Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Begründungsfrist, aber angeblich rechtzeitigem Verlängerungsantrag
Leitsatz (NV)
Meint der Beschwerdeführer, den Antrag auf Verlängerung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig gestellt zu haben, muss er mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die bisher versäumte Rechtshandlung, d.h. die Begründung der Beschwerde, nachholen. Ein Wiedereinsetzungsantrag, weil die Fristverlängerung ohne Verschulden nicht rechtzeitig beantragt wurde, kommt nicht in Betracht.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2, § 56 Abs. 1-2, § 116 Abs. 3; ZPO §§ 178, 189
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 6 K 307/07) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes) als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 7. März 2008 unter seiner Anschrift in A durch Übergabe an einen erwachsenen Familienangehörigen zugestellt worden ist, richtet sich die mit Schriftsatz vom 22. März 2008 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Mit einem am 8. Mai 2008 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger beantragt, die Begründungsfrist für die eingelegte Beschwerde gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) um einen Monat zu verlängern. Diesem Antrag entsprach das Gericht unter Hinweis auf die am 8. Mai 2008 bereits abgelaufene Begründungsfrist nicht.
Demgegenüber macht der Kläger geltend, dass ihm das FG-Urteil am 7. März 2008 unter einer falschen Anschrift und daher nicht wirksam zugestellt worden sei, weshalb die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und damit auch die Frist für einen Antrag auf Fristverlängerung am 8. Mai 2008 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Er habe während des Klageverfahrens seine bisherige berufliche Niederlassung sowie seinen Wohnsitz von A nach B verlegt und diese Anschriftenänderung dem FG im Februar 2008 auch angezeigt. Zwar hätten während einer Übergangszeit noch regelmäßige Kontakte/ Erledigungen in A stattgefunden und es sei dafür Sorge getragen worden, dass dorthin gelangende Post ihn (den Kläger) erreiche, weshalb er vermutlich an einem der beiden folgenden Tage (8. oder 9. März 2008) Kenntnis von dem FG-Urteil erlangt habe; von einer Zustellung am 7. März 2008 könne indes nicht ausgegangen werden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist hat der Kläger versäumt.
Laut Zustellungsurkunde ist das FG-Urteil dem Kläger am 7. März 2008 im Wege der Ersatzzustellung (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 178 der Zivilprozessordnung --ZPO--) unter seiner Anschrift in A zugestellt worden. Dass sich --wie die Beschwerde behauptet-- zu diesem Zeitpunkt die Wohnung sowie die Geschäftsräume des Klägers bereits ausschließlich in B befanden, erscheint zweifelhaft, da sich aus dem Beschwerdevorbringen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger im maßgebenden Zeitpunkt noch für eine Übergangszeit ein Zweitbüro unter der Anschrift in A unterhielt, zumal auch im Briefkopf seiner gegenwärtigen Schriftsätze immer noch die Telefonnummer sowie die Telefaxnummer mit der Vorwahl von A angegeben sind (vgl. zur wirksamen Zustellung in einer Nebenwohnung bzw. in Nebengeschäftsräumen: Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 53 Rz 76).
2. All dies bedarf jedoch keiner Klärung, weil das FG-Urteil, sollte seine Zustellung am 7. März 2008 nicht wirksam gewesen sein, nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem es dem Kläger tatsächlich zugegangen ist. Dieser Zeitpunkt war nach dem eigenen Vorbringen des Klägers der 9. März 2008 oder --sollte die Beschwerde insoweit verbleibende Zweifel andeuten wollen-- spätestens jedenfalls der 22. März 2008 (Datum der Nichtzulassungsbeschwerde), weshalb im Streitfall die zweimonatige Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde mit dem 9. Mai 2008, jedenfalls aber mit dem 23. Mai 2008 (§ 54 Abs. 2 i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) ablief. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger seine Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet.
Eine gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO verlängerte Begründungsfrist wäre mit dem 9. bzw. dem 23. Juni 2008 abgelaufen; auch bis zu diesen Zeitpunkten ist keine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beim Gericht eingegangen.
3. Die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert war (§ 56 Abs. 1 FGO), die zweimonatige Begründungsfrist einzuhalten, und weil er zudem die versäumte Rechtshandlung, nämlich die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde, nicht nachgeholt hat (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Ausgehend von seiner Ansicht, dass ihm das FG-Urteil nicht schon am 7. März 2008 zugestellt worden war, sondern als zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt zu gelten hat, durfte der Kläger zwar annehmen, seinen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO rechtzeitig gestellt zu haben. Da jedoch nach dieser Vorschrift die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zwingend um höchstens einen weiteren Monat verlängert werden kann, musste der Kläger als sachkundiger Angehöriger der steuerberatenden Berufe davon ausgehen, dass ihm das Gericht --sollte es seiner Auffassung bezüglich eines erst nach dem 7. März 2008 liegenden Zugangs des FG-Urteils folgen-- eine Fristverlängerung allenfalls bis zum 9. bzw. 23. Juni 2008 würde gewähren können, und durfte keineswegs annehmen, dass er --wie bis zum heutigen Tage geschehen-- untätig bleiben dürfe und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen müsse. Dies gilt umso mehr, nachdem sein Fristverlängerungsantrag mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 27. Mai 2008 abgelehnt worden war, wobei ausdrücklich noch einmal auf § 56 FGO hingewiesen war.
Dass dem Beschwerdeführer nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO die Möglichkeit eingeräumt wird, während des Laufs der Begründungsfrist einen Antrag auf Verlängerung dieser Frist zu stellen, ändert nichts daran, dass allein die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und nicht etwa der Fristverlängerungsantrag die Prozesshandlung ist, welche das Gesetz vom Beschwerdeführer innerhalb der zweimonatigen Frist verlangt. Ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 56 FGO, weil der Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO ohne Verschulden nicht fristgerecht gestellt worden ist, kommt somit nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2003 VII B 236/03, BFH/NV 2004, 220, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2102445 |
BFH/NV 2009, 411 |