Die Kosten der Risikominimierung fallen immer an, da es sich um Vorbereitungskosten auf mögliche Störungen handelt. Die Höhe ist abhängig von der Risikoeinschätzung des Unternehmens, da von dieser z. B. der Sicherheitsbestand oder der Umfang der Alternativenvorbereitung abhängig ist. Die tatsächlichen Kosten in einer manifestierten Krise sind in der Höhe exakt berechenbar. Ob sie auch tatsächlich eintreten, kann niemand vorhersagen. Dennoch muss eine faire Belastung der globalen Beschaffung mit diesen wahrscheinlichen Krisenkosten erreicht werden.
4.1 Kostenarten
Welche Kostenarten anfallen, wenn die Einkaufsgüter nicht wie geplant zur Verfügung stehen, wird gemeinsam mit den betroffenen Fachbereichen ermittelt. Es gibt eine starke Abhängigkeit von der individuellen Organisation des Unternehmens, dessen Strukturen und den Märkten. Davon wird die Art und der Umfang der Kosten sehr individuell beeinflusst. Daher an dieser Stelle einige Beispiele.
- Kosten des Stillstands: In Produktionsunternehmen kann es zu Stillständen in der Fertigung kommen. Kapazitäten werden nicht genutzt, obwohl deren Kosten z. B. in Form von Abschreibungen, Mieten oder Gehältern weiter anfallen. Auch (flexibel geplante) Fertigungslöhne müssen unter Umständen gezahlt werden, obwohl nichts hergestellt werden kann.
- Kosten der Alternativen: Die geplanten Alternativen müssen genutzt werden. Ersatzgüter müssen teuer gekauft werden, eventuell muss der Produktionsablauf umgestellt werden. Hilfs- und Betriebsstoffe werden in höherem Maße verbraucht und der Schwund wird mehr. Verpackungen müssen ggf. angepasst werden, wenn das Produkt andere Inhaltsstoffe aufweist.
- Sinkender Deckungsbeitrag: Die Kunden müssen über die Produktveränderungen informiert werden. Ggf. sind Preisnachlässe notwendig, um umstellungsbedingte Qualitätsprobleme auszugleichen. Zu den darüber hinaus zu erwartenden Mengenverlusten kommt der Aufwand für die Kommunikation hinzu. Zusätzlich kann es auch zu Konventionalstrafen kommen, die gezahlt werden müssen, wenn keine akzeptable Alternative vorhanden ist.
- Reputationsverlust: Lieferprobleme führen immer auch zu unzufriedenen Kunden, die sich zuverlässige Partner wünschen. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Teil des Marktes für das Unternehmen künftig verloren geht. Das führt zu entsprechend langfristigen Deckungsbeitragsverlusten.
Die durch die Störung der globalen Beschaffung entstehenden Kosten sind im Umfang von vielen Faktoren abhängig. So spielt vor allem die erwartete Dauer der möglichen Beschaffungsprobleme eine wichtige Rolle. Um die Berechnungen nicht zu komplex werden zu lassen, wird aus mehreren Szenarien (z. B. temporäre Blockade des Lieferweges, Verlust einer Lieferung auf See oder langfristiger Ausfall des ausländischen Lieferanten) eine in Dauer und Umfang durchschnittliche Störung errechnet. Darauf werden anschließend die Kosten pro Jahr bezogen.
4.2 Faire Kostenhöhe
Selbstverständlich können nicht die gesamten Kosten einer möglicherweise eintretenden Krise auf die Einkaufsgüter verteilt werden. Es ist schließlich nicht sicher, ob es tatsächlich zu dieser Störung kommt. Darum ist eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Risikos notwendig. Mit dieser werden die vorher ermittelten Kosten multipliziert und auf den Jahresbedarf des Einkaufsgutes verteilt. Da eine Störung auch auf dem vorgeblich sicheren Alternativweg möglich ist, wird auch das Angebot des Lieferanten aus Deutschland oder der EU entsprechend korrigiert. Dabei ist in der Praxis jedoch davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeiten und die Kostenhöhe wesentlich geringer sind.
Es muss allen klar sein, dass die Berechnung der wahrscheinlichen Krisenkosten stark von der subjektiven Erfahrungen der entscheidenden Personen abhängt. Realitätsnahe Ergebnisse gibt es immer dann, wenn mehrere Stellen im Unternehmen, z. B. der Einkauf, das Controlling und der Vertrieb, gemeinsam diese Aufgabe lösen. So entfällt auch die Versuchung, durch Anpassung der Wahrscheinlichkeit an das gewünschte Ergebnis die Berechnung zu manipulieren.
Aktualität
Es ist notwendig, die Berechnung der wahrscheinlichen Krisenkosten immer dann zu wiederholen, wenn sich die Situation verändert. So war die Einschätzung der Lieferbereitschaft globaler Lieferanten von der Corona-Pandemie anders als sie es heute ist. Globalisierungsentscheidungen im strategischen Einkauf müssen dann neu getroffen werden.
Abb. 3: Vergleich nach echten Kosten