Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Jahresende angepasst
Die Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuer – der UStAE – werden permanent fortgeschrieben. Einmal im Jahr – regelmäßig zum Jahresende – wird dann der UStAE noch einmal durchgesehen und redaktionell angepasst. Dabei werden insbesondere Verweise auf bisher noch nicht enthaltene Urteile des BFH sowie des EuGH mit aufgenommen, die unterjährig schon im BStBl veröffentlicht worden waren. Die Änderungen geben im Wesentlichen nur den derzeitigen Stand der Rechtserkenntnisse zum Umsatzsteuerrecht wieder und haben darüber hinaus keine für die Praxis wesentlichen Folgen. Anhand der Aufnahme der neuen Urteile des BFH kann aber noch einmal gut nachverfolgt werden, welche rechtlichen Änderungen sich in den vergangenen Monaten ergeben haben.
Die Anpassungen durch das BMF-Schreiben lassen sich im Wesentlichen in 3 Kategorien einordnen:
- redaktionelle und sprachliche Änderungen;
- Klarstellungen und Präzisierungen der bisherigen Anweisungen;
- Aufnahme weiterer Rechtsprechung in den UStAE.
Keine Drittquellen mehr
In diesem Jahr nimmt die Finanzverwaltung auch eine formale Änderung bei der Angabe der Rechtsprechung vor. Während früher auch Drittquellen angegeben wurden (z. B. BFH/NV, UR) sind diese Quellen aus dem UStAE entfernt worden. Soweit es keine Fundstelle im BStBl gibt, sind Urteile entweder ohne weitere Fundstelle (z. B. bei EuGH-Urteilen) oder mit dem Hinweis "n.v." zitiert.
Die wichtigsten Anpassungen
Über die rein redaktionellen Änderungen hinausgehende Anpassungen im UStAE werden in den folgenden Abschnitten vorgenommen:
Abschn. 1.1 Abs. 5b UStAE (und Abschn. 12.7 Abs. 15 UStAE)
Die Finanzverwaltung hatte im Oktober 2021 zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des sog. Verlegeranteils bei der Zahlung von Verwertungsgesellschaften Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 14.10.2021, BStBl 2021 I S. 2133). In den UStAE wird jetzt noch ein Verweis auf dieses Schreiben aufgenommen.
In diesem Zusammenhang wird ein Hinweis zum ermäßigten Steuersatz in Abschn. 12.7 Abs. 15 Satz 4 UStAE gestrichen.
Abschn. 2.8 Abs. 6 Satz 7 UStAE
Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft setzt u. a. die wirtschaftliche Eingliederung voraus. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 13.11.2019 - V R 30/18, BStBl 2021 II S. 248) stellt die Finanzverwaltung klar, dass eine wirtschaftliche Eingliederung durch die Gewährung eines Darlehens nur vorliegen kann, wenn dieses im Rahmen des Unternehmens gewährt wird.
Abschn. 3.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE
Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 20.06.2018 - C-108/17 (Enteco Baltic), UR 2018 S. 635) wird zur Ausführung der Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand nach § 3 Abs. 1 UStG) ergänzend in den UStAE aufgenommen, dass es nicht notwendig ist, dass der Leistungsempfänger physisch über den Gegenstand verfügen muss, der Gegenstand physisch zu ihm transportiert wird oder physisch von ihm empfangen wird. Ausreichend ist, dass der Leistungsempfänger nach Belieben mit dem Gegenstand verfahren kann.
Abschn. 3a.14 Abs. 3a UStAE
Drittlandsunternehmer führen u.a. Telekommunikationsdienstleistungen oder auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung, die im Inland genutzt werden, abweichend von § 3a Abs. 5 UStG nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG im Inland aus. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 15.04.2021 - C-593/19 (SK Telecom), BFH/NV 2021 S. 925) stellt die Finanzverwaltung klar, dass dies auch für Roamingleistungen gilt, die im Drittland ansässige Mobilfunkanbieter an im Drittlandsgebiet ansässige Nichtunternehmer ausführen, wenn der Anbieter es seinen Kunden ermöglicht, das inländische Mobilfunknetz zu nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistung schon im Drittlandsgebiet besteuert wurde.
Abschn. 8.2 Abs. 7 Nr. 7 Satz 2 UStAE
Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 22.7.2021, BStBl 2021 I S. 1023) hatte schon im Juli 2021 in einem neuen Abschn. 8.2 Abs. 7 UStAE zusammengefasst, welche Leistungen zu den steuerfreien Leistungen des Luftverkehrs gehören. Es wird jetzt klarstellend darauf hingewiesen, dass auch die Aufwendungen für den Erwerb, die Nutzung und die Erhaltung von Sicherheitseinrichtungen zur Fluggast- und Gepäckkontrolle zu den begünstigten Leistungen gehören.
Abschn. 12.8 Abs. 2 Satz 6 UStAE
Es war umstritten, ob bei ortsgebundenen Schaustellungsunternehmen der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG zur Anwendung kommen kann. Nachdem der EuGH (Urteil vom 09.09.2021 - C-406/20 (Phantasialand), BFH/NV 2021 S. 1455) grundsätzlich festgestellt hatte, dass es unionsrechtlich zu unterschiedlichen Steuersätzen bei ortgebundenen und nicht ortgebundenen Unternehmen kommen kann, nimmt die Finanzverwaltung dies Urteil mit in den UStAE auf.
Abschn. 12.16 Abs. 3 UStAE
Zur Ermäßigung des Steuersatzes bei kurzfristiger Vermietung hatte die Finanzverwaltung bisher geregelt, dass auch die Weiterveräußerung von eingekauften Zimmerkontingenten im eigenen Namen und für eigene Rechnung an andere Unternehmer (z. B. Reiseveranstalter) unter die Begünstigung fallen kann. Im Zusammenhang mit der Neuregelung zu den Reiseleistungen (§ 25 UStG) ist dieser Hinweis gestrichen worden.
Abschn. 14.3 Abs. 1 Satz 2 UStAE
Gutschriften sind Rechnungen, die durch einen Leistungsempfänger ausgestellt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG). Die Finanzverwaltung präzisiert ihre Aussagen zur Möglichkeit, dass auch juristische Personen, die nicht Unternehmer sind, Gutschriften erteilen können. Dies gilt nur, wenn sie Leistungsempfänger sind.
Abschn. 14.5 Abs. 16 Satz 5 Nr. 4 Satz 6 UStAE
In einer Rechnung muss auch der Leistungszeitpunkt bzw. -zeitraum angegeben werden (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG). Die Finanzverwaltung konkretisiert unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 15.09.2016 - C-516/14 (Barlis 06), BFH/NV 2016 S. 1870), dass eine Angabe des Leistungszeitraums "bis zum heutigen Tag" ohne eine Konkretisierung des Beginns des Leistungszeitraums nicht ausreichend ist.
Abschn. 14.11 Abs. 1 Satz 3 UStAE
Eine Rechnung kann berichtigt oder ergänzt werden. Die Finanzverwaltung nimmt in den UStAE die Ende 2020 in das UStG (§ 14 Abs. 4 Satz 4 UStG) eingefügte Regelung mit auf, dass die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben kein rückwirkendes Ereignis im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 233a Abs. 2a AO) ist und deshalb nicht zu einer Änderung bestandskräftiger Bescheide führen kann.
Abschn. 14a.1 Abs. 7 UStAE
Zum 1.7.2021 ist das Digitalpaket in Kraft getreten, in dem insbesondere der Fernverkauf (§ 3c UStG) und die besonderen Besteuerungsverfahren (One-Stop-Shop; § 18i - § 18k UStG) geregelt sind. Zur Verpflichtung, eine Rechnung auszustellen, stellt die Finanzverwaltung klar, dass der gesonderte Steuerausweis in einer Rechnung auch dann vorzunehmen ist, wenn der Unternehmer Rechnungen über im Inland steuerbare und steuerpflichtige Fernverkäufe nach § 3c UStG erstellt. Soweit der Unternehmer an dem One-Stop-Shop-Verfahren nach § 18j UStG teilnimmt, besteht keine besondere Pflicht zur Ausstellung einer Rechnung (§ 14a Abs. 2 Satz 2 UStG). In diesem Fall ist die Rechnung nach den Vorschriften des Mitgliedstaats zu erstellen, in dem der Unternehmer an dem One-Stop-Shop teilnimmt (§ 14 Abs. 7 Satz 3 UStG).
Abschn. 14c.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE
Weist der Unternehmer in einer Rechnung einen zu hohen Steuerbetrag aus, schuldet er auch die zu hoch ausgewiesene Steuer (§ 14c Abs. 1 UStG – unrichtiger Steuerausweis). Die Finanzverwaltung hatte bisher die Auffassung vertreten, dass auch die falsche Angabe einer Beförderungsstrecke von mehr als 50 km (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG) zu einem unrichtigen Steuerausweis führt. Dieser Hinweis wird gestrichen und – dem entgegen – jetzt geregelt, dass die Angabe einer falschen Beförderungsstrecke für sich allein noch nicht zu einem unrichtigen Steuerausweis führt, da diese Angabe nicht zu den Mindestangaben für Fahrausweise (§ 34 Abs. 1 UStDV) gehört.
Abschn. 15a.3 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE
Nachdem der BFH (Urteil vom 29.04.2020 - XI R 14/19, BStBl 2020 II S. 613) die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung bestätigt hatte, dass bei einem Gebäude, das entsprechend dem Baufortschritt verwendet wird, für jeden in Verwendung genommenen Bauabschnitt ein eigener Vorsteuerberichtigungszeitraum (§ 15a Abs. 1 UStG – bei Immobilien i.d.R. 10 Jahre) anzunehmen ist, stellt die Finanzverwaltung jetzt klar, dass dies entsprechend gilt, wenn ein Wirtschaftsgut im Fall einer Sanierung nach dem Sanierungsfortschritt in Verwendung genommen wird. Der jeweilige Berichtigungszeitraum beginnt, wenn der jeweilige Teil erstmalig oder wieder zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird.
Abschn. 18.13 Abs. 4 Satz 4 UStAE
Im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer können sich im Inland entstandene Vorsteuerbeträge im zentralen Verfahren in der Union vergüten lassen (Vorsteuervergütung). Bestimmte Unterlagen müssen dem in Deutschland zuständigen BZSt in digitaler Form oder im Original zur Verfügung gestellt werden. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 18.11.2020 - C-371/19 (Kommission/Deutschland), UR 2021 S. 111) ist der UStAE dahingehend ergänzt worden, dass vor der Ablehnung eines Vergütungsantrags, der innerhalb der Antragsfrist gestellt wurde, dem aber nicht die notwendigen Unterlagen beigefügt waren, der Unternehmer zur Vorlage der entsprechenden Dokumente oder Informationen aufgefordert werden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragsfrist für den zugrundeliegenden Vergütungszeitraum zum Zeitpunkt der Bearbeitung bereits abgelaufen ist.
Abschn. 25a.1 Abs. 1 Satz 10 UStAE
Die Finanzverwaltung stellt klar, dass die Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) auch auf den Handel mit sog. Kursmünzen (Sonderprägungen, die auch als gesetzliche Zahlungsmittel zugelassen sind) anzuwenden ist.
Konsequenzen für die Praxis
Wie auch in den Vorjahren hat die Finanzverwaltung den UStAE zum Jahresende überarbeitet und insbesondere die in den letzten Monaten schon im BStBl veröffentlichten Urteile des BFH mit aufgenommen. Da diese Urteile auch schon vorher durch die Veröffentlichung im BStBl angewendet wurden, ist darin keine materielle Änderung zu sehen. Dementsprechend hat die Finanzverwaltung auch keine besonderen Anwendungsregelungen getroffen.
BMF, Schreiben v. 17.12.2021, III C 3 - S 7015/21/10001 :001
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