Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Klärungsbedürftigkeit bei eindeutiger Rechtslage
Leitsatz (NV)
Im Gemeinschaftsrecht ist eindeutig geregelt, daß der Bürger die Beweislast hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzung des gewöhnlichen Wohnsitzes für die Steuerbefreiung bei vorübergehender Einfuhr eines privaten Pkw aus einem anderen Mitgliedstaat hat.
Normenkette
RL 83/182/EWG Art. 3 Buchst. a aa, Art. 7; AO § 8; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; LeuchtmStG § 7; UStG § 21 Abs. 2; ZG § 55; AZO § 117 Abs. 1, § 118 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt mit seiner Beschwerde Zulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG). Mit diesem Urteil hat das FG die Klage auf Aufhebung des vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) erlassenen Steuerbescheids über . . . DM Einfuhrumsatzsteuer und . . . DM Leuchtmittelsteuer abgewiesen. Der Steuerbescheid gründet sich auf die endgültige Einfuhr des in Frankreich zugelassenen Pkw des Klägers in das Zollgebiet. Die vom Kläger geltend gemachte Steuerbefreiung wegen vorübergehender Einfuhr wurde vom FG abgelehnt, wobei es - bei einem Streitwert von . . . DM - der Begründung der Einspruchsentscheidung des HZA folgte und dies in seinem Urteil feststellte (§ 105 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Hiernach habe der Kläger das formlos zur allgemein bewilligten vorübergehenden Verwendung abgefertigte Fahrzeug nur im grenzüberschreitenden Verkehr benutzen dürfen, weil er seinen gewöhnlichen Wohnsitz in . . . , also im Mitgliedstaat der vorübergehenden Einfuhr, gehabt habe. Durch die pflichtwidrige Vornahme reiner Inlandsfahrten sei die Eingangsabgabenschuld infolge zweckwidriger Verwendung in der Person des Klägers als Bewilligungsinhaber entstanden.
Die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde wird ersichtlich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützt. Zu klären sei die Frage, ob der Bürger oder die Behörde die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Steuerbefreiungstatbestandes bei vorübergehender Einfuhr eines privaten Pkw aus einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Begrenzung auf höchstens sechs Monate je Zwölfmonatszeitraum, trage. Der Kläger sieht die Beweislast auf seiten der Behörde, da die vorübergehende Einfuhr eines Privatfahrzeugs im Grundsatz steuerbefreit sei und es dem Bürger nicht zugemutet werden könne, Aufzeichnungen über Ein- und Ausreisen zu führen und hierfür Beweismittel zu sammeln. Läge die Beweislast beim Bürger, so führe dies zu einer unzulässigen Einschränkung des Freizügigkeitsprinzips nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Entscheidungsgründe
Es kann dahinstehen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend dargelegt hat (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Nach Art. 3 Buchst. a aa) der Richtlinie des Rates vom 28. März 1983 über Steuerbefreiungen innerhalb der Gemeinschaft bei vorübergehender Einfuhr bestimmter Verkehrsmittel - Verkehrsmittelrichtlinie - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 105/59 vom 23. April 1983), der den vom FG angewandten nationalen Vorschriften zugrunde liegt, wird bei der vorübergehenden Einfuhr eines Pkw die Steuerfreiheit nur gewährt, wenn die Privatperson, die diesen Pkw einführt, ihren gewöhnlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem der vorübergehenden Einfuhr hat. Während Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie den ,,gewöhnlichen Wohnsitz" definiert, besagt Abs. 2 dieser Vorschrift, daß Privatpersonen den Nachweis über ihren gewöhnlichen Wohnsitz anhand aller geeigneten Mittel, insbesondere des Personalausweises oder jedes anderen beweiskräftigen Dokuments, erbringen. Bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angabe des gewöhnlichen Wohnsitzes nach Abs. 2 können die zuständigen Behörden nähere Auskünfte oder zusätzliche Belege verlangen (Abs. 3).
Hieraus folgt, daß die vom Kläger für von grundsätzlicher Bedeutung gehaltene Rechtsfrage, wer die Beweislast für die die Steuerbefreiung begründenden Tatsachen trägt, hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzung des gewöhnlichen Wohnsitzes im Gemeinschaftsrecht eindeutig geregelt ist. Der Bürger hat den Nachweis über seinen gewöhnlichen Wohnsitz zu erbringen, und bei unklarer Sachlage gehen Zweifel daran, ob sich der gewöhnliche Wohnsitz im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat befindet, zu Lasten des Bürgers.
Damit stimmt der im nationalen Recht dem finanzgerichtlichen Verfahren zugrunde liegende Grundsatz der Beweislastregelung überein, wonach die Feststellungslast für steuerbefreiende Tatsachen, sofern sich aus Sinn und Zweck des anzuwendenden Gesetzes nichts anderes ergibt, beim Steuerschuldner liegt (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 96 Anm. 23 ff., m. w. N.). Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, daß die vom FG über § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes und § 7 des Leuchtmittelsteuergesetzes sinngemäß angewendeten Vorschriften des § 55 des Zollgesetzes i. V. m. §§ 118 Abs. 1, 117 Abs. 1 der Allgemeinen Zollordnung und der in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung unter der Kennung Z 1904 Abschnitt I Ziffer. 1 veröffentlichten ,,Allgemeinen Bewilligung der vorübergehenden Verwendung" eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung hätten treffen wollen.
Da sich nach alldem die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt, ist sie insoweit nicht klärungsbedürftig (Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 9). Dabei kann offenbleiben, ob die betreffenden nationalen Vorschriften und besonders der vom FG zugrunde gelegte steuerrechtliche Begriff des Wohnsitzes gemäß § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) mit den Bestimmungen der Verkehrsmittelrichtlinie in jeder Hinsicht vereinbar sind, denn der Kläger hat diesbezüglich nichts vorgetragen.
Soweit der Kläger - über die Frage des Wohnsitzes hinaus - auf die Beweislast für die Nichtüberschreitung der sechs Monate je Zwölfmonatszeitraum, für die die Steuerbefreiung bei der vorübergehenden Einfuhr eines Pkw gemäß Art. 3 der Verkehrsmittelrichtlinie längstens gewährt wird, abhebt, geht es um einen Gesichtspunkt, auf den das finanzgerichtliche Urteil nicht gestützt ist. Da eine derartige Frage für den vorliegenden Rechtsstreit ersichtlich ohne Bedeutung ist, fehlt es an deren Klärungsfähigkeit, so daß sie schon aus diesem Grunde eine Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen vermag.
Fundstellen
Haufe-Index 418269 |
BFH/NV 1992, 781 |