Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Verlängerung der Frist für einen Antrag auf Vorsteuervergütung
Leitsatz (NV)
Mit dem Hinweis, das Bundesamt für Finanzen habe die Ablehnung der Frist für den Antrag auf Vorsteuervergütung auf einen Erlass des Bundesministers der Finanzen gestützt, der gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße, ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt worden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 109 Abs. 1 S. 2; UStDV 1980 § 61
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine in Tschechien (Drittland) ansässige Gesellschaft ohne Umsätze im Inland, beantragte am 17. August 1995 Vorsteuervergütung für den Zeitraum von Juni bis Dezember 1994. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Bundesamt für Finanzen ―BfF―) lehnte den Antrag am 30. Januar 1996 ab. Über den dagegen am 1. März 1996 eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden worden.
Gleichzeitig mit dem erwähnten Einspruch beantragte die Klägerin rückwirkende Fristverlängerung wegen des Vorsteuervergütungsantrags für 1994. Dies lehnte das BfF durch Bescheid vom 22. April 1997 ab und wies den gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 13. August 1997 zurück.
Die gegen die Ablehnung der rückwirkenden Fristverlängerung gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das FG legte dar, dass die Ablehnung des Antrags auf Fristverlängerung zwar als Verwaltungsakt anfechtbar sei. Die Ablehnung sei aber rechtmäßig, weil die in § 61 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980 enthaltene Regelung für den Antrag auf Vorsteuervergütung eine Frist von sechs Monaten bestimme, die nicht verlängerbar sei. Dies ergebe die richtlinienkonforme an Art. 7 Abs. 1 Satz 4 der Achten Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 79/1072/EWG (Richtlinie 79/1072/EWG) ―Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige― (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 331, 11) orientierte Auslegung der Vorschrift. Auf die Antragsfrist in § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1980 sei § 109 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht anwendbar, weil es sich um eine Ausschlussfrist handele, die wegen ihrer Eigenart und nach dem Zweck der Richtlinie 79/1072/EWG nicht verlängerbar sei.
Gegen die Klageabweisung durch das FG legte die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Versagung des rechtlichen Gehörs als Verfahrensmangel ein. Die "Revisionsbeschwerde" sei wegen Verletzung von Bundesrecht, insbesondere von Art. 103 des Grundgesetzes (GG) und des Rechtsstaatsprinzips begründet, weil das BfF den Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. August 1995 (BStBl I 1995, 382) angewendet habe, der wegen der mit ihm verbundenen unechten Rückwirkung ohne Übergangsfrist verfassungswidrig sei.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision.
Das BfF ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat Zulassungsgründe nicht in der gesetzlich geforderten Form dargelegt.
1. Anwendbar ist die Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor dem In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG der Klägerin am 21. September 2000, somit vor dem 1. Januar 2001, zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
2. Die Beschwerde der Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO für die Zulassung der Revision verlangt.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) fordert § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. u.a., dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bisher höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage heraushebt und darlegt, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit). Der Beschwerdeführer muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun und erläutern, welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfrage hat (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, z.B. Beschluss vom 21. Dezember 2000 XI B 75/99, BFH/NV 2001, 773).
Nach ständiger Rechtsprechung kommt Rechtsfragen, die nicht mehr geltendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. zu (BFH-Beschluss vom 14. September 1999 V B 47/99, BFH/NV 2000, 327). Der Beschwerdeführer muss, wenn er gleichwohl eine Zulassung erreichen will, darlegen, weshalb die Beurteilung von geändertem Recht im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung durch Verwaltung und Gerichte in einer nicht nur unerheblichen Anzahl von Fällen geboten ist (BFH-Beschluss vom 4. Oktober 1996 VIII B 12/96, BFH/NV 1997, 347).
Im Streitfall hat die Klägerin keine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse hervorgehoben, sondern nur begründet, weshalb das Urteil des FG ihrer Meinung nach unrichtig ist. Insofern sind ihre Einwände im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2000 V B 89/00, BFH/NV 2001, 733). Sie hat u.a. gerügt, dass das BfF gegenüber der Klägerin die ablehnende Entscheidung über die rückwirkende Verlängerung der Antragsfrist des § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV 1980 auf einen Erlass des BMF (vom 10. August 1995) gestützt habe, der gegen das Prinzip eines fairen Verfahrens und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Mit dieser Begründung rügt sie nur die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Eine damit verbundene im allgemeinen Interesse klärungsbedürftige Rechtsfrage hebt sie damit nicht hervor.
b) Die Beschwerde ist auch unzulässig, soweit die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels durch Verletzung des rechtlichen Gehörs begehrt wird. Die Beschwerde der Klägerin erfüllt auch insoweit nicht die Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
Wird Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, § 96 Abs. 2 FGO) beanstandet, muss u.a. vorgetragen werden, dass der Verfahrensmangel bereits gegenüber dem FG gerügt wurde oder weshalb eine derartige Rüge nicht möglich war (BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 1994 VIII B 85/93, BFH/NV 1995, 142; vom 26. Januar 1994 II B 29/93, BFH/NV 1994, 730; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 13, § 120 Rz. 38). Insoweit enthält die Beschwerdeschrift keine substantiierten Ausführungen. Hinzu kommt, dass die Klägerin in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt hat, inwieweit die Vorentscheidung auf dem von ihr gerügten Verfahrensmangel beruhen kann. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. hängt die Zulassung der Revision bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel aber davon ab, dass die angefochtene Entscheidung ―nach der insoweit maßgebenden Auffassung des FG― auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Dazu enthält die Beschwerdeschrift jedoch keine Ausführungen. Ein Anlass, dazu Ausführungen zu machen, bestand deshalb, weil es nach der maßgebenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG auf das bezeichnete Schreiben des BMF gar nicht ankam. Das FG hat begründet, dass eine Befugnis der Finanzbehörde für eine rückwirkende Verlängerung der Antragsfrist für eine Vorsteuervergütung nicht bestand. Falls diese Auffassung fehlerhaft sein sollte, hätte ein Rechts-, aber kein Verfahrensfehler vorgelegen.
Soweit die Klägerin Unvollständigkeit des Urteilstatbestands rügt, hätte sie Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO) beantragen müssen (BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2000 IX B 91/00, BFH/NV 2001, 795).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO i.d.F. des 2.FGOÄndG ab.
Fundstellen