Leitsatz

1. Die Veräußerung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten führt zu einem sog. Doppelumsatz, nämlich zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber (Dritten) und zugleich zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer.

2. Hat der Sicherungsnehmer einen sicherungsübereigneten Gegenstand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung verwertet, liegt keine "Lieferung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens" i.S.d. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG vor.

 

Normenkette

§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1999, § 170 Abs. 2, § 173 Abs. 1 InsO

 

Sachverhalt

Nach Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (November) kündigte die Bank sämtliche zum Erwerb von Kfz aufgenommenen Darlehensverträge der AG mit sofortiger Wirkung. Am selben Tag übergab die AG der Bank die Fahrzeuge zum Zweck der Verwertung. Der danach bestellte, vorläufige Insolvenzverwalter (Kläger) stimmte im Dezember der Verwertung zu. Erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußerte die Bank die Kfz.

Der Insolvenzverwalter (Kläger) meinte, die Kfz seien "außerhalb des Insolvenzverfahrens" – bereits mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters – geliefert worden. Die Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH ließ die Revision nicht zu, weil die Grundsätze zur Lieferung von Sicherungsgut bereits geklärt sind. Entgegen der Auffassung des Klägers sei § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG nicht analog anwendbar. Dem Gesetzgeber war die ständige Rechtsprechung des BFH zum sog. Doppelumsatz bei Veräußerung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten bekannt, als er – nicht anders als zuvor – die Regelung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG auf die Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer auf Fälle außerhalb des Insolvenzverfahrens begrenzte. Es sollten – wie auch zuvor – sämtliche Lieferungen von Sicherungsgut während des Insolvenzverfahrens nicht der Regelung des § 13b UStG unterworfen werden. Nicht anderes ergebe sich aus der vom Kläger zitierten BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 29.03.2007, IX ZR 27/06, Der Betrieb 2007, 1351).

 

Hinweis

1. Die Veräußerung des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten für Rechnung des Sicherungsgebers führt nach ständiger Rechtsprechung zu zwei Lieferungen (sog. Doppelumsatz): Der Sicherungsnehmer liefert an den Erwerber und der Sicherungsgeber liefert – gleichzeitig – an den Sicherungsnehmer. Eine Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG findet erst im Zeitpunkt der Veräußerung an den Erwerber statt, denn erst dann ist der Gegenstand (auch wirtschaftlich) endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers ausgeschieden. Eine Vereinbarung, nach der der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Sicherungsgut zur Verwertung freigibt und auf sein Auslösungsrecht verzichtet, stellt deshalb noch keine Lieferung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer dar.

2. Die grundlegende Entscheidung zum "Doppelumsatz" ist zwar noch unter Geltung der Konkursordnung ergangen. Für das Insolvenzverfahren ergibt sich nichts anderes. Denn die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich (bereits) eine Lieferung vorliegt, richtet sich allein nach umsatzsteuerrechtlichen Kriterien, nicht etwa nach Konkurs- bzw. Insolvenzrecht.

3. Auch § 13b Abs. 1 Nr. 2 des UStG 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung berührt die Grundsätze zur Frage, wann eine Lieferung vorliegt, nicht. Nach dieser Regelung entsteht bei "Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens" die Steuer mit Ausstellung der Rechnung und schuldet der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.

Bei einer Freigabe vor und der Verwertung nach (!) Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt die Lieferung nicht "außerhalb des Insolvenzverfahrens". Aus dem Umstand, dass § 173 Abs. 1 der InsO für diesen Fall keine dem § 170 Abs. 2 InsO entsprechende Verpflichtung des Gläubigers zur Abführung des USt-Betrags an die Masse vorsieht, kann nicht geschlossen werden, dass die Lieferung doch außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 19.07.2007, V B 222/06

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