Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 88
In vielen Fällen bildet eine bestimmte Menge von Vermögensgegenständen eine Gesamtheit, die einer – weitgehend – einheitlichen Nutzung unterliegt. Derartige Fälle sind insbesondere im Anlagevermögen zu beobachten. Hier kann sich die Frage stellen, ob und wieweit diese Gesamtheit an Vermögensgegenständen unter Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz, aber aus Wirtschaftlichkeitsgründen zu einem buchtechnischen Gegenstand, einer Sachgesamtheit, zusammengefasst werden dürfen oder sogar müssen. Nach der Verkehrsauffassung bilden beispielsweise Einbauküchen eine Sachgesamtheit, weil es sich bei Herden, Spülen und Kühlschränken nicht um Einzelgegenstände, sondern lediglich einzelne "Bauteile" einer Gesamtheit und damit um unselbständige Teile eines neuen (verbundenen) Wirtschaftsguts "Einbauküche" handelt.
Generell werden Gruppierungen unter Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes anerkannt, wenn es sich um eine Zusammenfassung gleichartiger Wirtschaftsgüter oder Risiken handelt und die individuelle Behandlung mit Schwierigkeiten verbunden oder unzumutbar ist.
Ein Theater kauft 400 Theatersessel, die in das Theater eingebaut werden. Müssen jetzt 400 einzelne Anlagegüter (Theatersessel) oder darf auch eine Sachgesamtheit (Bestuhlung) aktiviert werden? Entsprechend würden entweder 400 Einzelabschreibungen oder nur eine einzige Gesamtabschreibung bei identischer Summe erfolgen.
Ob einzelne Gegenstände selbstständig nutzbar und bewertbar sind oder ob eine Sachgesamtheit vorliegt, ist nach der BFH-Rechtsprechung in erster Linie nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Von Bedeutung ist auch, dass die einzelnen, für sich selbstständigen Gegenstände, z. B. Möbelstücke, dann, wenn sie zu einem nach Zahl, Art und Stil oder anderen Merkmalen in sich einheitlichen Ganzen vereinigt werden, wirtschaftlich als etwas anderes angesehen und im Wirtschaftsverkehr als Einheit behandelt werden. Die technischen Gegebenheiten können ebenfalls eine Rolle spielen. Gegenstände der verschiedensten Art, die einzeln käuflich und verwertbar sind, bilden nicht schon dann eine Sachgesamtheit, wenn sie einem gemeinsamen Zweck dienen, wie etwa die Einrichtung eines Zimmers oder eines Geschäftes. Ist aber z. B. die Beleuchtungsanlage für das Zimmer des Betriebsleiters (Herrenstilzimmer), bestehend aus Decken- und Wandbeleuchtung, Steh- und Tischlampen, nach Stil, Material oder anderen Merkmalen völlig auf die Einrichtung dieses Zimmers abgestellt, so kann eine Sachgesamtheit vorliegen, obwohl die Beleuchtungsanlage anderen Zwecken dient als die Möbel. Es kann aber auch sein, dass die einzelnen Teile der Beleuchtungsanlage nach Stil usw. unter sich so verbunden sind, dass sie in sich eine Sachgesamtheit bilden. Dann würden in dem Beispielfall 2 in sich geschlossene Sachgesamtheiten vorliegen.
Für die Frage, ob Heizungs-, Fahrstuhl- sowie Be- und Entlüftungsanlagen einer gegenüber dem Gebäude gesonderten Absetzung für Abnutzung unterliegen, hat der BFH dieses grundsätzlich verneint. Den § 7 Abs. 1 EStG (1963) und § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist zu entnehmen, dass jeweils das abnutzbare Wirtschaftsgut im Ganzen Gegenstand der AfA wie der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ist. Hinsichtlich des Ansatzes des Abnutzungswertes (Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA) und des Teilwertes besteht Identität des Gegenstandes der Bewertung. In diesem Sinne bildet allgemein das Wirtschaftsgut bilanzrechtlich eine Bewertungseinheit.
Für eine Sachgesamtheit hat es allgemeine Bedeutung, ob nach außen ein einheitliches Ganzes in Erscheinung tritt. Das Bild des "einheitlichen Ganzen" wird sich in vielen Fällen schon aus der betrieblich bedingten Art und Dauer der Verbindung und der Abstimmung der verbundenen Wirtschaftsgüter aufeinander ergeben. Die Festigkeit der Verbindung, ihre technische Gestaltung und ihre Dauer könnten im Einzelfall von Bedeutung sein. Sie sind aber nicht immer entscheidend. Dies zeigt sich z. B. bei den technisch aufeinander abgestimmten und genormten Gerüstteilen der Bauwirtschaft, die einzeln keiner selbstständigen Nutzung fähig sind, obwohl sie nach Erfüllung eines zeitlich begrenzten Zwecks jeweils wieder voneinander getrennt und erneut in anderer Form verbunden werden. Bei der Abgrenzung kann man nur von den Verhältnissen ausgehen, die in dem bestimmten Betrieb für die zu beurteilenden Gegenstände gegeben sind.
Regelmäßig kann von einer Sachgesamtheit ausgegangen werden, wenn die einzelnen in dieser Gesamtheit enthaltenen Güter
- nicht einzeln nutzbar sind,
- nach der Verkehrsanschauung eine Einheit bilden,
- technisch oder wirtschaftlich fest miteinander verbunden sind und
- in engem einheitlichen Funktions- und Nutzungszusammenhang stehen.
Stühle einer Gaststätte, deren Rückenlehnen mit den Zeichen einer Brauerei und anderen auf die Brauerei hinweisenden Schnitzereien versehen sind, stehen mit dem Gewerbebetrieb, in dem nur das Bier dieser Brauerei verkauft werde...