Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Ansatz von ausländischen (im Bereich der EG gelegenen) Grundstücken mit dem gemeinen Wert für Zwecke der Erbschaftsteuer für Erwerbsvorgänge bis 1995 nicht europarechtswidrig ist.
Normenkette
Art. 3 GG , § 2 Abs. 1 Nr. 1a ?rbStG , § 12 Abs. 6 ErbStG , § 9 Abs. 1 BewG , § 31 BewG , Art. 48 Abs. 2 EG (neue Zählung) , Art. 56 EG (neue Zählung) , Art. 58 Abs. 1 und 3 EG (neue Zählung) , Art. 234 EG (neue Zählung)
Sachverhalt
Die Antragstellerin erwarb 1995 durch Schenkung unter Lebenden Grundstücke, die in einem anderen Staat der EU belegen sind und daher gem. § 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 BewG mit dem gemeinen Wert in die Besteuerung eingingen. Die Antragstellerin sah darin einen Verstoß gegen Art. 3 GG sowie das Europarecht in Gestalt der Kapitalverkehrsfreiheit, da inländische Grundstücke nur mit 140 % der Einheitswerte anzusetzen gewesen seien.
Sie focht den Schenkungsteuerbescheid an und verlangte zugleich, dessen Vollziehung auszusetzen. Dies lehnten das FA sowie das FG ab.
Entscheidung
Auch die Beschwerde zum BFH blieb erfolglos. Die von der Antragstellerin gerügten Verstöße gegen das GG und das Europarecht begründeten keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.
Auf die Verletzung des Gleichheitssatzes könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Dem stehe die Anordnung des BVerfG in dem Beschluss vom 22.6.1995, 2 BvR 552/91 (BStBl II 1995, 671) entgegen, wonach das alte Erbschaftsteuerrecht trotz der festgestellten Verstöße gegen den Gleichheitssatz für Erwerbsvorgänge vor 1996 weiter anzuwenden sei. Dies betreffe den Erwerb sämtlichen Vermögens, welches nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG zu bewerten ist, und damit auch das Auslandsvermögen.
Eine Pflicht zur Vorlage an den EuGH gem. Art. 234 EG bestehe in einem Verfahren wegen AdV nicht. Die daher eigenständig vorzunehmende Prüfung ergebe, dass die Bewertung von Auslandsimmobilien mit dem gemeinen Wert trotz der damit verbundenen Schlechterstellung gegenüber Inlandsimmobilien unter den Steuervorbehalt nach Art. 58 Abs. 1 EG falle. Die Einschränkung des Steuervorbehalts durch Art. 58 Abs. 3 EG greife nicht ein, da § 31 BewG weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstelle. § 31 BewG habe ursprünglich keine Benachteiligung der Erwerber von Auslandsimmobilien bewirkt; erst die Beibehaltung des Wertniveaus 1964 habe zu den immer größer werdenden Wertunterschieden geführt. Karl Rainer Kilches
Hinweis
Der BFH verneint – allerdings nur in einem AdV-Verfahren – die Europarechtswidrigkeit des § 31 BewG im Grundstücksbereich unter Berufung auf den Steuervorbehalt des Art. 58 Abs. 1 EG sowie darauf, dass dieser Steuervorbehalt im Fall des § 31 BewG nicht durch Art. 58 Abs. 3 EG ausgehebelt werde.
Darin unterscheidet sich der Streitfall nach Ansicht des BFH von dem Sachverhalt, der dem Urteil des EuGH vom 11.12.2003, Rs. C-364/01"Barbier" (BFH-PR 2004, 331) zugrunde lag. In dem Urteil hatte der EuGH angenommen, die Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 3 EG lägen vor. Nach dieser Vorschrift dürfen die unter den Steuervorbehalt fallenden nationalen Steuerregelungen weder eine willkürliche Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 10.3.2005, II B 120/04