Leitsatz
1. Die zeitlich unbegrenzte Überlassung von Know-how durch einen ausländischen Vergütungsgläubiger kann zu beschränkt steuerpflichtigen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG führen. Dabei setzt das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Nutzung des Know-how im Inland nicht voraus, dass das Know-how den vereinbarten Umfang und/oder die vereinbarte Qualität hatte, um die im Inland verfolgten Zwecke zu erfüllen.
2. Wird gegenüber dem inländischen Vergütungs- und Entrichtungsschuldner, der den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG unterlassen hat, nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG ein Haftungsbescheid erlassen, kommt es für dessen Rechtmäßigkeit weder auf die abkommensrechtliche Freistellung der Einkünfte (§ 50d Abs. 1 Satz 1 und 10 EStG) noch auf die Undurchführbarkeit des Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG aufgrund der Insolvenz des Vergütungsgläubigers an (§ 73g Abs. 1 EStDV). Das Zusammenwirken dieser Umstände könnte ggf. im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens nach § 227 AO berücksichtigt werden.
Normenkette
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 und Nr. 9, § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG, § 73g Abs. 1 EStDV, § 227 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz im Inland, schloss am 27.7.2007 mit der P Kft. (P), einer der deutschen GmbH vergleichbaren Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in Ungarn, einen "Vertrag über den exklusiven Transfer eines Verfahrens zur Herstellung eines Wirkstoffs X verbunden mit dem Transfer des "know how" und aller Prozessdokumentationen sowie der Vorführung des Verfahrens und der Lieferung von X und Zwischenstufen" (Technologietransfervertrag). In dessen Präambel gingen die Vertragsparteien davon aus, dass P seit Juli 2005 ein Verfahren zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs X entwickelt, optimiert und durchgeführt habe. Dieses Verfahren beruhe auf der internationalen Patentanmeldung der A GmbH (A) über den Wirkstoff Y.
Der Technologietransfervertrag sah vor, dass das Recht der P zur exklusiven Herstellung von X auf die Klägerin übertragen werde. Die Klägerin erwerbe mit diesem Vertrag das uneingeschränkte Recht der Nutzung des durch P erarbeiteten Know-how zur Herstellung von Y bzw. X. Im gleichen Zug verliere P das Recht zur Produktion von X und seinen Zwischenstufen, sofern sie nicht von der Klägerin hierzu beauftragt werde. P verpflichte sich, Informationen über das Verfahren auch später nicht an Dritte weiterzugeben. Zusätzlich sollte P an die Klägerin u.a. 3 × 1 kg X und 60 kg Y liefern.
Als Vergütung war für die Übertragung der exklusiven Rechte zur Nutzung der Technologie, zur Abgeltung der Kosten für die bisher zur Entwicklung des Verfahrens geleisteten Arbeiten, für die Bereitstellung der Dokumentation einschließlich der damit verbundenen Rechte und für die Arbeiten zum Technologietransfer eine Pauschale i.H.v. ... EUR vorgesehen. Bei Vertragsschluss sollten hiervon ... EUR gezahlt werden. Weitere ... EUR sollten als Darlehen gewährt werden, das bei Erreichen bestimmter Verfahrensschritte in eine Vergütungszahlung umzuwandeln sei. Für die Lieferung von 3 × 1 kg X und 60 kg Y wurde eine zusätzliche Vergütung i.H.v. ... EUR vereinbart, die ebenfalls in Teilschritten gezahlt werden sollte. Die Regelung der exklusiven Nutzung des Patents der A durch die Klägerin war einem gesonderten Lizenzvertrag vorbehalten.
Für den Technologietransfer zahlte die Klägerin im August 2007 an P ... EUR sowie das Darlehen i.H.v. ... EUR. Weitere ... EUR zahlte die Klägerin an P für die Lieferung von X und Y. Von der Klägerin wurde keine Abzugsteuer angemeldet, einbehalten oder abgeführt.
Nach Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und P über die Qualität der von P produzierten Wirkstoffe wurde das Vertragsverhältnis im Laufe des Jahres 2009 beendet. Laut Abrechnung sollten die bis September 2009 von P erbrachten Leistungen durch die Zahlungen der Klägerin entgolten sein. Die Klägerin forderte keine Zahlungen zurück. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wurde über das Vermögen der P Insolvenz angemeldet.
Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin sei bezüglich der im August 2007 an P für den Technologietransfer geleisteten Zahlung i.H.v. ... EUR zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG verpflichtet gewesen. Unter dem 19.8.2016 erließ er gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG über KSt i.H.v. ... EUR (20 % von ... EUR) nebst SolZ i.H.v. ... EUR für das 3. Quartal 2007. P habe durch den Technologietransfer beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erzielt. Da die Klägerin als Vergütungsschuldnerin dieser Einkünfte ihrer Abzugspflicht aus § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht nachgekommen sei, werde sie als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen.
Nach erfolglosem Einspruch hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen (FG München, Urteil vom 14.5.2018, 7 K 1440/17, Haufe-Index 11802060, EFG 2018, 1184).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hat der BFH zurückgewiesen...