Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage einer steuerlichen Erklärungspflicht des Inhabers einer Mineralölsammelstelle
Leitsatz (NV)
1. Es bestehen ernstliche Zweifel, ob dem Inhaber einer Sammelstelle für Mineralöl steuerliche Erklärungspflichten über die Verwendung des Mineralöls obliegen, das in seinen Besitz gelangt ist.
2. Zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; MinöStDV § 5 Abs. 3 Nr. 5; AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt - HZA -) nahm den Antragsteller und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner) nach § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) für Mineralölsteuer in Höhe von 123 559,70 DM als Haftenden in Anspruch mit der Begründung, er habe in mindestens 15 Fällen von verschiedenen Unternehmen Altöl aus Transformatoren bezogen und von diesem Mineralöl mindestens 230 792,1 kg als Dieselkraftstoff verkauft sowie mindestens 1 245 kg als Dieselkraftstoff selbst verbraucht. Das Mineralöl sei unter steuerbegünstigter Verwendung unversteuert in Transformatoren eingefüllt worden. Über den Einspruch des Beschwerdegegners gegen den Haftungsbescheid ist noch nicht entschieden.
Nachdem das HZA einen Antrag des Beschwerdegegners auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids abgelehnt hatte, beantragte der Beschwerdegegner beim Finanzgericht (FG) mit Erfolg die Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des HZA gegen die Aussetzung der Vollziehung durch das FG ist nicht begründet.
Die Aussetzung der Vollziehung durch das FG ist gerechtfertigt, da gewichtige Umstände zumindest Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Bedenken des FG gegen die Entstehung von Mineralölsteuern durch die Entnahme von Mineralöl aus Transformatoren unter Beachtung der Entscheidung des Senats vom 12. November 1985 VII R 169/82 (BFHE 145, 275) aus der Erwägung zu folgen ist, der Beschwerdegegner betreibe eine Sammelstelle i. S. des § 5 Abs. 3 Nr. 5 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) und zur Anwendung dieser Vorschrift könne die Abgabe an ihn ausreichend sein. Denn nach Auffassung des erkennenden Senats ergeben sich Unsicherheiten in der Beurteilung von Rechtsfragen, die eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen, jedenfalls daraus, daß das HZA den Steuerbescheid ohne nähere Begründung darauf gestützt hat, der Beschwerdegegner habe die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch gegen § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 verstoßen, ohne jedoch darzulegen, ob der Beschwerdegegner insoweit auch pflichtwidrig im Sinne der vorgenannten Vorschrift gehandelt hat.
Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 bewirkt nach allgemeiner Auffassung, daß eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur begehen kann, wer nach den gesetzlich festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten zur Aufklärung besonders verpflichtet ist (vgl. Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht mit Steuerordnungswidrigkeiten, 3. Aufl., § 370 AO 1977 Rdnr. 128; Zeller in Koch, Abgabenordnung - AO 1977 - 3. Aufl., § 370 Rdnr. 27; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 370 Anm. 9; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 370 AO 1977 Anm. 5). Die Ausführungen im einschlägigen Schrifttum sprechen dafür, daß für den Inhaber einer Sammelstelle keine besonderen Erklärungspflichten bestehen (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, 5. Aufl., § 3 MinöStG Rdnr. 57). Auch das HZA hat nicht dargelegt, aufgrund welcher Vorschrift der Beschwerdegegner zu einer Aufklärung über die Verwendung des in seinen Besitz gelangten Mineralöls verpflichtet gewesen wäre.
Das Zollfahndungsamt hat in seinem Schlußbericht vom 26. August 1985 zwar ausgeführt, der Beschwerdegegner sei seiner Erklärungspflicht nach § 153 Abs. 3 AO 1977 nicht nachgekommen. Gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift hat der Senat aber schon deshalb Bedenken, weil nach seiner Rechtsprechung (vgl. BFHE 145, 275) die Entnahme von Mineralöl aus dem Transformator Mineralölherstellung ist und diese Rechtsprechung auf der Auffassung beruht, daß das in einen Transformator eingefüllte Mineralöl mineralölsteuerrechtlich nicht mehr als existent anzusehen und die für dieses Mineralöl bestehende bedingte Steuerschuld weggefallen ist. Auch das HZA hat sich in seiner Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdegegners auf Aussetzung der Vollziehung in der Vorinstanz gegen die Anwendbarkeit des § 153 Abs. 3 AO 1977 ausgesprochen.
Das HZA vertritt in dieser Stellungnahme allerdings die Auffassung, der Beschwerdegegner habe die Steuerhinterziehung als mittelbarer Täter begangen, indem er die Lieferanten (Mineralölhersteller) als Werkzeug verwendet habe. Das HZA ist offenbar der Auffassung, daß der Beschwerdegegner das nach Auffassung des HZA objektiv pflichtwidrige Verhalten der Lieferanten sich zurechnen lassen müsse. Dagegen spricht jedoch, daß auch für die mittelbare Täterschaft gefordert wird, daß der mittelbare Täter und nicht der Tatmittler tatbestandsmäßig handelt (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 22. Aufl., § 25 Rdnrn. 7, 43 ff.; Lackner, Strafgesetzbuch, 16. Aufl., § 25 Anm. 1b aa). Folgt man dem damit übereinstimmenden Grundsatz, daß mittelbarer Täter nur sein kann, wer auch Alleintäter sein kann (vgl. Baumann/Weber, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., S. 549 f.), so führt die Frage nach der Pflichtwidrigkeit auch dann zu rechtlichen Unsicherheiten, die ernstliche Zweifel i. S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigen, wenn die Steuerhinterziehung davon abhängig gemacht wird, ob der Beschwerdegegner als mittelbarer Täter anzusehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415069 |
BFH/NV 1987, 747 |