Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Die bestandskräftige Feststellung zum Vorliegen einer Mitunternehmerschaft entfaltet als selbstständiger Regelungsgegenstand eines Gewinnfeststellungsbescheids Bindungswirkung für die rechtlich nachrangigen Feststellungen und damit auch für die Frage der Erzielung eines Veräußerungsgewinns nach den §§ 16, 34 EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 10.2.1988, VIII R 352/82, BStBl II 1988, 544).
2. Zur Auslegung einer Klage, mit der der Kläger sich nicht nur gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Veräußerungsgewinnen, sondern auch gegen das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft (gemeinschaftliche Erzielung gewerblicher Einkünfte) wendet.
Normenkette
§ 48 Abs. 1 FGO , § 60 Abs. 3 FGO , § 179 AO , § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO , § 16 EStG , § 34 EStG
Sachverhalt
Die Kläger waren Gesellschafter einer KG. Von dem Gesamtgewinn der KG entfiel ein Teil auf Gewinne aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile der Kläger und einiger anderer Gesellschafter.
Den Feststellungsbescheid fochten nur die Kläger an. Zur Begründung machten sie neben Ausführungen zum Veräußerungsgewinn u.a. geltend, das FA habe die KG zu Unrecht als Mitunternehmerschaft (gewerblich geprägte KG) qualifiziert; tatsächlich sei sie nur vermögensverwaltend tätig geworden. Damit sei schon aus diesem Grund ein Veräußerungsgewinn nicht entstanden.
Das FG hat alle ausgeschiedenen Gesellschafter zum Klageverfahren beigeladen. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Kläger.
Entscheidung
Der BFH wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Gegenstand des Verfahrens sei nicht nur die Feststellung der Rechtmäßigkeit des von den Klägern erzielten Veräußerungsgewinns, sondern auch die Feststellung der Mitunternehmerschaft. Deshalb seien nicht nur die fortbestehende KG beizuladen, sondern auch die von der Veräußerung nicht betroffenen ausgeschiedenen Gesellschafter. Denn diesen gegenüber sei zwar nicht die Entscheidung über den Veräußerungsgewinn, wohl aber die Entscheidung über das Bestehen einer Mitunternehmerschaft zwischen allen Gesellschaftern einheitlich zu treffen. Diese Entscheidung sei gegenüber derjenigen über den Veräußerungsgewinn die rechtlich vorrangige.
Der Beiladung der übrigen Gesellschafter stehe nicht entgegen, dass die Regelfrist zur Festsetzung der Einkommensteuer diesen Gesellschaftern gegenüber bereits abgelaufen sei. Der Gewinnfeststellungsbescheid sei ein Grundlagenbescheid. Werde dieser durch das Gericht im Rahmen einer Anfechtungsklage aufgehoben oder geändert, ende die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieses Bescheids (§ 171 Abs. 10 AO).
Hinweis
1. Die Frage, wer in einem gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid gerichteten Klageverfahren notwendig beizuladen ist, richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand und nach der Klagebefugnis hinsichtlich dieses Gegenstands (§ 60 Abs. 2 FGO). Dabei gilt für die Beiladung der Personengesellschaft der Grundsatz, dass diese während ihrer Existenz "immer dabei" ist. Nicht klagende Gesellschafter sind nur beizuladen, wenn sie von der Entscheidung betroffen sind.
Ficht ein Gesellschafter nur die ihn betreffende Feststellung des Gewinns aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils an, besteht kein Bedürfnis für die Beiladung der übrigen Gesellschafter, und zwar auch dann nicht, wenn diese inzwischen aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Regelmäßig sind sie – soweit ihnen der Anteil nicht anwächst – am Ausgang des Verfahrens auch nicht interessiert. So lag der Fall auch hier; die Mitgesellschafter haben weder die Feststellung des laufenden Gewinns der Gesellschaft noch die ihnen zugerechneten Veräußerungsgewinne angefochten.
2. Die Besonderheit des Falls lag hier im Klagevortrag, dass die Gesellschaft nicht gewerblich, sondern nur vermögensverwaltend tätig gewesen sei und deshalb schon wegen fehlender Mitunternehmerschaft ein Veräußerungsgewinn nicht hätte festgestellt werden dürfen. Und obwohl die Feststellung der Mitunternehmerschaft nach ständiger Rechtsprechung ein selbstständiger Streitgegenstand ist, wurde sie mit diesem Vortrag in das Verfahren einbezogen. Denn diese Feststellung ist gegenüber anderen Streitgegenständen (wie z.B. der Rechtmäßigkeit des laufenden Gewinns, des Veräußerungsgewinns, der Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz usw.) die logisch vorrangige (Stufenverhältnis der Streitgegenstände). Damit sind alle ausgeschiedenen Gesellschafter notwendig zum Verfahren beizuladen, auch wenn sie dies gar nicht wollen und ihnen gegenüber alle im Feststellungsbescheid enthaltenen Einzelfeststellungen bereits bestandskräftig geworden und in bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden berücksichtigt worden sind.
3. Offen ist noch die Frage, welche Folgen der Ausgang des Verfahrens für die beigeladenen Gesellschafter hat, insbesondere ob bei einem für die Kläger positiven Urteil auch die Feststellung ihrer Veräußerungsgewinne und damit ihre Einkommensteuerfestsetzungen keinen Bestand mehr haben können (entspreche...