Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Kann der Unternehmer eine ihm berechnete Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 UStG abziehen, muss er prüfen, ob der Vorsteuerabzug nicht nach § 15 Abs. 1a – Abs. 4 UStG ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Gerade die Beschränkungen beim Vorsteuerabzug unterlagen in der Vergangenheit diversen Änderungen. Teilweise können geringfügige Modifikationen bei der Ausführung von Leistungen oder bei einem Leistungsbezug zu erheblichen Konsequenzen beim Vorsteuerabzug führen. Die folgenden Praxisfälle stellen typische Fälle bei der Prüfung der Beschränkung des Vorsteuerabzugs dar.
1 Problematik
Bezieht der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung für sein Unternehmen, kann er – soweit eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt – für diesen Leistungsbezug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG den ihm berechneten Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer abziehen.
Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Rechnung nicht in allen Fällen
Eine ordnungsgemäße Rechnung ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur in den Fällen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG notwendig, wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet. In den anderen Fällen des Vorsteuerabzugs (z. B. bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb oder bei Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens) kann die Umsatzsteuer nicht in einer Rechnung ausgewiesen sein, deshalb braucht der Leistungsempfänger für den Vorsteuerabzug keine Rechnung. Ob aber der Leistungsempfänger überhaupt eine ordnungsgemäße Rechnung benötigt, war umstritten. Nach Auffassung des EuGH stellen die Rechnungsangaben nur formelle Voraussetzungen dar, sodass bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Vorsteuerabzug gewährt werden müsste. In einer weiteren Entscheidung hat der EuGH angedeutet, dass die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses für den Vorsteuerabzug, Rechnungen vorzulegen, gegen den Grundsatz der Neutralität in der Umsatzsteuer verstoßen könnte. Der BFH ist aber dabei geblieben und sieht in der Vorlage der Rechnung in den Fällen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG eine zwingende Ausübungsvoraussetzung für den Vorsteuerabzug.
Grundsätzlich muss immer geprüft werden, ob die bezogene Leistung in einem direkten oder in einem mittelbaren Zusammenhang mit einer Verwendung steht, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a oder Abs. 2 UStG ausschließt. Ein Ausschluss kommt in Betracht für:
- bestimmte Aufwendungen, für die nach § 4 Abs. 5 oder § 12 Nr. 1 EStG ein Abzugsverbot für die Einkommensteuer gilt,
- Eingangsleistungen, die der Unternehmer für Teile eines in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordneten Grundstücks verwendet, soweit das Grundstück für Zwecke außerhalb seines Unternehmens oder für den privaten Bedarf seines Personals verwendet wird,
- Eingangsleistungen, die für steuerfreie Ausgangsleistungen verwendet werden sowie
- Eingangsleistungen, die für Leistungen im Ausland verwendet werden, wenn die Ausgangsleistungen bei Ausführung im Inland steuerbefreit wären.
Ausnahmen vom Abzugsverbot prüfen!
Ist der Vorsteuerabzug für eine Eingangsleistung nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen, muss immer geprüft werden, ob sich nach § 15 Abs. 3 UStG ggf. eine Ausnahme vom Abzugsverbot ergibt. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die steuerfreie Ausgangsleistung im Zusammenhang mit einer grenzüberschreitenden Leistung steht.
Darüber hinaus ist die Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu berücksichtigen, nach der ein Vorsteuerabzug nur dann möglich ist, wenn eine Leistung für den wirtschaftlichen Bereich bezogen wird. Ein Leistungsbezug für den nichtwirtschaftlichen Bereich schließt insoweit den Vorsteuerabzug von Beginn an aus. Eine sich daran anschließende unentgeltliche Wertabgabe unterliegt dann aber nicht mehr der Besteuerung nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG.
Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei unentgeltlichen Ausgangsleistungen
Der BFH hatte erst 2010 den Zusammenhang hergestellt, dass Eingangsleistungen, die ausschließlich und unmittelbar für (auch unternehmerisch veranlasste) unentgeltliche Ausgangsleistungen verwendet werden, die dem Grunde nach zu einer Besteuerungsfolge des § 3 Abs. 1b UStG oder § 3 Abs. 9a UStG führen würden, den Vorsteuerabzug ausschließen. Aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH und eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens musste der BFH den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unionrechtskonform dahingehend einschränken, dass eine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe dem Grunde nach nicht erfolgen kann, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht. Insoweit kann dann auch kein Ausschluss eines Vorsteuerabzugs aus solchen Eingangsleistungen erfolgen.
Führt ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens eine unentgeltliche sonstige Leistung aus unternehmerischen Gründen aus, führt dies nicht zu einem steuerbaren Ausgangsumsatz. Für den Vorsteuerabzug muss geprüft werden, ob diese unentgeltliche Ausgangsleistung unmittelbar oder mittelbar mit einer bestimmten...