Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit für nicht im Eigentum oder im Besitz des Schuldners befindliches Kraftfahrzeug
Leitsatz (NV)
Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, solange die Steuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs auf den Schuldner noch andauert. Es ist unerheblich, ob sich das Fahrzeug bei Insolvenzeröffnung noch im Eigentum oder im Besitz des Schuldners befindet und ob die Insolvenz eine natürliche oder eine juristische Person betrifft.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 7; InsO § 36 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 80 Abs. 1; KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, § 7 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Beschluss vom 30.03.2009; Aktenzeichen 13 V 3964/08 Kfz) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Insolvenzverwalter des Schuldners P, über dessen Vermögen gemäß Beschluss des Amtsgerichts X vom 4. Juli 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung war auf P ein Kfz zugelassen. Für dieses Kfz setzte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 11. August 2008 gegen den Antragsteller Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 4. Juli bis 6. September 2008 auf 37 € und für die Zeit ab 7. September 2008 in Höhe von jährlich 211 € fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Über die hiergegen gerichtete Klage, die bei dem Finanzgericht (FG) anhängig ist, hat das FG noch nicht entschieden.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids, mit dem P geltend machte, das Fahrzeug stehe im Eigentum seiner Tochter, lehnte das FA ab. Das daraufhin angerufene FG gab dem Aussetzungsbegehren mit Beschluss vom 30. März 2009 (13 V 3964/08 Kfz) statt.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen. Die Eigenschaft des Schuldners als Halter eines Fahrzeugs gehe gemäß § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) auf den Insolvenzverwalter über. Dieser könne sich der Verbindlichkeit aus der Kraftfahrzeugsteuer nur durch Aufgabe der Haltereigenschaft gemäß § 13 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung entziehen.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.
1. Gemäß § 69 Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag u.a. dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz 87, m.w.N.).
2. Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen nicht.
a) Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Steuerpflicht dauert bei einem inländischen Fahrzeug, solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Steuerschuldner ist bei einem inländischen Fahrzeug die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG).
b) Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der Abgabenordnung die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) zu verwalten, auf den Insolvenzverwalter über. Zur Insolvenzmasse gehört nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 29. August 2007 IX R 58/06, BFHE 218, 432, BStBl II 2008, 322; vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435; vom 16. Oktober 2007 IX R 29/07, BFH/NV 2008, 251) auch die Rechtsposition als Halter eines Kfz, so dass der Insolvenzverwalter die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO schuldet. Dabei führt das durch das KraftStG unwiderlegbar rechtsvermutete Halten eines Fahrzeugs auch im Anwendungsbereich der InsO zu einer gesetzlich unterstellten Verwendungsmöglichkeit des Fahrzeugs "im Geschäft" des Schuldners und damit im Rahmen der Insolvenzmasse.
c) Diese Grundsätze gelten auch, wenn sich das Fahrzeug nicht mehr im Eigentum oder im Besitz des Schuldners befindet, die Steuerpflicht aber noch andauert. Für das KraftStG kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug veräußert wurde, solange nicht eine verkehrsrechtlich vorgeschriebene Veräußerungsanzeige bei der Zulassungsstelle eingeht (BFH-Urteile in BFHE 218, 435, und vom 29. August 2007 IX R 60/06, nicht veröffentlicht --n.v.--). Es ist --anders als das FG meint-- nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, ob die Insolvenz eine natürliche oder aber eine juristische Person betrifft. Bei summarischer Prüfung geht auch der Hinweis des FG auf die rechtlich zweifelhafte Rechtslage für den Fall, dass das Fahrzeug eines Schuldners der Pfändungsbeschränkung des § 811 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterliegt, fehl. Die insoweit bestehenden Zweifel sind --wie der Senat in seinem Beschluss vom heutigen Tage in der Sache II B 63/09 ausgeführt hat-- allein in der sich aus § 36 InsO und § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ergebenden Rechtslage begründet und nicht auf Fallgestaltungen übertragbar, in denen --wie hier-- lediglich das fehlende Eigentum an dem Fahrzeug geltend gemacht wird.
3. Da das FG seiner Entscheidung ein abweichendes Rechtsverständnis zugrunde gelegt hat, waren diese Entscheidung aufzuheben und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Fundstellen