Leitsatz
* 1. Ein im französischen Grenzgebiet wohnender deutscher Staatsbürger, der im Inland bei einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts (Ersatzkrankenkasse) beschäftigt ist, ist mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit im Inland beschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte gebührt ungeachtet der sog. Grenzgängerregelung in Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich Deutschland.
2. Der Ehegatte des Arbeitnehmers bezieht nur dann keinen Arbeitslohn gem. § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, wenn es tatsächlich an einem Arbeitslohn fehlt. Es genügt nicht, dass der bezogene Arbeitslohn im Inland lediglich steuerfrei ist.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 1 Abs. 3 EStG , § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a EStG , § 39b Abs. 6 EStG , § 39d Abs. 1 Satz 1 EStG , Art. 13 Abs. 1 und 5 DBA-Frankreich , Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich
Sachverhalt
Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann in Frankreich im Grenzgebiet zu Deutschland. Beide sind deutsche Staatsangehörige, beide sind in Deutschland als Arbeitnehmer nichtselbstständig tätig.
Der Ehemann hat von dem für seinen Arbeitgeber zuständigen FA eine Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG erhalten, wonach bei ihm vom LSt-Abzug abgesehen werden kann. Die Klägerin ist bei einer Ersatzkrankenkasse, einer gem. § 1 Abs. 2 ihrer Satzung bundesunmittelbaren rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, beschäftigt. Das FA erteilte ihr antragsgemäß mehrere Jahre hintereinander Bescheinigungen, durch die ihr Arbeitslohn aufgrund des DBA Frankreich vom (inländischen) Steuerabzug freigestellt wurde.
Das FA hob die letzte dieser Bescheinigungen auf und ersetzte sie durch eine "Bescheinigung für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer", wonach für die Klägerin fortan LSt und SolZ nach der Steuerklasse I/0 einzubehalten sei. Die dagegen gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 2 FGO) blieb ohne Erfolg (EFG 2000, 1328).
Entscheidung
Die Klägerin sei beschränkt steuerpflichtig und unterfalle mit ihren inländischen Einkünften der deutschen Besteuerung. Daran ändere die sog. Grenzgängerregelung in Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich nichts, weil diese hinter der hiervon abweichenden Zuordnungsregelung in Art. 14 Abs. 1 DBA Frankreich für Bezüge aus öffentlichen Kassen zurücktrete. Da der Ehemann der Klägerin im Inland ebenfalls Arbeitslohn beziehe, komme auch die Einreihung in die Steuerklasse III nicht in Betracht.
Hinweis
1. Das Urteil zeigt die Unwägbarkeiten, denen ein Arbeitnehmer aufgrund des sog. Kassenstaatsprinzips ausgesetzt ist: Handelt es sich bei ihm um eine Person, die im Grenzgebiet zum Nachbarstaat (hier Frankreich) wohnt und in Deutschland arbeitet, dann wird er unter bestimmten Voraussetzungen als sog. Grenzgänger im Ansässigkeitsstaat besteuert.
Dabei bleibt es aber nicht, wenn sein deutscher Arbeitgeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Dann bezieht er sein Salär aus öffentlichen Kassen, was wiederum zur Folge hat, dass er in Deutschland zu besteuern ist. Das Skurrile dieses (in gleichheitsrechtlicher Hinsicht nicht gänzlich unbedenklichen) Ergebnisses verstärkt sich, wenn der öffentliche Arbeitgeber – wie im Urteilsfall – eine Ersatzkrankenkasse ist, der man jedenfalls auf Anhieb ihre "Öffentlichkeit" nicht ansieht.
Beachten Sie, dass sich ein entsprechender Vorrang des Kassenstaats- vor dem Grenzgängerprinzip auch nach dem DBA Österreich (Art. 9 Abs. 3, Art. 10) und dem DBA Belgien (Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4, Art. 19) ergibt, nicht jedoch nach dem DBA Schweiz (Art. 15a, Art. 19 Abs. 5).
2. Beschränkt Steuerpflichtige unterfallen gemeinhin der Steuerklasse I (vgl. § 39d Abs. 1 Satz 1 EStG). Davon kann zwar abzusehen sein, wenn der Steuerpflichtige beantragt, gem. § 1 Abs. 3 EStG als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Die Steuerklasse III kann bei Verheirateten aber auch dann nur bescheinigt werden, wenn der Ehegatte des betreffenden Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht oder aber, wenn er in Steuerklasse V eingereiht wird (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a EStG). "Keinen Arbeitslohn" i.d.S. bezieht der Ehegatte indes nur, wenn er tatsächlich keinen solchen erhält. Bloße Steuerfreiheit des bezogenen Arbeitslohns (z.B. aufgrund DBA) reicht nicht aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.9.2001, I R 88/00