Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Schlüssige Darlegung von Verfahrensmängeln, Übergehen eines Beweisantrags und Rügeverlust, Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
Die für den Beschwerdeführer im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde bestehende Begründungserleichterung für den Fall, dass das FG bereits in seinem Urteil begründet hat, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise abgesehen hat, hat nicht zur Folge, dass in der Beschwerdeschrift auch auf Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes verzichtet werden kann.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in der Steuerberaterprüfung die Gesamtnote 4,3. Ihm wurde deshalb von der Beklagten und Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass er die Prüfung nicht bestanden habe. Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) auf Grund mündlicher Verhandlung, in der u.a. fünf der Prüfer aus der mündlichen Steuerberaterprüfung als Zeugen gehört worden sind, abgewiesen. Nach Ansicht des FG hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Prüfer bei der Bewertung der Prüfungsleistungen des Klägers von falschen Tatsachen ausgegangen seien. Es gebe keinen Grund, an den Zeugenaussagen der Prüfer zu zweifeln, zumal diese sich auf die von ihnen während der Prüfung gefertigten Aufzeichnungen über den Prüfungsverlauf berufen hätten, und es gebe auch keinen Grund, die Vorlage dieser Aufzeichnungen anzuordnen und diese selbst einzusehen, da ein vernünftiger Anlass für die Annahme, die Zeugen hätten ihre Aussagen im Widerspruch zu ihren während der mündlichen Prüfung gefertigten Aufzeichnungen gemacht, nicht bestehe.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützt. Der Kläger rügt, dass das FG den Zeugen nicht aufgegeben habe, ihre handschriftlichen Aufzeichnungen aus der mündlichen Prüfung vorzulegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift der vom Kläger geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.
Hat das FG ―wie im Streitfall― in seinem Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise abgesehen hat, kommt dem Kläger zwar für die Verfahrensrüge unterlassener Beweiserhebung hinsichtlich der erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung insoweit zu, als er davon absehen kann, anzugeben, was die Beweisaufnahme ergeben hätte und inwieweit dieses Ergebnis zu einer anderen Beurteilung des Streitfalles durch das FG hätte führen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597, m.w.N., und vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147).
Diese Begründungserleichterung hat jedoch nicht zur Folge, dass in der Beschwerdeschrift auch auf Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes verzichtet werden könnte (Senatsbeschluss in BFH/NV 2001, 147). Zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ―ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge― verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrags kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seines Beweisantrags erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 597).
Der Kläger hat weder substantiiert dargelegt noch ist es aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die unterlassene Anordnung der Vorlage der von den Prüfern während der Prüfung gefertigten Aufzeichnungen gerügt hat oder weshalb ihm die Erhebung einer solchen Rüge nicht möglich war. Allein sein Vorbringen in der Beschwerdebegründung, auf die Vorlage der Aufzeichnungen der vernommenen Zeugen nicht verzichtet zu haben, ist nicht ausreichend. Ausweislich des Sitzungsprotokolls des FG hat der fachkundige Klägervertreter zunächst den Antrag gestellt, den Zeugen aufzugeben, die von ihnen während der Prüfung gefertigten Aufzeichnungen vorzulegen ―wobei es offen bleiben kann, ob es sich hierbei wegen des fehlenden konkreten Beweisthemas überhaupt um einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag gehandelt hat―, und hat danach weiterhin rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Nach Stellung der gegenseitigen Anträge hat das FG festgestellt, dass das Wort zu weiteren Ausführungen nicht gewünscht werde, hat die mündliche Verhandlung geschlossen und hat nach Beratung das Urteil verkündet. Weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter hat zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit des FG auf den Beweisantrag gelenkt bzw. das Übergehen gerügt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.
Sollte der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend machen wollen, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag bzw. dessen Rügeverlust von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) die Vorlage der handschriftlichen Aufzeichnungen aus der mündlichen Prüfung anordnen müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802, m.w.N.; vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37; vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817; vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236). Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor. Insbesondere ist der Kläger den Ausführungen des FG, es bestehe kein vernünftiger Anlass für die Annahme, die Zeugen hätten ihre Aussagen im Widerspruch zu ihren in der mündlichen Prüfung gefertigten Aufzeichnungen gemacht, nicht substantiiert entgegengetreten.
Fundstellen
Haufe-Index 1076981 |
BFH/NV 2004, 217 |