Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des BFH für AdV-Antrag vor Zustellung des vom FG verkündeten Urteils; erneuter AdV-Antrag im Revisionsverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zulässig; Verwertung einer gepfändeten Lebensversicherung als unbillige Härte
Leitsatz (NV)
1. Mit der Einlegung der Revision gegen ein vom FG verkündetes Urteil wird der BFH als Gericht der Hauptsache für einen Antrag auf AdV der angefochtenen Steuerbescheide zuständig, auch wenn das finanzgerichtliche Urteil noch nicht zugestellt worden ist.
2. Hat das FG während des Klageverfahrens bereits einen AdV-Antrag unanfechtbar abgelehnt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein erneuter Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zulässig, also nur, soweit veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgebracht werden. Denn andernfalls könnte die Regelung in § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach der die Beschwerde gegen einen die AdV ablehnenden Beschluss des FG nur statthaft ist, wenn das FG sie zugelassen hat.
3. Veränderte Umstände i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO können sein, Tatsachen und Beweismittel, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den AdV-Antrag noch nicht vorgelegen haben, nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt in einem "neuen Licht" erscheinen lassen, oder Änderungen des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zu einer anderen Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können.
4. Eine AdV wegen unbilliger Härte kommt nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide nicht ausgeschlossen werden können.
5. Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beiträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde.
6. Die Verwertung einer Lebensversicherung zum Rückkaufswert führt i.d.R. zu einem wirtschaftlichen Schaden, der bei späterer Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden würde.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3, 6, § 128 Abs. 3
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) erwarb im Jahr 1977 ein Grundstück für 500 000 DM, auf dem er eine Tennisanlage errichtete. Ab Januar 1979 verpachtete er das Grundstück an eine im August 1978 gegründete GmbH, an der er gesellschaftsrechtlich nicht beteiligt war. Ab 1. Juni 1979 war er alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
Durch notariellen Vertrag vom 29. März 1993 veräußerte er das Grundstück an eine Bank für 15 Mio. DM. Nutzen, Lasten und Gefahr gingen laut Vertrag erst zum 1. Oktober 1994 auf sie über. Die Bank zahlte den Kaufpreis bereits am 3. Mai 1993 und wurde am 23. Juni 1993 in das Grundbuch eingetragen.
Vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. September 1999 verpachtete die Bank das Grundstück für 15 000 DM monatlich an den Kläger, der es für denselben Betrag an die GmbH weiterverpachtete.
Der Kläger erklärte die Einkünfte aus der Verpachtung des Grundstücks an die GmbH als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1988 bis 1996 kam der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, der Kläger habe das Grundstück im Rahmen einer (unechten) Betriebsaufspaltung überlassen. Besitzunternehmen und (Betriebs-)GmbH seien sachlich und persönlich miteinander verflochten. Das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück sei wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH gewesen. Der Kläger habe, auch wenn er formal nicht Gesellschafter der GmbH gewesen sei, seinen Willen in der GmbH durchsetzen können, weil die Mehrheitsgesellschafter der GmbH ihre Anteile an der GmbH treuhänderisch für den Kläger gehalten hätten. Deren Anteile seien dem Kläger daher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) steuerlich zuzurechnen. Die Einnahmen aus der Überlassung des Grundstücks und der Gewinn aus seiner Veräußerung seien daher als gewerbliche Einkünfte zu beurteilen. Der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks sei im Jahr 1994 als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb steuerlich zu erfassen. Die Fehlbeträge bei der von der GmbH betriebenen Gaststätte seien dem Kläger als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zuzurechnen.
Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1996 entsprechend. Die Einkommensteuerbescheide 1990 bis 1996 betreffen auch die mit dem Kläger zusammenveranlagte Ehefrau, die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin).
Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 14. Januar 2002) wies das Finanzgericht (FG) nach mehreren Beweisaufnahmen die Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1996 als unbegründet ab.
Im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision war der Senat der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision seien sowohl nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 als auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt.
Der Zulassungsgrund "Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" sei auch dann gegeben, wenn die Rechtssätze, auf die das FG seine Entscheidung stütze, dem Urteil nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden könnten und deshalb eine Abweichung von anderen Gerichtsentscheidungen nicht zweifelsfrei erkennbar sei. Aus dem FG-Urteil sei nicht eindeutig zu ersehen, aus welchen Rechtsgründen das FG die Einkünfte des Klägers aus der Verpachtung des Grundstücks als gewerbliche Einkünfte beurteilt und die Fehlbeträge bei der --von der GmbH betriebenen-- Gaststätte dem Kläger als vGA zugerechnet habe.
Außerdem sei das FG-Urteil verfahrensfehlerhaft, weil es insoweit nicht mit Gründen versehen sei, als es keine Ausführungen zu dem vom FA angesetzten Veräußerungsgewinn enthalte (§ 119 Nr. 6 FGO), insbesondere nicht dazu, ob der Gewinn bereits im Jahr 1993 oder erst im Jahr 1994 realisiert worden sei.
Aus verfahrensökonomischen Gründen sah der Senat von einer Abtrennung der von dem Verfahrensfehler nicht betroffenen Jahre ab. Er hob das FG-Urteil durch Beschluss vom 2. März 2004 III B 114/03 (BFH/NV 2004, 1109) in vollem Umfang auf und verwies die Sache nach § 116 Abs. 6 FGO für sämtliche Streitjahre zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Durch Beschluss vom 9. März 2005 gab das FG dem Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1990, 1992 und 1994 bis 1996 teilweise statt. Es hob die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1988, 1989, 1990 und 1992 auf, weil bei Änderung dieser Bescheide möglicherweise die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Die AdV der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 lehnte es dagegen mangels ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit ab. Es führte im Wesentlichen aus:
Es habe eine Betriebsaufspaltung vorgelegen, weil aufgrund der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass der Kläger mit den Mehrheitsgesellschaftern der GmbH eine treuhänderische Beteiligung vereinbart habe (verdeckte Treuhand) und daher in der GmbH seinen Willen habe durchsetzen können. Der bereits vor Gründung der GmbH zustande gekommene Treuhandvertrag sei formlos gültig. Er müsse nur dann notariell beurkundet werden, wenn er nach Gründung der GmbH abgeschlossen werde. Der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks sei im Jahr 1994 realisiert worden, weil die Preisgefahr erst im Jahr 1994 auf die Erwerberin übergegangen sei. Ebenfalls nicht ernstlich zweifelhaft sei, dass dem Kläger als Treugeber und damit steuerrechtlich als Hauptgesellschafter der GmbH die Fehlbeträge bei der GmbH-Gaststätte als Kapitaleinnahmen zuzurechnen seien.
Durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 31. März 2005 pfändete das für die Vollstreckung zuständige Zentral-FA die Lebensversicherungsverträge des Klägers. Mit Schreiben gleichen Datums teilte es dem Kläger mit, es beabsichtige, die im Mai 2000 gepfändeten Forderungen (Konten und Wertpapierdepot des Klägers) einzuziehen.
Am … wurde über die Klage mündlich verhandelt und anschließend das Urteil verkündet. Das FG hob die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1992 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung auf. Im Übrigen wies es die Klage ab, ließ aber die Revision zu. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Das FA ordnete daraufhin mit Verfügungen vom 15. April 2005 gegenüber der Bank des Klägers die Einziehung der schon früher gepfändeten Forderungen an.
Mit Schriftsatz vom 22. April 2005 legte der Prozessbevollmächtigte Y im Namen der Kläger gegen das Urteil Revision ein.
Außerdem beantragt er, den Beschluss des FG vom 9. März 2005 zu ändern und die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 aufzuheben oder bis zur Entscheidung des BFH über die Revision der Kläger auszusetzen. Zur Begründung trägt er unter anderem vor:
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO sei die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts auch dann auszusetzen, wenn sie für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996, bevor der BFH über die Revision gegen das FG-Urteil entschieden habe, führe bei der vom FA beabsichtigten Verwertung der Sicherheiten, insbesondere bei Verwertung der Lebensversicherungen zum Rückkaufswert zu einem unverhältnismäßigen Schaden für den Kläger. Darüber hinaus bestünden auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996. Das Urteil leide an einem schweren Verfahrensmangel, da das FG die Bindungswirkung des im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision ergangenen Beschlusses des BFH in BFH/NV 2004, 1109, mit dem das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden sei, nicht beachtet habe.
Der Prozessbevollmächtigte X beantragt,
"hinsichtlich folgender Rückstände die Vollziehung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen: …,
sämtliche Pfändungsmaßnahmen aufzuheben sowie
die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge insoweit aufzuheben, als sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen".
Er trägt unter anderem vor, bei dem Antrag handle es sich nicht um einen Änderungs- oder Aufhebungsantrag nach § 69 Abs. 6 FGO, der den Beschränkungen des Satzes 2 unterliege, sondern um einen erstmaligen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO, da im Aussetzungsverfahren vor dem FG nur beantragt worden sei, die Vollziehung für die Dauer des Klageverfahrens auszusetzen. Mit Abschluss des Klageverfahrens sei dieser Antrag erledigt. Dem erstmaligen Aussetzungsantrag für das Revisionsverfahren beim BFH als Gericht der Hauptsache sei stattzugeben, da bei summarischer Prüfung das Revisionsverfahren "höchst erfolgversprechend sei".
Das FG habe im zweiten Rechtsgang keine weiteren Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger die GmbH faktisch beherrscht habe oder die Gesellschafter "Strohmänner" gewesen seien. Die beantragten Zeugenvernehmungen habe das FG abgelehnt. Eine Treuhandabrede liege nicht vor und wäre darüber hinaus mangels notarieller Beurkundung auch unwirksam. Deshalb könne hinsichtlich der Fehlbeträge bei der Gaststätte der GmbH auch keine vGA angenommen werden.
Im Übrigen lägen aber auch veränderte Umstände i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO vor. Denn das FG habe nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses vom 9. März 2005 Beweis darüber erhoben, wann dem Kläger der Kaufpreis gutgeschrieben worden sei. Die Antwort des FA --der Betrag sei am 5. Mai 1993 gutgeschrieben worden-- sei ein Beweismittel, welches das FG bei seiner Aussetzungsentscheidung noch nicht habe berücksichtigen können.
Das FA beantragt, den Antrag auf AdV der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 abzulehnen, hilfsweise, die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen und den Klägern eine Frist zur Gestellung der Sicherheiten zu setzen.
Entscheidungsgründe
II. Die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 wird ausgesetzt. Der weiter gehende Antrag auf Aufhebung der Vollziehung dieser Bescheide (Aufhebung der verwirkten Säumniszuschläge und der Pfändungsmaßnahmen) wird abgelehnt.
1. Da die Kläger gegen das verkündete Urteil wirksam Revision eingelegt haben, ist der BFH als Gericht der Hauptsache für den Antrag auf Aussetzung und Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 zuständig (§ 69 Abs. 3 FGO). Die Einlegung der Revision nach Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils ist zulässig (BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831; BFH-Beschluss vom 6. August 1997 VIII R 51/97, BFH/NV 1998, 73).
2. Hat das FG einen Antrag auf Aussetzung der angefochtenen Bescheide bereits unanfechtbar abgelehnt, ist ein erneuter Aussetzungsantrag nach ständiger Rechtsprechung des BFH aber nur unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zulässig, also nur, soweit veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgebracht werden. Denn andernfalls könnte die Regelung in § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach der die Beschwerde gegen einen die Aussetzung ablehnenden Beschluss des FG nur statthaft ist, wenn das FG sie zugelassen hat (z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. September 1996 I B 39/96, BFH/NV 1997, 247; vom 4. November 1996 IX S 7/96, BFH/NV 1997, 492; vom 5. Mai 1999 XI S 23/98, BFH/NV 1999, 1601; vom 17. März 1999 X S 13/98, BFH/NV 1999, 1348; vom 13. Oktober 1999 I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86; vom 17. Oktober 2001 IV S 2/01, BFH/NV 2002, 218; vom 28. August 2003 VIII S 26/02, BFH/NV 2003, 1446 --nur Leitsatz--).
3. Nach diesen Grundsätzen ist der (erneute) Antrag der Kläger, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 wegen ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit (§ 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) auszusetzen bzw. aufzuheben, unzulässig. Die Kläger haben keine veränderten oder bisher ohne Verschulden noch nicht geltend gemachten Gründe vorgetragen, die es rechtfertigen, eine Aussetzung und Aufhebung wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 erneut zu prüfen.
Solche veränderten Umstände können sein
Tatsachen und Beweismittel, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Aussetzungsantrag noch nicht vorgelegen haben (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 247, m.w.N.),
nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt in einem "neuen Licht" erscheinen lassen, oder
Änderungen des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zu einer anderen Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können (BFH-Beschlüsse vom 19. November 2003 I S 7/03, BFH/NV 2004, 516, und vom 24. August 2004 VIII S 1/04, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris).
Die Kläger haben derartige Umstände nicht vorgetragen. Die Zulassung der Revision im klageabweisenden Urteil des FG ist kein solcher veränderter Umstand i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2005 IX S 5/04, n.v., juris). Auch die nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses vom FG eingeholte Auskunft, der Kaufpreis sei dem Kläger im Jahr 1993 gutgeschrieben worden, ist kein die rechtliche Beurteilung verändernder Umstand. Denn das FG hat im Aussetzungsbeschluss den Veräußerungsgewinn nicht deshalb im Jahr 1994 für realisiert gehalten, weil der Kläger den Kaufpreis erst 1994 erhalten habe, sondern weil nach dem notariellen Vertrag Nutzen, Lasten und Gefahr und damit auch die --nach Auffassung des FG für die Realisation des Gewinns maßgebliche-- "Preisgefahr" erst zum 1. Oktober 1994 auf den Kläger übergegangen seien.
4. Zulässig und begründet ist aber der Antrag, die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 wegen unbilliger, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotener Härte auszusetzen.
Das FG hat diesen selbständigen Aussetzungsgrund (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 Rz. 101) nicht geprüft, sondern die Ablehnung der Aussetzung ausschließlich darauf gestützt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden. Durch die nach Ablehnung der Aussetzung und nach Verkündung des FG-Urteils angedrohte Verwertung der für das FA bestehenden Sicherheiten ist ein Umstand eingetreten, der es rechtfertigt, den Antrag auf AdV der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 durch den BFH als nunmehr zuständiges Gericht der Hauptsache unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte erneut zu prüfen.
Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschluss vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325, m.w.N.).
Da die Kläger die aufgrund der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 geschuldeten Beträge nicht aus ihrem Barvermögen bestreiten können, müssten unter anderem das Wertpapierdepot und die Lebensversicherungsverträge des Klägers verwertet werden. Insbesondere die Verwertung der Lebensversicherungen zum Rückkaufswert würde zu einem wirtschaftlichen Schaden führen, der bei Rückzahlung der eingezogenen Beträge im Falle des Erfolgs der Revision nicht ausgeglichen werden würde. Die Verwertung dieser Sicherheiten vor einer Entscheidung des BFH über die angefochtenen Einkommensteuerbescheide ist durch das öffentliche Interesse an dem Einzug der noch nicht rechtskräftig festgesetzten Steuern nicht gerechtfertigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt eine AdV auch bei unbilliger Härte jedoch nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht ausgeschlossen werden können (z.B. BFH-Beschluss vom 2. November 2004 XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490, m.w.N.).
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 aber nicht völlig auszuschließen. Der Senat verweist insoweit auf seine rechtlichen Hinweise im Beschluss in BFH/NV 2004, 1109.
Der Senat hält es nicht für erforderlich, die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen, die dadurch entstehen können, dass der Steuerpflichtige im Verfahren zur Hauptsache letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351, BFH/NV 2005, 625, m.w.N). Diese Gefahr besteht im Streitfall nicht, da das FA bereits sämtliche Vermögenswerte des Klägers gepfändet hat und diese Pfändungen durch die nur für die Zukunft wirkende AdV nicht berührt werden; es ist lediglich die Vollstreckung einzustellen (§ 251 Abs. 1, § 257 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977; BFH-Beschluss vom 6. September 1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670; vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. November 2004 IX B 88/04, BFHE 207, 513, BStBl II 2005, 297).
5. Der Antrag der Kläger auf Aufhebung der Vollziehung mit der Folge, dass die ab Fälligkeit bis zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag verwirkten Säumniszuschläge entfallen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1990, 670), ist abzulehnen, ebenso der --an sich bereits in dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung-- enthaltene Antrag, sämtliche Pfändungsmaßnahmen aufzuheben.
Die unbillige, durch öffentliche Interessen nicht zu rechtfertigende Härte liegt --wie oben dargelegt-- nicht in der Pfändung, sondern in der Verwertung der erlangten Sicherheiten vor einer Entscheidung des Senats über die Revision der Kläger. Dieser Unbilligkeit ist durch die AdV der Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 bereits Rechnung getragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1396076 |
BFH/NV 2005, 1834 |