Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei NZB ‐ Kündigung des Vollmachtsvertrages bei Vertretungszwang
Leitsatz (NV)
- Werden zur Begründung einer ‐ ausdrücklich als solche bezeichneten ‐ Nichtzulassungsbeschwerde ausschließlich Verfahrensmängel gerügt, die nach § 116 FGO der Zulassung zur Einlegung der Revision nicht bedürfen, fehlt dem Beschwerdeführer für die Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, weil es ihm möglich gewesen wäre, wegen dieser Rügen auch ohne Beschwerde (zulassungsfrei) Revision nach § 116 FGO einzulegen.
- Die Kündigung des Vollmachtsvertrages erlangt in Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht, regelmäßig erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten rechtliche Wirksamkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO). Für eine Fortwirkung der Bevollmächtigtenstellung besteht aber in den Fällen kein Grund, in denen die Prozeßpartei entweder selbst postulationsfähig ist oder von einem weiteren postulationsfähigen Vertreter (Bevollmächtigten) vertreten wird.
Normenkette
FGO §§ 116, 155; ZPO § 87 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Rechtsanwältin A wurde vom Amtsgericht B zur Betreuerin für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) u.a. mit dem Wirkungskreis "Vermögensangelegenheiten" bestellt. Die Betreuerin ―vertreten durch die Steuerberaterin C (Hauptbevollmächtigte)― erhob für die Klägerin beim Finanzgericht (FG) Klage gegen Einkommensteuer- und Vermögensteuerbescheide sowie gegen die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 1997 des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―). Die Klage wurde durch Urteil des FG vom 20. Mai 1998 abgewiesen. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision erhob Rechtsanwalt D in Untervollmacht der Hauptbevollmächtigten für die Klägerin Beschwerde. Zur Begründung wird geltend gemacht, daß die finanzgerichtliche Entscheidung von einem unzuständigen Senat (Einzelrichter) getroffen worden sei und das Urteil nicht den Anforderungen des § 105 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspreche. Die Entscheidungsgründe seien nicht in ihrer Gesamtheit vom Einzelrichter unterschrieben worden.
Das FA hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.
Am 3. Juli 1998 teilte der Unterbevollmächtigte dem Bundesfinanzhof (BFH) mit, er lege sein Mandat nieder; am 11. August 1998 teilte die Hauptbevollmächtigte dem BFH mit, ihr sei das Mandat entzogen worden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer ―ausdrücklich als solche bezeichneten― Nichtzulassungsbeschwerde ausschließlich Verfahrensmängel gerügt, die nach § 116 FGO der Zulassung zur Einlegung der Revision nicht bedürfen. Dies gilt sowohl bezüglich der Rüge der nicht ordnungsgemäßen Besetzung des FG (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) als auch bezüglich der Rüge, das FG-Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO). Der Klägerin fehlt somit für ihre Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, weil es ihr möglich gewesen wäre, wegen dieser Rügen auch ohne Beschwerde (zulassungsfrei) Revision nach § 116 FGO einzulegen. Eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine zulassungsfreie Revision kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Das Urteil ist der vormundschaftsgerichtlich bestellten Betreuerin zuzustellen, nachdem der Unterbevollmächtigte sein Mandat niedergelegt hat und der Hauptbevollmächtigten das Mandat entzogen worden ist. Zwar erlangt die Kündigung des Vollmachtsvertrages in Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht, regelmäßig erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten rechtliche Wirksamkeit (§ 155 FGO i.V.m. § 87 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung; vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 1977 V R 87/76, BFHE 121, 20, BStBl II 1977, 238, und vom 3. Februar 1988 I R 400/83, BFH/NV 1989, 399, 400). Für eine Fortentwicklung der Bevollmächtigtenstellung nach außen trotz interner Mandatsbeendigung besteht aber in den Fällen kein Grund, in denen die Prozeßpartei entweder selbst postulationsfähig ist oder von einem weiteren postulationsfähigen Vertreter (Bevollmächtigten) vertreten wird, weil in diesen Fällen der Fortgang des Prozesses ohne Schwierigkeiten möglich bleibt (vgl. hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 57. Aufl., § 87 Anm. 2). Da die Klägerin (noch) von der vormundschaftsgerichtlich bestellten Betreuerin, die ihrerseits postulationsfähige Berufsträgerin (Rechtsanwältin) ist, vertreten wird, sind die übrigen Mandatsverhältnisse zur Haupt- und zum Unterbevollmächtigten auch nach außen als beendet anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 171098 |
BFH/NV 1999, 1223 |