Leitsatz
Eine Umsatzsteuervorauszahlung, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt wird, ist auch dann im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abziehbar, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (entgegen EStH 2017, § 11EStG H 11, Stichwort Allgemeines, "Kurze Zeit").
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Satz 4 UStG, § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG, § 108 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Sie leistete die Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2014 am 8.1.2015. Die Klägerin sah diese Zahlung als Betriebsausgabe des Jahres 2014 an. Das FA versagte den Abzug, da die Zahlung dem Jahr 2015 zuzurechnen sei. Die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG könne nicht angewandt werden, wenn der Fälligkeitstag aufgrund des § 108 Abs. 3 AO außerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums liege. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG meinte, § 108 Abs. 3 AO sei teleologisch so zu reduzieren, dass diese Norm bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anzuwenden sei (Thüringer FG, Urteil vom 27.1.2016, 3 K 791/15, Haufe-Index 9735221, EFG 2016, 1425).
Entscheidung
Die Revision des FA war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
1. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Steuerpflichtigen kurze Zeit – d.h. nach ständiger Rechtsprechung 10 Tage – vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahres angefallen sind, als in dem Kalenderjahr abgeflossen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Ein wichtiger Anwendungsfall dieser Regelung sind die Umsatzsteuervorauszahlungen für den Dezember, bzw. bei Fristverlängerung gemäß § 46 UStDV für den November.
2. Fällt der 10. Januar auf einen Sonnabend oder Sonntag, stellt sich die Frage, ob bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Steuerschuld bezahlt worden sein muss, sondern ob nicht diese auch – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig sein muss. Der X. Senat konnte diese Frage ausdrücklich offenlassen, da im Streitfall auch der auf die Fälligkeit bezogene Zehn-Tages-Zeitraum eingehalten worden war.
3. Der die Umsatzsteuervorauszahlungen bestimmende Fälligkeitstermin beruht auf der gesetzlichen Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG. Danach sind sie am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig, d.h. innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG. Nach Auffassung des BFH ist allein auf diese gesetzliche Frist abzustellen, nicht hingegen auf eine mögliche Verlängerung der Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO bzw. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 193 BGB. § 108 Abs. 3 AO sei nicht auf § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG anwendbar, da diese Vorschriften keine Frist regelten, sondern lediglich eine gesetzlich normierte Zufluss- bzw. Abflussfiktion darstellten.
4. Durch diese Auslegung wird dem Zweck des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG, Zufallsergebnisse zu vermeiden, eher entsprochen. Es wäre nicht verständlich, wenn § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStGtrotz rechtzeitiger Zahlung allein deswegen nicht angewendet werden könnte, weil das Fristende des § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht auf einen Werktag, sondern auf einen Sonnabend oder Sonntag fällt.
5. In Bezug auf Zahlung der Vorauszahlung ist darauf hinzuweisen, dass diese bis zum 10. Januar des Folgejahres erfolgt sein muss (vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2014, VIII R 34/12, BFH/NV 2015, 424, mit Anmerkung von Pezzer, BFH/PR 2015, 136, BStBl II 2015, 285).
6. Dieses Urteil spielt immer dann eine Rolle, wenn der 10. Januar ein Sonnabend oder Sonntag ist, das nächste Mal also im Januar 2021.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.6.2018 – X R 44/16