildung dieser Sportausbilder.
Dies entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach ist unter "Ausbildung" das Ausbilden, das Entwickeln von Fähigkeiten und Anlagen, das Vermitteln von Kenntnissen und Fähigkeiten, die für bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben Voraussetzung sind, besonders im Rahmen der Berufsausbildung und Berufsfortbildung, zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort: "Ausbildung"). Dem Sportausbilder werden nämlich während seiner Ausbildung alle Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die ihn in die Lage versetzen, die Tätigkeit eines Sportausbilders auszuüben. Sportlehrer, die diese Ausbildung durchführen, sind damit in der Ausbildung von Sportausbildern im Tarifsinne tätig. Hätten die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Anforderung auch die Fort- und Weiterbildung bereits ausgebildeter Sportausbilder erfassen wollen, so hätte dies in der tariflichen Bestimmung als Abweichung von der üblicherweise an den betreffenden Schulen durchgeführten Ausbildung der Sportausbilder gesondert zum Ausdruck gebracht werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich die besonderen Verhältnisse der Sportausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr im übrigen berücksichtigt, wie die Eingruppierung des Leiters der Sportausbildung an der Führungsakademie in VergGr. II a Buchst. c, Teil III, Abschnitt I der Anlage 1 a zum BAT zeigt.
Zwar liegt es nahe, daß die Fort- und Weiterbildung bereits ausgebildeter Sportausbilder gegebenenfalls die gleiche, wenn nicht unter Umständen sogar eine höhere Qualifikation erfordert als deren Erstausbildung und deshalb durchaus eine entsprechende Vergütung rechtfertigen könnte, wie sie die mit dieser Ausbildung beschäftigten Sportlehrer erhalten; den Gerichten für Arbeitssachen ist es im Hinblick auf die Tarifautonomie jedoch verwehrt, tarifliche Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB zu überprüfen (BAGE 48, 65, 73 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie; Urteil vom 20. August 1986 - 4 AZR 256/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Urteil vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Solange die Tarifvertragsparteien keine entsprechende Regelung treffen, erfüllt damit die Tätigkeit des Klägers als Sportlehrer an der Führungsakademie der Bundeswehr nicht das Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe IV b BAT Fallgruppe 2, so daß dem Kläger ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT nach langjähriger Bewährung nicht zusteht.
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Feller hat Urlaub Dr. Freitag
Dr. Neumann
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Fundstellen