Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung; Verrechenbare Verluste nach § 15a EStG; Auslegung des Einspruchs nach Vollbeendigung der Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Der Antrag auf AdV des Feststellungsbescheids nach § 15a Abs. 4 EStG kann auch von der Personengesellschaft gestellt werden, wenn die Feststellung des verrechenbaren Verlusts mit den Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 verbunden wurde.
2. Lehnt die Behörde die Aussetzung ab, kann sich der betroffene Gesellschafter hierauf im gerichtlichen Aussetzungsverfahren berufen.
3. Zur Wirksamkeit eines Feststellungsbescheids, der nach Vollbeendigung der Personengesellschaft erlassen wird.
4. Zur Auslegung des Einspruchs sowie des Aussetzungsantrags, der für eine vollbeendete Personengesellschaft erhoben wurde.
Normenkette
AO 1977 § 183; EStG § 15a; FGO §§ 48, 69
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) --im Folgenden auch K-- war im Jahre 1994 alleiniger Gesellschafter der S-GmbH (Stammkapital 1 Mio. DM), an die er --als Besitzunternehmer im Rahmen einer Betriebsaufspaltung-- ein Grundstück vermietete. Im Dezember 1996 wurde die S-GmbH, an der K aufgrund verschiedener Anteilsveräußerungen nur noch zu 58 v.H. beteiligt war, mit steuerrechtlicher Wirkung zum 30. Oktober 1996 in die S-GmbH & Co. KG (S-KG) formwechselnd umgewandelt. Der Antragsteller übernahm als Kommanditist eine Hafteinlage in Höhe von 5 800 DM.
Zwischen den Beteiligten ist im Anschluss an die im Januar 2001 abgeschlossene Betriebsprüfung unstreitig geworden, dass die Umwandlung mit einem Übernahmeverlust in Höhe 5 590 160,40 DM verbunden war, der --mangels stiller Reserven in den Wirtschaftsgütern der S-GmbH-- nicht durch Hinzuaktivierung nach § 4 Abs. 6 des Umwandlungssteuergesetzes vom 28. Oktober 1994 --UmwStG 1995-- (BGBl I, 3267) neutralisiert werden konnte. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) änderte deshalb mit Bescheid vom 23. September 2002 nicht nur die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Gewinnfeststellung 1996 (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung --AO 1977--), sondern stellte --im Rahmen des Verfahrensverbunds nach § 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG)-- zugleich für den Antragsteller auf den 31. Dezember 1996 einen verrechenbaren Verlust in Höhe von 3 475 365 DM fest (§ 15a Abs. 1 i.V.m. 4 EStG). In diesen gingen neben dem Anteil (58 v.H.) am Übernahmeverlust sowie am laufenden Verlust der S-KG die Kommanditeinlage des Antragstellers (5 800 DM) ein.
Hiergegen --sowie gegen den Verlustanteil der Komplementärin und die Höhe der Sondervergütungen des K-- hat der Bevollmächtigte namens der S-KGfristgerecht Einspruch eingelegt und zugleich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Feststellungsbescheids nach § 15a Abs. 4 EStG beantragt. Letzteres hat das FA zunächst abgelehnt (Bescheid vom 11. Dezember 2002). Nach erneuter Überprüfung hat es dem Aussetzungsantrag mit Bescheid vom 5. Juni 2003 jedoch im Hinblick darauf entsprochen, dass sich das Kapitalkonto des K nach § 5 Abs. 3 UmwStG 1995 um den Buchwert seines 58 %igen GmbH-Anteils (580 000 DM) erhöht habe und somit von einem verrechenbaren Verlust in Höhe von nur noch 2 895 365 DM (= 3 475 365 DM ./. 580 000 DM) auszugehen sei. Demgemäß hat es am 28. Oktober 2003 die Feststellung des verrechenbaren Verlusts erneut geändert und im Übrigen den Einspruch unter Hinweis auf Tz. 04.39 und 04.40 sowie S 05 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268) als unbegründet zurückgewiesen. Über die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Der beim FG gestellte AdV-Antrag des K blieb ohne Erfolg. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner von der Vorinstanz zugelassenen Beschwerde.
Er beantragt sinngemäß, den Beschluss der Vorinstanz aufzuheben und die Vollziehung des Bescheids zur Feststellung des verbleibenden verrechenbaren Verlusts vom 23. September 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2003, soweit er gegenüber dem Antragsteller ergangen ist, auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Auf Anfrage des beschließenden Senats haben die Beteiligten u.a. mitgeteilt, dass die S-KG bereits am 30. Juni 2002 durch Anwachsung voll beendet worden sei. Das FA hat hierzu ergänzt, von dieser Unternehmensumwandlung erst im Dezember 2002 erfahren zu haben. Der Antragsteller ist dem nicht entgegengetreten, sondern hat seinerseits darauf hingewiesen, dass das Einspruchs- und das Aussetzungsverfahren vom Bevollmächtigten im Auftrag der S-KG durchgeführt worden seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. K ist als Inhaltsadressat der angefochtenen Feststellung des verrechenbaren Verlusts zum 31. Dezember 1996 klage- und damit für das Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) antragsbefugt. Dies gilt auch dann, wenn die Feststellung des verrechenbaren Verlusts --wie vorliegend-- gemäß § 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG mit der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) verbunden wird und deshalb gleichfalls einheitlich durchzuführen ist. Die Klage- und Antragsbefugnis ergibt sich in diesen Fällen aus den auch im Aussetzungsverfahren zu beachtenden (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 361 AO 1977 Rz. 303, § 69 FGO Rz. 769, jeweils m.w.N.) Regelungen des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO sowie des § 352 Abs. 1 Nr. 5 AO 1977, da es sich bei der Höhe des verrechenbaren Verlusts um eine Frage handelt, die den betroffenen Gesellschafter (K) im Sinne der genannten Vorschriften "persönlich angeht" (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).
2. Im Streitfall ist allerdings fraglich, ob die besondere Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO gewahrt wurde, nach der der gerichtliche Antrag auf AdV nur dann zulässig ist, wenn die Behörde den an sie gerichteten Aussetzungsantrag ganz oder teilweise abgelehnt hat.
Zwar hat der Senat keine Bedenken, das Erfordernis der (Teil-) Ablehnung des behördlichen Aussetzungsantrags auch dann als erfüllt anzusehen, wenn dieses Verfahren von der nach ständiger Rechtsprechung antragsbefugten Personengesellschaft durchgeführt, der gerichtliche AdV-Antrag hingegen vom Gesellschafter selbst gestellt wird (vgl. zum Verhältnis von Klage- und Einspruchsverfahren BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359; vom 27. Mai 2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964). Gleichwohl erscheint der Rückgriff auf diese Rechtsgrundsätze vorliegend zweifelhaft, weil die S-KG nach den übereinstimmenden Erläuterungen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren zum 30. Juni 2002 durch Anwachsung vollbeendet wurde und hierdurch auch ihre Antragsbefugnis für das erst nach der Unternehmensumwandlung eingeleitete Aussetzungsverfahren entfiel (vgl. auch Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 69 FGO Rz. 760 ff.).
3. Dem ist indes im Rahmen des anhängigen Verfahrens nicht abschließend nachzugehen, da der Aussetzungsantrag jedenfalls in der Sache deshalb keinen Erfolg haben kann, weil nicht nur der mit Schreiben des Bevollmächtigten (Dr. B) vom 7. Oktober 2002 gestellte Aussetzungsantrag, sondern auch der Einspruch gegen den am 23. September 2002 erlassenen Änderungsbescheid, mit dem erstmals verrechenbare Verluste gegenüber den Kommanditisten der KG festgestellt wurden, namens der zu diesem Zeitpunkt bereits voll beendeten und somit nicht mehr einspruchsbefugten KG eingelegt wurde. Demgemäß kann --wie in den nachfolgenden Beschlussgründen erläutert-- der Senat auch nicht zur Ansicht der Vorinstanz Stellung nehmen, nach der es keinen ernstlichen Zweifeln (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) unterliege, dass der Umwandlungsverlust --wie vom FA angenommen-- zum Anfall eines verrechenbaren Verlusts geführt habe.
a) Die Vollbeendigung der S-KG hindert zwar nicht, dass der Änderungsbescheid vom 23. September 2002 gegenüber den in der Anlage namentlich genannten Feststellungsbeteiligten (einschließlich des Antragstellers) wirksam geworden ist, da das FA --was zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist-- erst im Dezember 2002 von der Vollbeendigung der S-KG Kenntnis erlangte (§ 183 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AO 1977; dazu BFH-Entscheidungen vom 26. Februar 1997 X R 111/95, BFH/NV 1997, 734; vom 28. November 1991 VIII B 15/90, juris) und der Änderungsbescheid unter Beachtung der Hinweispflicht gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977 an den zur Vertretung der S-KG Berechtigten (als Empfangsbevollmächtigten) bekannt gegeben wurde. Unerheblich ist hierbei, dass der Empfangsbevollmächtigte im Bescheid nicht namentlich genannt wurde, da dieser Mangel --wovon im Streitfall sowohl nach Aktenlage als auch nach dem Vortrag der für das gerichtliche Aussetzungsverfahren bestellten Prozessvertreterin auszugehen ist-- geheilt wird, wenn der Empfangsbevollmächtigte den Bescheid tatsächlich erhält (Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 183 AO 1977 Rz. 64; BFH-Urteile vom 8. Februar 1974 III R 27/73, BFHE 111, 453, BStBl II 1974, 367; vom 28. August 1990 VII R 59/89, BFH/NV 1991, 215; vgl. auch § 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes). Der Änderungsbescheid (vom 23. September 2002) ist deshalb nicht nur im Hinblick auf die von den Mitunternehmern der S-KG erzielten Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) wirksam geworden; seine Wirksamkeit erstreckt sich vielmehr --als Folge des Verfahrensverbunds-- auch auf die einheitlich (und gesondert) festgestellten verrechenbaren Verluste (ebenso bereits zur Rechtslage vor Einfügung der Sätze 5 und 6 in § 15a Abs. 4 EStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 Senatsbeschluss vom 19. Mai 1987 VIII B 104/85, BFHE 150, 514, BStBl II 1988, 5, zu Abschn. 2).
b) Die Vollbeendigung der S-KG vor Einlegung des Einspruchs hatte jedoch nicht nur die Unzulässigkeit ihres Rechtsbehelfs (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074), sondern weiterhin auch zur Folge, dass der im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangene Änderungsbescheid vom 23. September 2002, mit dem zugleich der bis dahin bestehende Nachprüfungsvorbehalt (§ 164 AO 1977) aufgehoben wurde, in Bestandskraft erwachsen und damit --ungeachtet dessen, dass das FA diesen Umstand nicht beachtet und dem Einspruch mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 in Höhe eines Teilbetrags von 580 000 DM abgeholfen hat-- einer inhaltlichen Überprüfung durch die FG entzogen ist (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 355 AO 1977 Rz. 85 f.). Dies ist auch im Aussetzungsverfahren zu beachten; ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO können deshalb nicht mehr geprüft werden (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 69 FGO Rz. 196, m.w.N.).
c) Eine hiervon abweichende Beurteilung ergäbe sich zwar dann, wenn das Einspruchsschreiben des Bevollmächtigten vom 7. Oktober 2002 dahin verstanden werden könnte, dass der Rechtsbehelf nicht für die S-KG, sondern zumindest auch für deren Gesellschafter eingelegt wurde. Dem steht jedoch entgegen, dass die Rechtsbehelfsschrift im Betreff nur die S-KG benennt, "im Auftrag unseres Mandanten" abgefasst ist und sich inhaltlich nicht nur gegen die für den Antragsteller sowie zwei weitere Kommanditisten der Gesellschaft festgestellten verrechenbaren Verluste (zum 31. Dezember 1996), sondern darüber hinaus auch gegen den Verlustanteil der Komplementärin (betreffend Wirtschaftsjahr 1996) sowie den Ansatz von Vorabvergütungen des Antragstellers (betreffend Wirtschaftsjahre 1996 und 1997) richtet. Sie bringt deshalb nach ihrem Wortlaut zweifelsfrei zum Ausdruck, dass der Bevollmächtigte für die S-KG handeln wollte. Dies kann --angesichts der Zugehörigkeit des Bevollmächtigten zum Kreis der steuer- und rechtsberatenden Berufe-- weder durch Umdeutung (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1074), noch --unter den Voraussetzungen des Streitfalls-- durch eine hiervon abweichenden Auslegung korrigiert werden. Ob Letzteres bereits dann ausscheidet, wenn die Rechtsbehelfsschrift eindeutig ist (so u.U. BFH-Beschluss vom 6. Mai 1998 IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146), kann vorliegend offen bleiben, da eine den Wortlaut korrigierende Auslegung nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls daran gebunden ist, dass für das FA erkennbar ist, dass nur eine solche Auslegung zur Zulässigkeit des Einspruchs führen kann (BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03, BFH/NV 2005, 162). Hieran fehlt es im Streitfall, da das FA --wie bereits ausgeführt-- im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, von der Vollbeendigung der S-KG erst im Dezember 2002 erfahren zu haben. Anderes ergibt sich schließlich nicht aus den Grundsätzen zur so genannten berichtigenden Parteibezeichnung (dazu BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401). Sie setzt nicht nur voraus, dass die Parteibezeichnung erkennbar unrichtig ist; hinzutreten muss eine Berichtigungserklärung durch den Verfahrensbeteiligten, die der Prozessvertreter im Beschwerdeverfahren jedoch im Rahmen seiner Antwort auf die Anfrage des Senats mit der Erläuterung "Einspruch als auch der Antrag auf Aussetzung … wurden durch (den Bevollmächtigten) … im Auftrag der … KG gestellt" gerade abgelehnt hat. Der Senat lässt deshalb dahinstehen, ob eine solche Berichtigungserklärung --wäre sie abgegeben worden-- nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 26. März 1991 VIII R 2/88, BFH/NV 1992, 177) oder --was für das anhängige Verfahren zur Abwendung der aufgezeigten Rechtsfolgen erforderlich wäre-- nach Abschluss des Einspruchsverfahrens noch Beachtung finden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1391541 |
BFH/NV 2005, 1492 |