Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelnde Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde bei verspätetem Einspruch
Leitsatz (NV)
1. Ist der Antrag auf Prozeßkostenhilfe unbegründet, kann dahinstehen, ob er mangels Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem vorgeschriebenen Formblatt unzulässig ist.
2. Eine Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die summarische Prüfung ergibt, daß die Einsprüche gegen die zugrundeliegenden Bescheide verspätet eingelegt worden sind.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 2, § 142; ZPO § 114 ff., § 117; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2; AO 1977 § 108 Abs. 1-2, § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 355
Tatbestand
Mit Urteil vom 30. April 1987 wies das Finanzgericht (FG) die Klage des Antragstellers wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1980 bis 1983 als unbegründet ab, weil der Antragsteller in sämtlichen Fällen die Einspruchsfristen versäumt hatte. Die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hielt es nicht für gegeben.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG legte der Antragsteller selbst Beschwerde mit der Begründung ein, er habe die jeweils laufende Einspruchsfrist nicht versäumt, weil sich zum Jahresende (1986) die Einspruchsfristen automatisch um neun Tage verlängert hätten.
Zugleich beantragt er, ihm für die Durchführung dieses Beschwerdeverfahrens Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. Er gibt an, mittellos und seit Anfang 1986 ohne Beschäftigung zu sein.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Gewährung von PKH für das Beschwerdeverfahren hat keinen Erfolg.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Dem Antrag auf Bewilligung von PKH, der bei dem Prozeßgericht zu stellen ist, sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).
Im Streitfall kann der Senat offenlassen, ob der Antrag bereits deshalb unzulässig ist, weil ihm keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem vorgeschriebenen Formblatt beigefügt war (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1985 VIII B 29/84, BFH / NV 1987, 261) bzw. eine Erklärung des Antragstellers fehlt, die persönlichen Verhältnisse hätten sich gegenüber dem vor dem FG gestellten PKH-Antrag vom 22. Februar 1987 nicht geändert. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dem Antragsteller erwachsen auch keine weiteren Nachteile daraus, daß der Antrag als unbegründet zurückgewiesen wird (vgl. BGH-Beschluß vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).
Nach dem gegenwärtigen Sachstand bietet die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil bei der gebotenen summarischen Prüfung (BFH-Beschluß vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch wenn der Senat den Rechsstandpunkt des im PKH-Verfahren nicht durch einen Bevollmächtigten vertretenen Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen heranzieht (BFH-Beschluß vom 12. November 1987 V S 17/87, BFH / NV 1988, 264), ergibt sich, daß kein Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.
Die mit der nicht rechtzeitigen Einlegung eines Einspruchs im Streitfall verbundenen Rechtsfragen ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz; sie haben keine grundsätzliche Bedeutung. Gemäß § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) endet eine nach Monaten bestimmte Frist im Fall der Fristauslösung durch ein bestimmtes Ereignis (§ 187 Abs. 1 BGB) wie hier durch die Bekanntgabe der Steuerbescheide mit Ablauf desjenigen Tages des Monats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, in dem das Ereignis fällt. Auf diese Bestimmungen verweist § 108 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Nur wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 108 Abs. 3 AO 1977).
Es kann vorliegend offenbleiben, ob der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die einzelnen tatsächlichen Feststellungen des FG über die Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide und damit die verspätete Einlegung des Einspruchs gebunden ist (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 55). Jedenfalls treffen die tatsächlichen Feststellungen des FG über den Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Steuerbescheide und den jeweiligen Ablauf der Einspruchsfrist zu (vgl. zur Überprüfung in der Revisionsinstanz BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474). Aufgrund des Akteninhalts ergibt sich, daß der Einkommensteuerbescheid 1980 am 13. November 1985, die Einkommensteuerbescheide 1981 und 1982 sowie die Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1983 am 21. November 1985 und der Einkommensteuerbescheid 1983 am 6. Dezember 1985 zur Post gegeben worden sind. Daraus folgt, daß die Bescheide gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gelten, also am 16., 24. November und am 9. Dezember 1985. Da die Einspruchsfrist einen Monat (§ 355 AO 1977) beträgt, hat der Antragsteller in sämtlichen Fällen verspätet Einspruch eingelegt. Denn laut Eingangsstempel des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) ist das Einspruchsschreiben erst am 21. Januar 1986 dort eingegangen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1985 IV R 216/84, BFH / NV 1987, 17).
Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren war. Das FG hat dazu mit Recht ausgeführt, daß dem Antragsteller die Bedeutung der Rechtsbehelfsfrist aus dem von ihm selbst früher geführten Einspruchsverfahren bekannt gewesen sei.
Das FG ist bei seiner Entscheidung auch nicht von Entscheidungen des BFH abgewichen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 415814 |
BFH/NV 1989, 723 |