Leitsatz
Hat eine steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige Scheidungskosten für steuerlich nicht abziehbar gehalten und deswegen nicht in ihrer Steuererklärung geltend gemacht, so können die bestandskräftig gewordenen Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden.
Sachverhalt
Nach Ergehen der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001 beantragte die Klägerin die Änderung dieser Bescheide, da noch Scheidungskosten dieser Jahre als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Sie sei davon ausgegangen, dass Scheidungskosten generell nicht absetzbar seien und habe erst später erfahren, dass die Scheidungskosten in ihrem Falle abzugsfähig seien. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass eine Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichtes trifft die Klägerin kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen. Grob fahrlässig im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt der Steuerpflichtige, der eine in einem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht, unvollständig oder falsch beantwortet. Nach Auffassung der Verwaltung (AEAO zu § 173, Tz. 5.1.2) soll grobes Verschulden u.a. dann angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige ausdrückliche Hinweise in ihm zugegangenen Merkblättern nicht beachtet. In den Steuererklärungen 2000 und 2001 waren in Zeile 116 des Vordrucks keine Hinweise darüber enthalten, was unter anderen außergewöhnlichen Belastungen zu verstehen ist und auch in der Anleitung zu den Steuererklärungen ist im Stichwortverzeichnis nicht der von dem Finanzamt benutzte Begriff der Scheidungskosten enthalten. Wenn die Klägerin demzufolge im Inhaltsverzeichnis den Begriff der Scheidungskosten nicht findet, kann ihr kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass Sie nicht auch nach dem Stichwort der "Ehescheidungskosten" gesucht hat. Da die Klägerin weder eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellt Frage nicht beantwortet hat, noch ihre Sorgfaltspflicht beim Durchlesen der Erläuterungen verletzt hat, ist die Nichtgeltendmachung der Scheidungskosten nicht grob fahrlässig erfolgt, und die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig.
Hinweis
Das FG musste im Streitfall nicht entscheiden, ob die Tatsache, dass die Klägerin aus zeitlichen Gründen die Erläuterungen zur Steuererklärung nicht gelesen hat, als grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist in diesem Fall ein grobes Verschulden anzunehmen (BFH, Urteil v. 29.6.1984, VI R 181/80, BStBl 1984 II S. 693). Änderungsanträge sollten daher wenn möglich so begründet werden, dass weder in den Erklärungsvordrucken, noch in den Erläuterungen ein entsprechender Hinweis auf die steuerliche Behandlung der nachträglich geltend gemachten Aufwendungen enthalten ist.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2004, 14 K 265/03