Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe durch Gewährung von Ratenzahlungen
Leitsatz (NV)
1. Zur Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters für Verfahren, in denen Vertretungszwang besteht.
2. Unterhaltsberechtigte sind bei der Bemessung von Ratenzahlungen zumindest dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie ein eigenes Einkommen in der Höhe des Betrages haben, mit dem die Tabelle für die Bemessung der Ratenzahlungen beginnt.
3. Zur Berechnung des Nettoeinkommens und zur Bemessung der Ratenzahlungen.
4. Zur Bestimmung des Beginns der Ratenzahlungen.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 115 Abs. 1, 3, § 119 S. 2, § 120 Abs. 1, § 121 Abs. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ auf Antrag des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers (Antragsteller) einen Abrechnungsbescheid. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage führte zur Aufhebung des Abrechnungsbescheids und der Einspruchsentscheidung. Das FA legte gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision ein.
Der Antragsteller beantragt, ihm für die Rechtsverteidigung - im Revisionsverfahren - Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und ihm seinen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist begründet. Dem Antragsteller ist nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe in der Zivilprozeßordnung (ZPO) Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und der Prozeßbevollmächtigte beizuordnen.
1. Abweichend von der Regelung in § 114 Satz 1 ZPO ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, da Prozeßkostenhilfe für die Revisionsinstanz begehrt wird und das FA Revision eingelegt hat (§ 119 Satz 2 ZPO).
2. Der Prozeßbevollmächtigte ist dem Antragsteller nach § 142 FGO i. V. m. § 121 Abs. 1 ZPO beizuordnen, da für das Revisionsverfahren Vertretungszwang besteht (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).
3. Den Ausführungen des Antragstellers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist zu entnehmen, daß er die Kosten der Prozeßführung nur in Raten aufbringen kann.
a) Nach den Ausführungen des Antragstellers ist allerdings davon auszugehen, daß Unterhaltsleistungen des Antragstellers bei der Bemessung der Raten nicht zu berücksichtigen sind. Der Antragsteller ist zwar verheiratet und hat einen Sohn. Ehefrau und Sohn haben aber eigene Einkommen, und zwar die Ehefrau in Höhe von 1 195 DM und der Sohn in Höhe von ca. 900 DM monatlich. Sie sind deshalb als Unterhaltsberechtigte unberücksichtigt zu lassen (§ 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Eine Berücksichtigung der Unterhaltsberechtigten kann nicht damit gerechtfertigt werden, ihre Nichtberücksichtigung sei wegen geringer Höhe der Einkommen unbillig (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, daß ein Einkommen in geringer Höhe im Sinne der Regelung in § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO grundsätzlich dann nicht vorliegt, wenn das Einkommen der Unterhaltsberechtigten den in der Tabelle (Anlage 1 zu § 114 ZPO) vorgesehenen Freibetrag für Unterhaltsleistungen überschreitet (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 13. Aufl., § 115 ZPO Anm. 2 e; Schneider in Monatsschrift für Deutsches Recht 1984, 813). Diesen Betrag überschreiten zwar beide Einkommen; denn der höchste in der Tabelle vorgesehene Freibetrag für Unterhaltsleistungen beträgt 450 DM. Im Streitfall übersteigen die Einkommen aber auch den Mindestbetrag des Nettoeinkommens in Höhe von 850 DM, mit dem die Tabelle für die Bemessung der Monatsraten beginnt. Zumindest aus diesem Grunde kann nicht angenommen werden, daß die Unterhaltsberechtigten Einkommen in geringer Höhe i. S. des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO haben.
b) Bei der Bemessung der Ratenzahlung ist unter Berücksichtigung eines Weihnachtsgeldes von etwa 2 000 DM davon auszugehen, daß das monatliche Bruttoeinkommen 4 190 DM beträgt. Von diesem Betrag sind abzuziehen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO)
- 622 DM Lohnsteuer,
- 56 DM Kirchensteuer,
- 392 DM Rentenversicherung,
- 93 DM Arbeitslosenversicherung,
- 60 DM Hausrat-, Haftpflichtversicherung,
- 640 DM Werbungskosten infolge täglich wechselnden Einsatzes auf Baustellen,
- 258 DM für freiwillige Krankenversicherung (von 505 DM nach Abzug des ausgezahlten Arbeitgeberanteils von 247 DM).
Der Abzug eines Betrages von 300 DM, den der Antragsteller nach seinen Angaben seinem Sohn als Unterstützung zahlt, erscheint nicht gerechtfertigt. Es ist nicht ersichtlich, daß diese Unterstützung neben dem Einkommen des Sohnes in Höhe von ca. 900 DM erforderlich ist.
Unter Abzug der vorgenannten Beträge ergibt sich ein Nettoeinkommen von 2 069 DM. Aufgrund der Tabelle in der Anlage 1 zu § 114 ZPO hat der Antragsteller danach monatliche Raten in Höhe von 440 DM zu zahlen.
Die Entscheidung über die Festsetzung der Monatsraten beruht auf § 142 FGO, § 120 Abs. 1 ZPO. Wegen der Beiordnung eines Rechtsanwalts ist für den Beginn der Ratenzahlung ein Zeitpunkt nach dem Wirksamwerden der Beiordnung bestimmt worden, allerdings nur für den Fall, daß an den Rechtsanwalt Beträge aus der Staatskasse bezahlt werden, bevor dem Antragsteller Kosten auferlegt und diese fällig geworden sind und nur zur Abgeltung derartiger Beträge; denn durch die Auferlegung der Ratenzahlung darf der Antragsteller nicht schlechtergestellt werden, als ein vergleichbarer Verfahrensbeteiligter ohne Prozeßkostenhilfe (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 12. Mai 1982 II B 76/81, BFHE 136, 49, BStBl II 1982, 598).
c) § 115 Abs. 3 ZPO steht der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht entgegen. Die voraussichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens sind mit 3 400 DM zu bemessen (vgl. Eberl in Betriebs-Berater 1984, Beilage 11 zu Heft 21), so daß die voraussichtlichen Kosten vier Monatsraten übersteigen.
Fundstellen
Haufe-Index 414242 |
BFH/NV 1987, 54 |