Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (Anschluss an den BFH-Beschluss vom 26.05.2021, V R 22/20, BFHE 273, 351).
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt ein Hotel und Restaurant. Alle Hotelgäste erhalten ein Frühstück sowie Zugang zur hoteleigenen Badelandschaft (Spa). In ihren Ausgangsrechnungen wies die Antragstellerin bis einschließlich Dezember 2016 USt i.H.v. 19 % für Frühstück und Spa aus.
In der USt-Erklärung für 2017 vertrat sie erstmals die Auffassung, Übernachtung und Frühstück seien eine einheitliche Leistung zum ermäßigten Steuersatz i.H.v. 7 %.
Später beantragte die Antragstellerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, auf die Übernachtung, das Frühstück und den Zugang zum Spa als einheitliche Leistung den ermäßigten Steuersatz i.H.v. 7 % anzuwenden.
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten und Frühstück sowie Spa andererseits dem allgemeinen Steuersatz i.H.v. 7 % bzw. 19 % zu unterwerfen seien.
Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte AdV.
Das FA und die Vorinstanz (FG Nürnberg, Beschluss vom 18.12.2020, 2 V 1159/20, Haufe-Index 14295281, EFG 2021, 422) lehnten die Gewährung von AdV ab. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen USt-Änderungsbescheide bestünden keine ernstlichen Zweifel. Für die Streitjahre 2014 bis 2016 schulde die Antragstellerin für Frühstück und Spa schon deshalb USt i.H.v. 19 %, weil sie diese Steuer in ihren Ausgangsrechnungen ausgewiesen habe. Außerdem sei (für das Streitjahr 2017) das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG auch im Lichte des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam vom 18.1.2018, C-463/16 (EU:C:2018:22) mit Unionsrecht vereinbar.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung (nur) für das Streitjahr 2017 auf und gewährte die AdV. Eine Sicherheitsleistung ordnete er nicht an, weil das FA nicht vorgetragen hatte, dass eine solche erforderlich wäre.
Hinweis
1. Nach Auffassung des BFH (BFH, Urteil vom 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, 86) ist das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG (sog. "Business-Pauschale") mit Unionsrecht vereinbar.
2. In seinem "Dinner-Show-Urteil" (BFH, Urteil vom 13.6.2018, XI R 2/16, BFH/NV 2018, 1214, BFH/PR 2018, 308) ließ der BFH dann plötzlich offen, ob er daran ohne Weiteres festhalten könne. Was war passiert? Der EuGH hatte durch das Urteil Stadion Amsterdam (EuGH, Urteil vom 18.1.2018, C-463/16, Haufe-Index 11440872, UR 2018, 200) entschieden, dass eine einheitliche Leistung nur zu dem für diese geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.
3. Nun hat der BFH zu dieser Frage mit dem Besprechungsbeschluss AdV gewährt, nachdem der V. Senat des BFH mit Vorlagebeschluss (BFH, EuGH-Vorlage vom 26.5.2021, V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316; Az. des EuGH: C‐516/21) den EuGH um Vorabentscheidung der Frage ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG für Betriebsvorrichtungen mit Unionsrecht vereinbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 7.3.2022 – XI B 2/21 (AdV)