Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Kumulative Urteilsbegründung; Rüge unrichtiger Rechtsanwendung
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich gesehen das Urteil trägt, muss der Beschwerdeführer zu jeder dieser Begründungen einen Grund für die Zulassung der Revision darlegen.
2. Mit der Rüge bloßer unrichtiger Rechtsanwendung durch das FG wird kein Revisionszulassungsgrund dargelegt.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 1 K 1351/01) |
Tatbestand
I. Die M-GmbH ordnete mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Dezember 1983 das wirtschaftliche Eigentum an ihr gehörendem Grundbesitz der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR, zu. Zugleich wurde ein Anspruch auf die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums begründet. Die Klägerin wurde dabei von der M-GmbH aufgrund einer nach deren Ansicht bestehenden Vollmacht vertreten. In der Folgezeit wurde das Grundstück bebaut.
Das seinerzeit zuständige Finanzamt setzte für diesen Rechtsvorgang, der nach seiner Auffassung das bebaute Grundstück betraf, mit Änderungsbescheid vom 1. September 1988 Grunderwerbsteuer in Höhe von 179 130 DM fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines Urteils aus, das wirtschaftliche Eigentum an dem der GmbH gehörenden Grundbesitz sei mit dem Vertrag vom 22. Dezember 1983 der Klägerin wirksam zugeordnet worden. Die GmbH habe die Klägerin beim Vertragsabschluss aufgrund einer ihr erteilten Vollmacht vertreten können. Die Vollmacht sei entgegen der Meinung der Klägerin nicht wegen Verstößen gegen das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen und gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam gewesen. Auf die Wirksamkeit der Vollmacht komme es zudem nicht entscheidend an, da das Zuordnungsgeschäft wegen seiner tatsächlichen Durchführung jedenfalls nach § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu besteuern wäre.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision bekräftigt die Klägerin ihre Auffassung, die GmbH habe sie beim Abschluss des Vertrages vom 22. Dezember 1983 wegen der angeführten Gesetzesverstöße nicht wirksam vertreten. Die Ansicht des FG, dass jedenfalls § 41 Abs. 1 AO 1977 eingreife, sei falsch und entspreche nicht den Tatsachen. Sie --die Klägerin-- habe durch das Zuordnungsgeschäft keine Verwertungsbefugnis erlangt; sie habe eine solche auch nicht bestehen lassen. Die tatsächliche Verwertung des Grundstücks sei erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt und zu einem erheblich geringeren Wert unabhängig von dem Zuordnungsgeschäft (Vertrag vom 22. Dezember 1983) erfolgt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergebe sich daraus, dass eine Vielzahl von geschlossenen Immobilienfonds in oder vor der Insolvenz stehe und gleichzeitig noch offene Grunderwerbsteuerverfahren habe. Aufgrund der bei den Fonds regelmäßig getroffenen Vereinbarungen stellten sich zivilrechtliche Grundsatzfragen hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Verträge auch in grunderwerbsteuerlicher Hinsicht. Unabhängig davon liege eine zur Zulassung der Revision führende unrichtige Rechtsanwendung durch das FG vor.
Nach Ablauf der Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) führte die Klägerin ergänzend aus, der auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 41 Abs. 1 AO 1977 gestützte Steueranspruch erlösche, wenn die Beteiligten vom Vollzug des unwirksamen Rechtsgeschäfts Abstand nähmen, so wie es hier letztlich geschehen sei, da die Parteien die nach dem Wortlaut der verschiedenen Vertragsbedingungen durchaus beabsichtigte Eigentumsübertragung nie durchgeführt hätten. Das FG verkenne dies. Sie --die Klägerin-- sei wirtschaftliche Eigentümerin lediglich in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht, nicht aber im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn geworden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hat das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO für die Revisionszulassung nicht hinreichend dargelegt.
Hat das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich gesehen das Urteil trägt, muss der Beschwerdeführer zu jeder dieser Begründungen einen Grund für die Zulassung der Revision darlegen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Juni 2003 III B 152/02, BFH/NV 2003, 1290; vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom 22. Februar 2005 X B 97/04, BFH/NV 2005, 1085).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Das FG hat seine Entscheidung auf den selbständig tragenden Gesichtspunkt gestützt, dass unabhängig von der strittigen Wirksamkeit der Vollmacht für den Abschluss des Vertrages vom 22. Dezember 1983 das Zuordnungsgeschäft wegen seiner tatsächlichen Durchführung zu besteuern wäre. Mit der Behauptung, diese Ansicht sei falsch und entspreche nicht den Tatsachen, da die Klägerin durch das Zuordnungsgeschäft keine Verwertungsbefugnis erlangt habe und eine solche auch nicht habe bestehen lassen, wird kein Grund für die Zulassung der Revision dargetan. Das bloße Geltendmachen der Unrichtigkeit der Rechtsanwendung durch das FG reicht dafür nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 1. September 2004 X B 162/03, BFH/NV 2005, 224, und vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004). Vielmehr muss dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts ein Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sein, dass er, würde er nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, so wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896, und vom 1. März 2005 X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Klägerin nicht dargetan. Zu entsprechenden eingehenden Ausführungen innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist hätte sie sich insbesondere deshalb veranlasst sehen müssen, weil sie auch nach ihrer eigenen Auffassung wirtschaftliche Eigentümerin des bebauten Grundstücks im einkommensteuerrechtlichen Sinn geworden ist und nicht vorbringt, dass sie die Unwirksamkeit der Vollmacht oder des Zuordnungsgeschäfts zivilrechtlich, ggf. auch gerichtlich, gegenüber der GmbH oder Dritten geltend gemacht habe.
Fundstellen
Haufe-Index 1441682 |
BFH/NV 2005, 2229 |