Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßvollmacht, divergierender Rechtssatz, kumulative Begründung
Leitsatz (NV)
1. Wird die Klage wegen fehlender Prozeßvollmacht der Klägerin als unzulässig abgewiesen, vermag die im NZB-Verfahren nachgereichte, nunmehr auf von der Klägerin unterzeichnete Prozeßvollmacht den Mangel der insoweit fehlenden Sachurteilsvoraussetzung im Klageverfahren nicht zu beheben.
2. Mit der Divergenzrüge müssen die abstrakten Rechtssätze des BFH-Urteils und die hiervon divergierende(n) Aussage(n) des FG so herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, daß die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung). Daran fehlt es, wenn die Kläger keinen von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtssatz des FG aufzeigen und sich vielmehr darauf beschränken, ihre von der Würdigung des FG abweichende Auffassung -- zur Anerkennung von Tantiemevereinbarungen unter nahen Angehörigen -- darzulegen.
3. Hat das FG sein Urteil (kumulativ) auf mehrere Begründungen gestützt, die nach seiner Ansicht jede für sich genommen die Entscheidung tragen, muß für jede dieser Begründungen eine Abweichung dargetan werden.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben bzw. nicht in ausreichender Weise dargelegt worden (§115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) bezeichnete Verfahrensmangel, die Klage sei zu Unrecht wegen fehlender Prozeßvollmacht der Klägerin als unzulässig abgewiesen worden, ist nicht gegeben. Der mit Schriftsatz vom 13. Januar 1994 "im Auftrage und in Vollmacht" der Kläger erhobenen Klage war lediglich die vom Kläger -- nicht auch der Klägerin -- unterzeichnete Vollmacht als Anlage beigefügt. Mit der Eingangsbestätigung an den Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 24. Januar 1994 wurde dieser u. a. aufgefordert, die "fehlende Vollmacht der Klägerin im Original nachzureichen". Diese Aufforderung blieb ohne Reaktion. Den Akten ist jedenfalls der Eingang einer Prozeßvollmacht für die Klägerin nicht zu entnehmen. Die in diesem Beschwerdeverfahren nachgereichte, unter dem Datum vom 16. Februar 1996 von beiden Klägern unterzeichnete Prozeßvollmacht vermag den Mangel der insoweit fehlenden Sachurteilsvoraussetzung im Klageverfahren nicht zu beheben (vgl. dazu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, §62 Rz. 61; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, §62 FGO Rz. 151).
2. Die Kläger haben die Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht gemäß §115 Abs. 2 Nr. 3 sowie Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend "bezeichnet". Hierzu ist darzutun, daß das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. In der Beschwerdebegründung müssen die abstrakten Rechtssätze des BFH-Urteils und die hiervon divergierende(n) Aussage(n) des FG so herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, daß die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226; vom 9. Januar 1996 VII B 171/95, BFH/NV 1996, 612; vom 16. September 1996 VIII B 135--136/95, BFH/NV 1997, 298). Die Entscheidung des FG muß zudem auf der Abweichung beruhen (Erheblichkeit der Abweichung; §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). An beidem fehlt es im vorliegenden Fall.
a) Die Kläger machen zwar geltend, das FG sei von den BFH-Urteilen vom 5. Oktober 1994 I R 50/94 (BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549) und vom 12. Oktober 1995 I R 27/95 (BFHE 179, 88, BFH/NV 1996, R 44, 45) abgewichen. Hinsichtlich der Aussage des FG, die Tantiemevereinbarung sei (schon) wegen der fehlenden Bestellung von Sicherheiten angesichts der Darlehenshöhe von über 1 Mio. DM steuerlich nicht anzuerkennen, zeigen die Kläger aber keinen von der Rechtsprechung des BFH abweichenden Rechtssatz auf. Vielmehr beschränken sie sich darauf, ihre von der Würdigung des FG abweichende Auffassung darzulegen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Januar 1996 III B 182/94, BFH/NV 1996, 560), nach der angesichts der besonderen Einzelfallumstände die Vereinbarung einer Sicherheit nicht erforderlich gewesen sei.
Soweit das FG die Tantiemevereinbarung deshalb nicht anerkennt, weil sie nicht dem unter Fremden Üblichen entspreche, haben die Kläger die behauptete Abweichung nicht schlüssig dargetan. Denn das FG stützt seine Auffassung nicht darauf, daß "die Tantieme regelmäßig ein Mehrfaches des festen Gehaltsbestandteils ausmachte" (Zweifel ergeben sich ... "), sondern auf den "grundsätzlichen Verzicht auf die Auszahlung der Tantieme bis zum 60. Lebensjahr" ("Jedenfalls stehen dem ... entgegen"). Auch betreffen die von den Klägern angezogenen BFH-Urteile in BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549 und in BFHE 179, 88, BFH/NV 1996, R 44, 45 insoweit andere Sachverhalte, als es dort um die Annahme einer (partiellen) verdeckten Gewinnausschüttung bei Vereinbarung unangemessen hoher Gewinntantiemen mit Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft geht und nicht -- wie im vorliegenden Fall -- um umsatzabhängige Tantiemen (zu den strengeren Anforderungen bei Umsatztantiemen für Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft vgl. BFH-Entscheidungen vom 19. Mai 1993 I R 83/92, BFH/NV 1994, 124; vom 30. August 1995 I B 114/94, BFH/NV 1996, 265; vom 20. September 1995 I R 130/94, BFH/NV 1996, 508; vom 28. September 1995 I B 201/94, BFH/NV 1996, 365, und vom 26. Oktober 1995 I B 50/95, BFH/NV 1996, 438).
Das FG-Urteil hält sich auch im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze zur Gestaltung und Durchführung von Tantiemevereinbarungen innerhalb von Verträgen zwischen nahen Angehörigen (vgl. BFH- Urteile vom 14. November 1986 III R 161/82, BFH/NV 1987, 414; vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, BStBl II 1989, 281; vom 31. Mai 1989 III R 154/86, BFHE 157, 172; vom 24. Januar 1990 X R 152/87, BFH/NV 1990, 695). Soweit die Kläger im übrigen in diesem Zusammenhang (das Nichteingehen auf bzw.) die fehlende bzw. unvollständige Berücksichtigung oder unzutreffende Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Fremdvergleich rügen, richtet sich dieses Vorbringen allenfalls gegen die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall; damit wird aber nicht die behauptete Divergenz bezeichnet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137, und vom 22. Januar 1997 X B 128/96, BFH/NV 1997, 371).
b) Hat das FG sein Urteil (kumulativ) auf mehrere Begründungen gestützt, die nach seiner Ansicht jede für sich genommen die Entscheidung tragen, muß für jede dieser Begründungen eine Abweichung dargetan werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Juli 1996 VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26, und vom 9. Dezember 1996 VIII B 15/96, BFH/NV 1997, 500). Das ist hier nicht geschehen, denn die Kläger haben nur zur Anwendung des Fremdvergleichsmaßstabs (Teilanerkennung des angemessenen Tantiemeteils) eine Divergenz behauptet. Demgegenüber sind dem angefochtenen FG-Urteil mehrere Begründungen zu entnehmen, die die Entscheidung selbständig tragen, nämlich,
-- die Unüblichkeit der Tantiemevereinbarung im Hinblick auf den generellen Verzicht auf die Tantiemeauszahlung bis zum 60. Lebensjahr ("Schon aus diesem Grunde ... "),
-- die fehlende Bestellung von Sicherheiten angesichts der Darlehenshöhe von über 1 Mio. DM ("Schließlich steht ... entgegen"),
-- die nicht konkretisierte ("entsprechend") bzw. fehlende Zinsvereinbarung und für 1985 bis 1987 die nicht vereinbarungsgemäß durchgeführte Verzinsung bzw. fehlende Rückstellungsbildung für nicht ausgezahlte Zinsbeträge ("für sich genommen ... ") sowie
-- für bestimmte Streitjahre (1985, 1990 und 1991) die Überschreitung der vereinbarten Tantieme-Höchstbeträge.
Die Kläger haben demgegenüber nur zur Teilangemessenheit auf der Grundlage des Fremdvergleichsmaßstabs eine Gegenüberstellung von FG- und BFH-Rechtssätzen vorgetragen.
Der Beschluß ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 66710 |
BFH/NV 1998, 473 |