Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussichten im Verfahren wegen Bewilligung von PKH; Feststellungslast hinsichtlich der Einspruchseinlegung
Leitsatz (NV)
Der Steuerpflichtige trägt auch die Feststellungslast dafür, daß er überhaupt Einspruch erhoben und diesen beim FA angebracht hat (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321).
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114; AO 1977 § 357
Tatbestand
In den Streitjahren 1977 und 1979 war der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) an der A-KG beteiligt. Er war auch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb einer Diskothek.
Da für die Streitjahre keine Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG abgegeben wurden, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Besteuerungsgrundlagen. Durch Feststellungsbescheide, die am 31. Oktober 1980 zur Post gegeben wurden, stellte das FA den Gewinn der KG aus Gewerbebetrieb jeweils auf null DM fest. Die Bescheide waren an den Kläger adressiert. Ein Einspruchsschreiben gegen die Feststellungen 1977 und 1979 befindet sich nicht bei den Steuerakten.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Gewinnfeststellung 1978 reichte der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt mit Schreiben vom 18. Dezember 1981 die Ablichtung eines Schreibens des Klägers vom 15. November 1980 an das FA ein, das sich nach seinem Betreff auf den Feststellungsbescheid 1978 vom 31. Oktober 1980 bezieht und mit dem der Kläger gegen diesen Bescheid Einspruch erhoben hatte. Am Ende des Schreibens heißt es, es sei im übrigen wiederholt gegen alle Schätzungen Einspruch erhoben worden. Außerdem legte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 13. Januar 1982 eine am 12. Januar 1982 abgegebene eidesstattliche Versicherung vor, wonach der Kläger das genannte Schreiben mit einfachem Brief an demselben Tag (15. November 1980) an das FA abgesandt habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 1982 hat das FA den Einspruch gegen die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 vom 15. November 1980 als rechtzeitig angesehen, ihn aber als unzulässig verworfen, da der Kläger nicht geltend gemacht habe, durch die Feststellungsbescheide beschwert zu sein.
Gegen diese Einspruchsentscheidung hat der Kläger als Gesellschafter der A-KG Klage erhoben. Er trägt zur Begründung vor, das FA habe bei der Gewinnfeststellung 1977 nicht die bei der A-KG entstandenen Verluste durch die Erstellung der Diskothek (Herstellungskosten von 300 000 DM) sowie durch Lohnkosten, Mietkosten und Energiekosten in den Monaten April bis Dezember 1977 berücksichtigt. Auch im Jahre 1979 seien hohe Verluste entstanden, die sich aus den vom FA beschlagnahmten Unterlagen ergäben.
Außerdem beantragte er mit Schriftsatz vom 30. August 1982 beim Finanzgericht (FG), ihm Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Mit Beschluß vom 7. November 1986 hat das FG diesen Antrag abgelehnt.
Das FG führt u. a. aus: Es fehle an hinreichenden Erfolgsaussichten nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Nach dem bisher vorliegenden Sachverhalt könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger innerhalb der Einspruchsfrist rechtzeitig Einspruch gegen die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 eingelegt habe oder ihm wegen einer Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) zu gewähren wäre. Das Schreiben vom 15. November 1980 beziehe sich nach seinem Betreff nur auf den Feststellungsbescheid für das Jahr 1978, nicht aber auf die Feststellungsbescheide für die Jahre 1977 und 1979. Der Hinweis am Ende des Schreibens, wonach wiederholt gegen alle Schätzungen Einspruch erhoben worden sei, sei so allgemein gehalten, daß hieraus nicht auf die Erhebung des Einspruchs gegen die fraglichen Gewinnfeststellungsbescheide geschlossen werden könne.
Gegen diesen Beschluß, der ihm am 13. November 1986 zugestellt wurde, hat der Kläger am 24. November 1986 persönlich Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihm Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Die nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nicht vorgelegt.
Er führt im wesentlichen aus, daß er gegen alle Schätzungen sowie gegen alle Haftungsbescheide fristgerecht Einspruch eingelegt habe. Er verweise auf die Akten des FA und die darin enthaltenen Kopien seiner diversen Einspruchsschreiben, ferner auf die Schriftsätze seines ehemaligen Rechtsanwalts.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird als unbegründet abgelehnt.
1. Nach § 142 FGO in Verbindung mit § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg.
a) An den Erfolgsaussichten fehlt es schon deshalb, weil der Kläger nicht innerhalb der Beschwerdefrist die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck abgegeben hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62).
b) Nach dem gegenwärtigen Sachstand kann zudem die Klage keinen Erfolg haben, weil es an einer wirksamen Einspruchseinlegung gegen die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 fehlt und Wiedereinsetzung nach § 110 AO 1977 nicht in Betracht kommt.
Der Kläger trägt die Feststellungslast dafür, daß er überhaupt Einspruch erhoben hat und daß das Einspruchsschreiben dem FA innerhalb der Einspruchsfrist zugegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321). Entgegen seiner Behauptung findet sich in den Akten des FA kein Schreiben, mit dem der Kläger gegen die besagten Feststellungsbescheide Einspruch eingelegt hat. Zu Recht ist das FG der Auffassung, daß das nachträglich in Fotokopie vorgelegte Schreiben vom 15. November 1980 keine Einspruchseinlegung gegen diese Bescheide beinhaltet. Es wendet sich ausdrücklich nur gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 1978. Auch die eidesstattliche Versicherung vom 12. Januar 1982 spricht lediglich von einem Einspruch gegen diesen Feststellungsbescheid. Die Bemerkung am Schluß des Schreibens vom 5. November 1980, es sei wiederholt gegen alle Schätzungen Einspruch erhoben worden, kann sich nicht auf die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 beziehen, die an demselben Tag wie der Feststellungsbescheid 1978 an den Kläger versandt wurden. Denn dies würde voraussetzen, daß der Kläger schon zuvor ein die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 betreffendes eigenes Einspruchsschreiben verfaßt und an das FA abgeschickt hätte. Dazu fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Weder in dem Schriftverkehr mit dem FA noch in den diversen Schriftsätzen an das FG ist ein solches Schreiben erwähnt. Auch die Einspruchsentscheidung des FA vom 27. Mai 1982 bezieht sich lediglich auf das Schreiben vom 15. November 1980, welches das FA unrichtigerweise auch als Einspruchseinlegung gegen die Feststellungsbescheide 1977 und 1979 ausgelegt hat. Tatsächlich sind diese mangels Einspruchseinlegung bestandskräftig geworden, so daß die Klage keinen Erfolg haben kann.
Selbst wenn man aber der Auffassung wäre, das Schreiben vom 15. November 1980 beinhalte einen Einspruch auch gegen die erwähnten Feststellungsbescheide, so wäre dieser nicht innerhalb der Einspruchsfrist beim FA angebracht worden (§ 337 AO 1977). Eine Wiedereinsetzung käme wegen Ablaufs der Jahresfrist (§ 110 Abs. 3 AO 1977) nicht mehr in Frage. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im Beschluß IV S 17/86 vom heutigen Tage (Abschn. 1 b der Gründe).
2. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen; Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c, § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 415158 |
BFH/NV 1988, 113 |