Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der Revisionszulassungsvoraussetzungen
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung muss sich der Beschwerdeführer im Einzelnen mit der bisher ergangenen Rechtsprechung auseinandersetzen und darlegen, aus welchem Grund eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich ist.
2. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, genau bezeichnet wird und dass kenntlich gemacht wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet und gegenüber gestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
3. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Zur ordnungsgemäßen Rüge der unterlassenen Beweiserhebung ist vorzutragen, warum diese nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt wurde bzw. aus welchem Grund dies nicht möglich oder zumutbar war.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 15.06.2004; Aktenzeichen 1 K 1625/01) |
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden im Streitjahr 1999 zusammenveranlagt. Streitig ist die Kürzung des sog. Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Kläger erzielte als angestellter Arzt einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 64 600 DM, die Klägerin als Sekretärin einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 68 182 DM. Den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen (Kläger: 2 185 DM, Klägerin: 14 207 DM) machten die Kläger als beschränkt abziehbare Sonderausgaben geltend.
Bei der Steuerfestsetzung kürzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG um 16 % der Einnahmen, so dass der Vorwegabzug von 12 000 DM entfiel. Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage. § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Die unterschiedliche Behandlung von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern --wie den Klägern-- und nicht versicherungspflichtigen selbständig Tätigen sei grundgesetzwidrig.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FA habe den Vorwegabzug zu Recht in voller Höhe gekürzt. Diese Regelung verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG; eine gleichheitswidrige Besserstellung von selbständig Tätigen sei nicht festzustellen. Während der rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer Beiträge zu einem solidarischen Versicherungssystem aufbringe, sei der selbständig Tätige insoweit völlig auf sich allein, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sein Geschick bei der Anlage der Beiträge zur Zukunftssicherung gestellt. Der Vorwegabzug sei eingeführt worden, um solche Steuerpflichtigen einen Ausgleich zu bieten, die die Kosten für ihre Zukunftssicherung allein aufbringen müssten. Im Gegensatz zu selbständig Tätigen, die in den ungekürzten Genuss des Vorwegabzugs kämen, würden die Beiträge zur Rentenversicherung des Arbeitnehmers nicht nur von ihm selbst, sondern in erheblichem Umfang durch den Arbeitgeber und einen Zuschuss des Bundes aufgebracht. Entgegen der Ansicht der Kläger werde die Steuerfreiheit der Arbeitgeberanteile nicht durch die Kürzung des Vorwegabzugs wieder neutralisiert (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618, 638-639, unter C.V.1.b).
Mit der auf Zulassung der Revision gerichteten Beschwerde machen die Kläger im Wesentlichen geltend:
1. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass der Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung Arbeitslohn darstelle, der allerdings gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gestellt sei. Übersehen habe der Gesetzgeber dabei allerdings, dass der Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn sei. Der Arbeitnehmer erwerbe dadurch auch kein Anwartschaftsrecht auf eine Rente; die Auffassung des BVerfG im Urteil in BStBl II 2002, 618, dass die Renten im ganz überwiegenden Umfang aus nicht versteuerten Beiträgen finanziert würden, sei nicht zutreffend.
Der selbständig Tätige spare durch die Ausnutzung des Vorwegabzugs jährlich Einkommensteuer bis zu 6 000 DM; der sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer könne den Vorwegabzug fast nie in Anspruch nehmen. § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG führe zu einer einseitigen steuerlichen Begünstigung der selbständig Tätigen.
Das FA verkenne den Zusammenhang von § 3 Nr. 62 EStG und § 10 Abs. 3 EStG. Wenn keine Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht würden, sei eine Kürzung beim Vorwegabzug des sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers nicht vorzunehmen. Dieser Tatbestand allein sei ein ausreichendes Indiz für eine grundsätzliche Bedeutung. Von dieser Rechtsfrage sei eine große Zahl von Arbeitnehmern betroffen. Eine ausführliche Darstellung der grundsätzlichen Bedeutung erübrige sich, wenn diese offenkundig sei.
2. In Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34) habe das FG im vorliegenden Fall die Grundsätze dieses Urteils völlig unbeachtet gelassen und den Arbeitgeberanteil zur Altersvorsorge als Arbeitslohn behandelt und folglich die Kürzung des Vorwegabzugs als zutreffend angesehen. Es liege also einerseits eine Divergenz vor hinsichtlich der Behandlung der Arbeitgeberanteile zur Altersvorsorge als Arbeitslohn mit Freistellung nach § 3 Nr. 62 EStG. Andererseits bestehe die Divergenz darin, dass als Folge der Behandlung als Arbeitslohn eine Kürzung des Vorwegabzugs erfolge.
3. Das FG habe festgestellt, dass eine Besserstellung von selbständig Tätigen gegenüber sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern nicht feststellbar sei; der selbständig Tätige sei bei der Gestaltung der Zukunftssicherung völlig auf sich gestellt. Diese Darstellung sei nicht zutreffend. Um eine Altersversorgung zu schaffen, sei entscheidend, welche Möglichkeiten man in finanzieller und rechtlicher Hinsicht nutzen könne. Hierbei spiele auch das Steuerrecht eine entscheidende Rolle. Vergünstigungen im Einkommensteuerrecht erlaubten eine Steuerersparnis, die man --wie hier-- ohne eigene Aufwendungen erzielen könne. Dies könne nur der selbständig Tätige. Der sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer sei im Gegensatz dazu gezwungen, laufend Beiträge an die Bundesanstalt für Angestellte (BfA) abzuführen.
Soweit das FG ausführe, dass sich die Kläger im Verhältnis zu den selbständig Tätigen nicht in vergleichbaren Lebensverhältnissen befänden, sei das Urteil des FG verfassungswidrig. Art. 3 GG verlange die Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz; er verbiete jede Benachteiligung oder Bevorzugung wegen persönlichkeitsbedingter Eigenheiten.
Die Berechnung des BVerfG, dass sich die Sozialversicherungsrente aus drei Komponenten zusammensetze, entspreche nicht der Wirklichkeit. Die Kläger zahlten ihre Renten aus voll versteuertem Arbeitslohn.
Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision lägen nicht vor. Die Kläger hätten keine Begründung dafür geliefert, weshalb die angegriffene Norm des § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG gegen Art. 3 GG verstoßen solle. Angesichts der unterschiedlichen sozialabgaberechtlichen Vorschriften für Arbeitnehmer und für Selbständige könne eine Gleichbehandlung dieser beiden Gruppen in steuerlicher Hinsicht nicht gefordert werden. In Bezug auf eine Divergenz zu dem Urteil in BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34 hätten die Kläger nicht dargelegt, dass ein Abweichen von dem zitierten BFH-Urteil vorliege noch dass eine solche Abweichung erheblich sei. Konkrete Verfahrensmängel hätten die Kläger nicht vorgetragen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Gemäß § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn einer der in Nr. 1 bis 3 genannten Gründe gegeben ist. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 25 f.). Bei den Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO sind substantielle und konkrete Angaben erforderlich, weshalb eine Entscheidung des Revisionsgerichts über eine bestimmte Rechtsfrage aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtsfortbildung oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung im allgemeinen Interesse liegt, insbesondere auch, warum auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die Rechtsfrage nicht beantwortet werden kann.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Kläger nicht gerecht.
Die Kläger rügen in erster Linie, dass das FG nicht beachtet habe, dass der Arbeitgeberanteil kein Arbeitslohn sei und dessen Steuerfreiheit daher den Nachteil der Nicht-Inanspruchnahme des Vorwegabzugs nicht begründen könne. Diese Rüge genügt nicht, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Vielmehr hätten sich die Kläger im Einzelnen mit der bisher ergangenen Rechtsprechung auseinander setzen und darlegen müssen, aus welchem Grund eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich ist, zumal der BFH in einer Vielzahl von Entscheidungen die Regelungen des Vorwegabzugs nicht beanstandet hat (vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Urteile vom 11. Dezember 2002 XI R 17/00, BFHE 201, 437, BStBl II 2003, 650, und vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179; BFH-Beschluss vom 17. März 2004 IV B 185/02, BFH/NV 2004, 1245). Davon abgesehen hat auch nach Auffassung des BVerfG der Vorwegabzug allein den Sinn, --nur-- jenen (selbständig oder gewerblich) tätigen Steuerpflichtigen eine zusätzliche Steuerentlastung zu gewähren, die im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten ihre gesamte Altersvorsorge aus eigenem Einkommen finanzieren müssen (BVerfG-Urteil in BStBl II 2002, 618, unter C.V.1.b).
2. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung der Kläger das Urteil des FG abweicht, genau bezeichnet wird und dass kenntlich gemacht werden muss, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht; abweichende Rechtssätze werden nicht gegenübergestellt. Im Übrigen hat der VI. Senat in der Entscheidung in BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34 lediglich entschieden, dass Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung eines Arbeitnehmers nicht zum Arbeitslohn gehören und dass § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG insofern nur deklaratorische Bedeutung habe. Zur Frage der Zulässigkeit und der Voraussetzungen der Kürzung des Vorwegabzugs gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a EStG enthält das Urteil keine Ausführungen.
3. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Verfahrensfehler in diesem Sinne sind Verstöße gegen das Gerichtsverfahrensrecht, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, dass eine ordnungsgemäße Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (BFH-Beschluss vom 30. Juni 1999 XI B 66/98, BFH/NV 1999, 1620), z.B. ein Verstoß gegen § 76 FGO (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) oder gegen § 96 FGO (Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten; Verletzung des rechtlichen Gehörs; die Vorwegnahme der Beweiswürdigung oder die vermeintliche Bindung an nicht bestehende Beweisregeln).
Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels verlangt eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Zur ordnungsgemäßen Rüge der unterlassenen Beweiserhebung ist vorzutragen, warum diese nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt wurde bzw. aus welchem Grund dies nicht möglich oder zumutbar war (BFH-Beschluss vom 6. Juni 2001 XI B 134/99, BFH/NV 2001, 1440; vom 14. Juli 2004 XI B 144/03, juris Nr. STRE200451115).
Diese Voraussetzungen sind nicht dargelegt. Soweit die Kläger eine unzutreffende Darstellung des Sachverhalts rügen, wenden sie sich im Grunde gegen die Beweiswürdigung und gegen die Rechtsanwendung des FG, aber nicht gegen das vom FG gehandhabte Verfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 1412441 |
BFH/NV 2005, 1854 |