Leitsatz
Gibt das FA einen Steuerbescheid einem nicht empfangsbevollmächtigten Dritten bekannt, der auch in einem anschließenden Einspruchs- und Klageverfahren als vollmachtloser Vertreter auftritt, kann der Steuerpflichtige die Rechtsbehelfs- und Prozessführung des Dritten genehmigen, ohne zugleich die Empfangnahme des Steuerbescheids durch diesen genehmigen zu müssen.
Normenkette
§ 80 Abs. 1 Satz 2AO , § 122 Abs. 1 Satz 3 AO , § 83 ZPO , § 89 ZPO
Sachverhalt
Das FA erließ gegenüber der Klägerin einen Feststellungsbescheid nach § 17 GrEStG, den es dem S bekannt gab. Diesen sah es fälschlicherweise als Empfangsbevollmächtigten an. Daraufhin teilte S dem FA mit, dass er die Klägerin nicht vertrete und auch nicht ihr Empfangsbevollmächtigter sei. Gleichzeitig legte er als Vertreter ohne Vertretungsmacht "vorsorglich" Einspruch für die Klägerin ein. Das FA wies den Einspruch zurück und gab die Einspruchsentscheidung wiederum S bekannt. Nunmehr erhob S mit Vollmacht der Klägerin Klage für sie und führte dazu aus, zur Empfangnahme von Steuerbescheiden nicht bevollmächtigt gewesen zu sein. Lediglich die Einspruchseinlegung durch S werde von der Klägerin genehmigt.
Das FA wies die Klage ab, weil mit der Genehmigung der Einspruchseinlegung auch der Feststellungsbescheid als wirksam bekannt gegeben gelte. Mit der Revision machte die Klägerin weiterhin geltend, der Feststellungsbescheid sei nicht wirksam geworden.
Entscheidung
Den Ausführungen des S zur Klage ist eindeutig zu entnehmen, dass sich die Genehmigung auf den Einspruch und die ab der Einspruchseinlegung vorgenommenen Handlungen des S beschränkt. Zeitlich frühere Handlungen wie die Entgegennahme von Steuerbescheiden sind ausdrücklich ausgenommen.
Die Klägerin war auch nicht aus Rechtsgründen gehindert, ihre Genehmigung derart einzuschränken. Nach § 80 Abs. 1 Satz 2 AO ist der Umfang einer für das steuerliche Verwaltungsverfahren erteilten Vollmacht beschränkbar. Aus § 122 Abs. 1 Satz 3 AO, der das Vorliegen einer Empfangsvollmacht voraussetzt, ergibt sich nichts anderes. Ob damit für die rückwirkende Genehmigung vollmachtslosen Handelns keinerlei Einschränkungen bestehen, kann offen bleibe?. Jedenfalls kann die Genehmigung auf einen in sich geschlossenen Verfahrensabschnitt, wie ihn das Einspruchsverfahren darstellt, beschränkt werden.
Hinweis
Einem Steuerpflichtigen muss es schon aus Gründen effektiven Rechtsschutzes möglich sein, die Einlegung von Rechtsbehelfen durch einen Dritten, dem das FA einen Steuerbescheid unberechtigterweise bekannt gegeben hat, nachträglich zu genehmigen, ohne zugleich die Empfangnahme des Bescheids genehmigen und damit der Rüge einer unwirksamen Bekanntgabe den Boden entziehen zu müssen.
Das im Streitfall abgehandelte Problem stellt sich allerdings dann nicht, wenn das FA nachweisen kann, dass der nicht empfangsbevollmächtigte Dritte den Steuerbescheid an die Steuerpflichtige weitergeleitet hat. Ein Verwaltungsakt, der einer nicht zur Empfangnahme berechtigten Person bekannt gegeben wurde, gilt gem. § 9 VwZG in dem Zeitpunkt als bekannt gegeben, in dem der richtige Empfänger den Bescheid erhalten hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.12.2004, II R 17/04