Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Wird ein fehlgeschlagenes Mitarbeiteraktienprogramm rückgängig gemacht, indem zuvor vergünstigt erworbene Aktien an den Arbeitgeber zurückgegeben werden, liegen negative Einnahmen bzw. Werbungskosten vor.
2. Die Höhe des Erwerbsaufwands bemisst sich in einem solchen Fall nach dem ursprünglich gewährten geldwerten Vorteil; zwischenzeitlich eingetretene Wertveränderungen der Aktien sind unbeachtlich.
Normenkette
§ 9 Abs. 1, § 39b Abs. 2, § 11 Abs. 1, § 19a EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit ihrem Börsengang börsennotiert. Der Emissionspreis betrug 12 EUR pro Aktie. Vor dem Börsengang wollte die Klägerin ein Programm zur Mitarbeiterbeteiligung auf Aktienbasis für ihre Führungskräfte auflegen. Sie begehrte vom FA die Auskunft (§ 42e EStG), dass die dabei ausgegebenen Aktien nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten seien, und modifizierte das Beteiligungsprogramm dahin, dass die den Mitarbeitern gewährten Aktien zurückzuübertragen seien, wenn die beantragte Anrufungsauskunft nicht bis zum 27.10.2006 vorliege. Die Mitarbeiter erhielten Aktien für 0,25 EUR pro Aktie.
Die Anrufungsauskunft erging jedoch nicht wie beantragt. Das FA bemaß den geldwerten Vorteil aus der verbilligten Aktienüberlassung nach dem Kurs bei Börseneinführung (12 EUR ./. 0,25 EUR ≪Anschaffungskosten≫ = 11,75 EUR je Aktie). Darauf wurden die Aktien am 27.11.2006 zurückübertragen; zu diesem Zeitpunkt lag der Aktienkurs bei 16,24 EUR. Die Klägerin ermittelte bei ihrer LSt-Anmeldung einen durch die Rückübertragung entstandenen "geldwerten Nachteil" von 15,99 EUR je Aktie (16,24 EUR ./. 0,25 EUR ≪Anschaffungskosten≫). Das FA machte dagegen bei der streitigen LSt-Anmeldung nur den ursprünglich angesetzten geldwerten Vorteil von 11,75 EUR rückgängig.
Die dagegen erhobene Klage wies das FG Berlin-Brandenburg ab (Urteil vom 19.03.2008, 12 K 9231/07, Haufe-Index 1988792, EFG 2008, 1280).
Entscheidung
Der BFH teilte die Auffassung der Vorinstanz und wies die Revision aus den unter Praxishinweisen dargestellten Erwägungen zurück.
Hinweis
Unstreitig war die Rückabwicklung der Aktienüberlassung bei der LSt-Anmeldung dem Grund nach als Arbeitslohnrückzahlung zu erfassen. Streitig war aber, mit welchem Wert die Rückübertragung der Aktien anzusetzen war.
1. Rückzahlung von Arbeitslohn lässt den Zufluss des früher gezahlten Arbeitslohns unberührt, sie ist erst zum Rückzahlungszeitpunkt als negative Einnahme oder Werbungskosten zu berücksichtigen (BFH, Urteile vom 04.05.2006, VI R 33/03, BFH/NV 2006, 1979, BFH/PR 2007, 1; vom 05.07.2007, VI R 58/05, BFH/NV 2007, 1772, BFH/PR 2007, 382).
2. Das Besprechungsurteil setzt den Lohnrückfluss in Form der Aktienrückgabe mit dem Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Hingabe durch den Arbeitgeber an, nicht mit dem zum Zeitpunkt der Aktienrückgabe. Dazu rechnet der BFH: Den Arbeitnehmern sind mit der Aktienrückgabe nur Erwerbsaufwendungen von 11,75 EUR je Aktie entstanden. Denn der Arbeitgeber hatte nach Ausbleiben der begehrten Anrufungsauskunft einen Anspruch auf die konkret ausgegebenen Aktien. Die Aktienrückgabe war der "actus contrarius" zur Lohnzahlung, der durch das Arbeitsverhältnis veranlasste Erwerbsaufwand war die Rückgabe des ursprünglich gewährten geldwerten Vorteils.
Die Arbeitnehmer hatten angesichts dessen zu keinem Zeitpunkt einen endgültigen Vermögenszuwachs i.H.v. 15,99 EUR (16,24 EUR abzgl. AK i.H.v. 0,25 EUR). Dies zeigt folgende Kontrollrechnung: Selbst wenn die Arbeitnehmer die Aktien veräußert hätten, hätten sie angesichts der "gegenständlichen" Rückgabeverpflichtung den Veräußerungserlös bis auf ihre Anschaffungskosten i.H.v. 0,25 EUR an den Arbeitgeber auskehren müssen. Setzte man daher den höheren Wert (16,24 EUR), den die Arbeitnehmer bei einer fiktiven Veräußerung hätten erzielen können, an, müsste auch deren aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Verpflichtung, diesen Erlös insgesamt an den Arbeitgeber auszukehren, als fiktiver Erwerbsaufwand eingerechnet werden. Daher war der Lohnrückfluss bei saldierender Betrachtung auch nicht mit einem höheren Wert anzusetzen. Außerdem gilt: Der Kursgewinn 4,49 (= 16,24 – 11,75) zwischen Emission und Rückgabe wäre jedenfalls kein Lohn.
§ 19a EStG (Fassung 2006) war ebenfalls kein Bewertungsmaßstab für die negativen Einnahmen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.09.2009 – VI R 17/08