Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Pfändungsschutz für Kapitallebensversicherungen
Leitsatz (NV)
1. Allein aus der Rechtswidrigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung ergibt sich keine Verpflichtung des FA, den eingezogenen Betrag nach § 37 Abs. 2 AO zurückzuerstatten.
2. Für Kapitallebensversicherungen besteht kein Pfändungsverbot, so dass einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach erfolgter Pfändung der Erfolg versagt bleiben müsste.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 142; ZPO §§ 851c, 114; AO § 37 Abs. 2
Tatbestand
I. Wegen Abgabenrückständen pfändete der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Ansprüche der Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Die Drittschuldnerin zahlte daraufhin das Versicherungsguthaben an das FA aus. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Anfechtungsklage unzulässig sei, da sich der angefochtene Verwaltungsakt infolge der Auszahlung des Versicherungsguthabens an das FA erledigt habe. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Aus einer solchen Feststellung würde sich keine Verpflichtung des FA ergeben, den überwiesenen Betrag nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zurückzuerstatten, denn der Grund für die Inanspruchnahme des gepfändeten Betrages beruhe auf den vollstreckten Steuerbescheiden. Eine andere Beurteilung komme nur für den Fall in Betracht, dass das FA gegen ein Vollstreckungsverbot verstoßen habe. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, da Kapitallebensversicherungen keinen Pfändungsschutz nach §§ 850 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 319 AO genössen.
Die Antragstellerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Rechtsanwalts P gestellt.
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin aus, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und dass eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die angefochtene Entscheidung sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil das FG die Klage aufgrund des Nichtbestehens eines Vollstreckungsverbotes als unzulässig angesehen habe. Darüber hinaus weiche das Urteil des FG von der Senatsentscheidung vom 11. April 2001 VII B 304/00 (BFHE 194, 338, BStBl II 2001, 525) ab. Dort sei ausgeführt, dass die Feststellungsklage zum Zwecke der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung ein besonderes Feststellungsinteresse begründe. Schließlich hätten die Stellungnahmen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages (BTDrucks 16/886) zur Neuregelung des Pfändungsschutzes in § 851c ZPO durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts zur Insolvenzanfechtung dem FG Anlass geben müssen, das Vollstreckungshandeln im Hinblick auf die Privilegierung einzelner Gläubiger am Maßstab des in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes normierten Gleichheitssatzes zu prüfen.
Das FA ist dem Antrag entgegengetreten; es ist der Ansicht, dass die von der Antragstellerin angeführten Zulassungsgründe nicht hinreichend bezeichnet sind.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.
Der Antragstellerin kann deshalb keine PKH bewilligt werden, weil der Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolg zu versagen sein müsste. Denn die Antragstellerin hat keinen der von ihr angeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt. Selbst bei Annahme eines Verfahrensmangels würde sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweisen.
2. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, kann dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entnommen werden. Ohne eine solche Frage herauszuarbeiten wendet sich die Antragstellerin gegen die vermeintlich rechtsfehlerhafte Zurückweisung der Klage als unzulässig aufgrund der Verneinung des Bestehens eines Vollstreckungsverbots und gegen die Nichtberücksichtigung der von Abgeordneten des Deutschen Bundestages in einem Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Erklärungen. Mit diesem Vorbringen wird auch nicht ansatzweise dargelegt, dass eine bestimmte Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt.
3. Auch die behauptete Divergenz ist nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet.
Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
Denn sie stellt keine Rechtssätze gegenüber, die eine Abweichung erkennen lassen. Zutreffend weist die Antragstellerin darauf hin, dass das FG ausgeführt hat, dass sich allein aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung keine Verpflichtung des FA ergeben würde, den eingezogenen Betrag nach § 37 Abs. 2 AO zurückzuerstatten. Dieser Rechtssatz stimmt mit den Aussagen der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Senatsentscheidung in BFHE 194, 338, BStBl II 2001, 525, überein. Dort hat der Senat ausgeführt, dass aus der Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme nicht zwangsläufig gefolgert werden könne, dass die Vollstreckungsbehörde die erlangten Beträge zu erstatten oder zurückzuzahlen habe; nach § 37 Abs. 2 AO treffe die Finanzbehörde nämlich nur eine Verpflichtung, vereinnahmte Beträge zu erstatten, die ohne rechtlichen Grund geleistet worden seien. Demgegenüber weist die Antragstellerin auf eine andere Schlussfolgerung in dem angeführten Senatsurteil hin, nach der die Feststellungsklage zum Zwecke der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung ein besonderes Feststellungsinteresse begründe. Eine Divergenz zu dem erstgenannten Rechtssatz wird mit diesem Hinweis jedoch nicht belegt.
4. Im Kern ihres Vorbringens rügt die Antragstellerin, dass das FG die Feststellungsklage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat. Selbst wenn diesem Vorbringen die Rüge eines Verfahrensmangels entnommen werden könnte, und selbst wenn davon auszugehen wäre, dass ein solcher tatsächlich vorliegen würde, müsste der Beschwerde in analoger Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2004 X B 116/04, BFH/NV 2005, 715) dennoch der Erfolg versagt bleiben. Denn bei dieser Betrachtung erwiese sich die Entscheidung des FG aus anderen Gründen als richtig. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage könnte sich nämlich nur dann als begründet erweisen, wenn das FA gegen ein Vollstreckungsverbot verstoßen hätte. Im Streitfall begegnet die Pfändung und Einziehung der Kapitallebensversicherung jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Pfändungsschutz für Kapitallebensversicherungen nicht anzuerkennen sei und dass insoweit ein Pfändungsverbot nicht bestehe (Senatsentscheidungen vom 17. Juli 2003 VII B 49/03, BFH/NV 2003, 1538, m.w.N.; vom 31. Juli 2007 VII R 60/06, BFH/NV 2007, 2159).
5. Der Senat stellt die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um der Antragstellerin nicht die Möglichkeit zu versagen, das Rechtsmittel zur Verringerung der Gerichtskosten zurückzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 1859509 |
BFH/NV 2008, 331 |