Entscheidungsstichwort (Thema)
Steueranmeldung gemäß § 73e EStDV für Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige: Wirksamkeit auch ohne namentliche Bezeichnung des Vergütungsgläubigers, Vollziehbarkeit, keine Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem Vergütungsgläubiger, keine Erstattung abgeführter Beträge an den Vergütungsgläubiger bzw. an den Vergütungsschuldner gegen dessen Willen, Einspruchsbefugnis des Vergütungsgläubigers, Rechtsschutz des Vergütungsgläubigers im Freistellungsverfahren bzw. Erstattungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Steueranmeldung gemäß § 73e EStDV enthält keine Festsetzung einer Steuerschuld gegenüber dem Vergütungsgläubiger.
2. Eine Steueranmeldung kann nur gegenüber dem anmeldenden Vergütungsschuldner vollzogen werden. Wird die Vollziehung einer Steueranmeldung ausgesetzt, so ist die bereits abgeführte Steuer an den Vergütungsschuldner zu erstatten. Läuft die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung aus, so kann die Anmeldung (erneut) nur gegenüber dem Vergütungsschuldner vollzogen werden.
3. Die Vollziehung einer Steueranmeldung kann nicht mit der Maßgabe ausgesetzt werden, daß die ausgesetzten Steuerbeträge an den Vergütungsgläubiger zu erstatten sind.
4. Auf Antrag des Vergütungsgläubigers kann die Vollziehung einer Steueranmeldung nicht mit der Maßgabe ausgesetzt werden, daß die Steuer gegen den Willen des Vergütungsschuldners an diesen zu erstatten ist. Der Vergütungsgläubiger ist für einen solchen Fall gehalten, einstweiligen Rechtsschutz im Freistellungsverfahren bzw. Erstattungsverfahren zu beantragen.
Orientierungssatz
1. Steueranmeldung i.S. des § 73e EStDV: Der Vergütungsgläubiger darf aus eigenem Recht die vom Vergütungsschuldner abgegebene Steueranmeldung für Vergütungen i.S. des § 50a EStG anfechten (vgl. BFH-Rechtsprechung). Schließt sich der Vergütungsschuldner einem entsprechenden Einspruch des Vergütungsgläubigers nicht an, so darf nur darüber entschieden werden, ob der Vergütungsschuldner berechtigt war, die Steuerabzugsbeträge einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Vergütungsgläubiger einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung stellt.
2. Eine Steueranmeldung i.S. des § 73e EStDV ist auch dann wirksam, wenn der Vergütungsschuldner den Namen des Vergütungsgläubigers nicht, unvollständig oder unrichtig angegeben hat.
3. Stimmt der Vergütungsschuldner einem Einspruch des Vergütungsgläubigers gegen eine Steueranmeldung i.S. des § 73e EStDV nicht zu, so muß der Vergütungsgläubiger gemäß § 50d Abs. 1 EStG in einem Freistellungsverfahren oder Erstattungsverfahren --in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 des FVG gegenüber dem Bundesamt für Finanzen und in anderen Fällen gegenüber dem FA-- das Bestehen oder Nichtbestehen der eigenen Steuerpflicht klären zu lassen. Bei dieser Rechtslage kann der Vergütungsgläubiger nicht das ihm eröffnete Verfahren gemäß § 114 FGO durch ein solches gemäß § 69 FGO ersetzen, in dem er die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung sowie die Erstattung der ausgesetzten Beträge an den Vergütungsschuldner begehrt. Das entsprechende Verfahren ist nur dann eröffnet, wenn der Vergütungsschuldner dem Einspruchsbegehren beitritt bzw. materiell-rechtlich eine Abführungsschuld der Beigeladenen unter keinem auch nur theoretisch denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt.
Normenkette
AO 1977 §§ 168, 348; EStDV § 73e Sätze 1-2; EStG § 50a Abs. 4-5, § 50d; FGO §§ 114, 69 Abs. 1, 3; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft (Inc.), die für eine gleichnamige Musikgruppe (Band) Konzerttournee-Verträge abschließt. Die Beigeladene ist eine inländische GmbH, die von einem inländischen Autohersteller mit Marketingaufgaben betraut wurde.
Am 8. Januar 1996 schlossen die Antragstellerin und die Beigeladene einen Vertrag über das Sponsoring der von der Antragstellerin betreuten Band durch den Autohersteller. Danach sollte die Band an Werbespots des Autoherstellers mitwirken. Der Autohersteller sollte den Namen der Band ein Jahr lang werbemäßig nutzen dürfen. Die Band sollte ferner 20 Konzerte in Europa durchführen. Dafür sollte die Beigeladene ... $ an die Antragstellerin zahlen.
Die Beigeladene zahlte ab Januar 1996 das vereinbarte Honorar in Raten, wobei sie den Körperschaftsteuerabzug gemäß §§ 49 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), 50a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vornahm. Der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin beantragte bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) am 18. und 23. März 1996 eine verbindliche Auskunft darüber, daß sich die nach §§ 49 KStG, 50a Abs. 4 EStG einzubehaltende Körperschaftsteuer nur auf das anteilige Honorar für sieben Inlandsauftritte beschränke und sich nicht auf die gewerbliche Namenswerbung erstrecke. Das Gesamthonorar sei zu 40 v.H. auf die Auftritte der Band während der zweimonatigen Tournee durch Europa und zu 60 v.H. auf die einjährige gewerbliche Namenswerbung aufzuteilen. Von dem 40 v.H.-Anteil für Auftritte entfielen nur 7/23 auf Veranstaltungen im Inland. Das FA lehnte die begehrte verbindliche Auskunft am 25. März 1996 ab.
Die Beigeladene reichte am 11. April 1996 beim FA eine Steueranmeldung gemäß § 50a Abs. 4 EStG für das I. Quartal 1996 ein. Danach wurde Körperschaftsteuer (25 v.H.) und Solidaritätszuschlag (7,5 v.H.) von einem Entgelt in Höhe von ... DM angemeldet und insgesamt ... DM abgeführt. Gegen diese Anmeldung legte die Antragstellerin am 5. Juni 1996 beim FA Einspruch ein. Sie beantragte die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung für einen Betrag in Höhe von ... DM Körperschaftsteuer und ... DM Solidaritätszuschlag. Das FA lehnte am 7. Juni 1996 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf die am 13. Mai 1996 abgelaufene Einspruchsfrist ab. Am 8. Juli 1996 reichte die Beigeladene eine berichtigte Anmeldung über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag I. Quartal 1996 ... DM und ... DM ein.
Die Antragstellerin beantragte am 4. Juli 1996 beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung wegen Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM. Mit Schriftsatz vom 5. August 1996 machte sie die geänderte Anmeldung vom 8. Juli 1996 zum Gegenstand des Verfahrens. Nunmehr beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung von Körperschaftsteuer I. Quartal 1996 in Höhe von ... DM. Diesem Antrag gab das FG am 17. Januar 1997 dahingehend statt, daß es die Vollziehung der Anmeldung vom 8. Juli 1996 zugunsten der Antragstellerin in Höhe von ... DM Körperschaftsteuer gegen Sicherheitsleistung aufhob. Das FG ließ die Beschwerde zu.
Mit seiner Beschwerde macht das FA geltend, die Aussetzung der Vollziehung sei aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht statthaft. Außerdem bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angemeldeten Steuerabzugs.
Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat durch Schriftsatz vom 19. Juli 1997 darauf hingewiesen, daß sie auf keinen Fall die Haftung für eine zweite Zahlung der bereits abgeführten Steuern übernehmen wolle, sofern diese vollständig oder teilweise an die Antragstellerin erstattet würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung.
1. Nach § 168 der Abgabenordnung (AO 1977) steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Daraus folgt, daß der Inhalt der Steueranmeldung auch den Inhalt der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bestimmt.
2. Nach § 73e der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) hat der Schuldner von Vergütungen i.S. der §§ 49 KStG, 50a Abs. 4 EStG jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für seine Besteuerung zuständige FA eine Steueranmeldung über den Gläubiger, über die Höhe der Vergütungen und des Steuerabzuges zu übersenden. Steueranmeldung in diesem Sinne ist die Erklärung des Vergütungsschuldners, daß er von näher bezeichneten Vergütungen eines namentlich benannten Gläubigers den Steuerabzug vorgenommen habe und zur Abführung der Abzugsbeträge verpflichtet sei. Damit erschöpft sich die Steuerfestsetzung i.S. des § 168 AO 1977 in einer Festsetzung abzuführender Steuerbeträge gegenüber dem Vergütungsschuldner. Sie betrifft Steuerbeträge, die der Vergütungsschuldner einbehalten hat und für die er eine Abführungspflicht bejaht. Die Steuerfestsetzung hat gegenüber dem Vergütungsgläubiger insoweit Drittwirkung, als sie den Vergütungsschuldner berechtigt, nicht die gesamte Vergütung an den Vergütungsgläubiger, sondern einen Teil davon an das FA abzuführen. Wegen dieser Drittwirkung hat die Rechtsprechung dem Vergütungsgläubiger das Recht zugebilligt, aus eigenem Recht die Steueranmeldung anzufechten (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 155, 479, BStBl II 1989, 449; vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BFHE 161, 358; BFH-Beschluß vom 13. September 1989 I B 23/89, BFH/NV 1990, 208). Dennoch kann auf Grund eines entsprechenden Rechtsbehelfs des Vergütungsgläubigers nur darüber entschieden werden, ob der Vergütungsschuldner berechtigt war, die Steuerabzugsbeträge einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Vergütungsgläubiger einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung stellt.
3. Entgegen der Auffassung des FG und der Antragstellerin kann die Vollziehung einer Steueranmeldung des Vergütungsschuldners nicht mit der Maßgabe ausgesetzt werden, daß die ausgesetzten Steuerbeträge an den Vergütungsgläubiger zu erstatten sind. Die Aussetzung der Vollziehung einer Steueranmeldung bedeutet nur, daß der anmeldende Steuerpflichtige i.S. des § 33 AO 1977 (= Vergütungsschuldner) die Steuerbeträge einstweilen nicht an das FA abzuführen verpflichtet ist. Ob der Vergütungsschuldner die nicht abzuführenden oder gar erstatteten Beträge deshalb an den Vergütungsgläubiger auszahlen muß oder ob er bezüglich der Beträge ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) bis zur endgültigen Klärung der Steuerrechtslage hat, ist eine Zivilrechtsfrage, deren Beantwortung für den Streitfall entscheidungsunerheblich ist. Ein FA muß jedenfalls die abgeführten Beträge, für die die Vollziehung ausgesetzt wird, an die Person erstatten, der gegenüber die Steueranmeldung (erneut) zu vollziehen ist, wenn die Aussetzung der Vollziehung (wieder) aufgehoben werden oder auslaufen sollte. Die Erstattungsberechtigung aus einem Steuerbescheid muß stets spiegelbildlich zu dessen Vollziehbarkeit beurteilt werden. Das FA darf auch aus anderen Gründen nicht in die Zivilrechtsbeziehung zwischen dem Vergütungsschuldner und dem Vergütungsgläubiger eingreifen, indem es nach einer Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung abgeführte Steuerbeträge an den Vergütungsgläubiger erstattet. Es liefe andernfalls Gefahr, die abgeführten Steuern noch einmal an den Vergütungsschuldner erstatten zu müssen.
4. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin beinhaltet eine Steueranmeldung keine Festsetzung einer Steuerschuld gegenüber dem Vergütungsgläubiger. Entsprechendes könnte nur angenommen werden, wenn die Steueranmeldung als Steuerfestsetzung auch gegenüber dem Vergütungsgläubiger vollziehbar wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach § 50a Abs. 5 Satz 6 EStG kann der Vergütungsgläubiger nur unter bestimmten engen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden. Dies setzt den Erlaß eines Nachforderungsbescheides ihm gegenüber voraus. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß die Steueranmeldung keine gegenüber dem Vergütungsgläubiger vollziehbare Steuerfestsetzung beinhaltet.
Das Steueranmelde- und Steuerabzugsverfahren setzt keine Festsetzung der Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner voraus. Der Wortlaut der Anmeldung und damit der Inhalt der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung deckt eine solche Annahme nicht ab. Zwar muß die Anmeldung nach § 73e Satz 2 EStDV auch den Namen des Vergütungsgläubigers enthalten. Dies dient jedoch nur der inhaltlichen Konkretisierung der Abführungsschuld des Vergütungsschuldners und dem Nachweis der Abführung im Falle eines sich anschließenden Erstattungsverfahrens (§ 50d Abs. 1 EStG). Deshalb kann nicht von einer Steuerfestsetzung auch gegenüber dem Vergütungsgläubiger ausgegangen werden. So hat der erkennende Senat auch in seinem Beschluß vom 3. Dezember 1996 I B 44/96 (BFHE 181, 562, BStBl II 1997, 306) für einen Haftungsbescheid entschieden, daß die Angabe des Namens des Steuerschuldners nicht in jedem Fall zum notwendigen Inhalt des Haftungsbescheides gehört. Für die Steueranmeldung muß schon deshalb entsprechendes gelten, weil sie ebenso wie der Haftungsbescheid nicht gegenüber dem Vergütungsgläubiger vollzogen werden kann. Sie ist auch dann wirksam, wenn der Vergütungsschuldner den Namen des Vergütungsgläubigers nicht, unvollständig oder unrichtig angeben sollte. Dies belegt die Regelung in § 41a EStG. Dort wird für die Anmeldung der Lohnsteuer die Namensangabe der betroffenen Arbeitnehmer nicht verlangt. In vielen Fällen wäre dies auch faktisch undurchführbar. Die Namensangabe ist deshalb kein essentieller Bestandteil der Anmeldung. Ist aber eine Steueranmeldung auch ohne die Namensangabe des Vergütungsgläubigers wirksam, so kann sie keine Steuerfestsetzung ihm gegenüber enthalten. Dies muß auch für den Bereich des § 73e Satz 2 EStDV gelten.
5. Es trifft auch die Auffassung der Antragstellerin nicht zu, daß das Steuerabzugsverfahren ausschließlich der Sicherung des Steueranspruchs diene. Zumindest in den Fällen, in denen der Steuerabzug die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer auf die dem Abzug unterliegenden Einkünfte abgilt, dient das Steuerabzugsverfahren unmittelbar der Abgeltung der Steuerschuld des Vergütungsgläubigers. Deshalb setzt jedoch die Abgeltung keine Festsetzung der Steuerschuld gegenüber dem Vergütungsgläubiger notwendigerweise voraus. Nur so ist die Regelung in § 46 Abs. 2 EStG zu verstehen.
6. Die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, die Haftung des Vergütungsschuldners gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG lebe nach einer Aussetzung der Vollziehung nicht wieder auf, ist nur insoweit zutreffend, als kein Rechtsgrund besteht, gegenüber dem Vergütungsschuldner einen Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 zu erlassen, wenn die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung aufgehoben wird oder ausgelaufen ist. Vielmehr gilt die Steueranmeldung als Steuerfestsetzung (§ 168 AO 1977) gegenüber dem Vergütungsschuldner. Wird die Vollziehung der Steueranmeldung ausgesetzt und deshalb ein bereits abgeführter Steuerbetrag erstattet, so gilt die Anmeldung nicht (mehr) als vollzogen. Sie wird jedoch (wieder) vollziehbar, wenn die verfügte Aussetzung der Vollziehung aufgehoben wird oder ausläuft. Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung vor oder nach Abführung der Steuerabzugsbeträge ausgesetzt wird. Die (wieder vollziehbare) Anmeldung kann nur gegenüber dem Vergütungsschuldner vollzogen werden. In diesem Sinne lebt seine Haftung nach Aufhebung bzw. Ablauf der Aussetzung der Vollziehung schon nach den allgemeinen für die Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten geltenden Grundsätzen wieder auf.
7. Die Antragstellerin war zwar befugt, Einspruch gegen die Steueranmeldung einzulegen. Schließt sich die Beigeladene als die Vergütungsschuldnerin diesem Begehren jedoch nicht an, so kann nur geprüft werden, ob die Beigeladene die Steueranmeldung vornehmen durfte oder nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781; vom 26. Juli 1995 I B 182/94, BFH/NV 1996, 318). Die Antragstellerin kann jedoch nicht Aussetzung der Vollziehung mit dem Ziel begehren, daß bereits abgeführte Beträge der Beigeladenen gegen deren Willen zu erstatten sind. Zu berücksichtigen ist, daß die Beigeladene nach § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG verpflichtet ist, den Steuerabzug auf bestimmte steuerpflichtige Vergütungen vorzunehmen. Nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG haftet sie für nicht einbehaltene Abzugsbeträge. Die Regelungen gehen im Grundsatz davon aus, daß die Beigeladene nicht das Risiko tragen soll, die Abzugsbeträge aus eigenem Vermögen entrichten zu müssen. Sie soll die Abzugsbeträge von den Vergütungen einbehalten, die dem Vergütungsgläubiger zustehen. Entsprechend muß sie schon dann zur Anmeldung und Abführung berechtigt sein, wenn die steuerrechtliche Beurteilung der sachlichen Steuerpflicht der Vergütungen zweifelhaft ist. § 50d Abs. 1 EStG bürdet für diesen Fall der Antragstellerin die Last auf, in einem Freistellungs- oder Erstattungsverfahren das Bestehen oder Nichtbestehen der eigenen Steuerpflicht klären zu lassen. Dieses Verfahren muß die Antragstellerin in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes gegenüber dem Bundesamt für Finanzen und in anderen Fällen gegenüber dem FA betreiben (vgl. BFH-Urteile vom 20. Juni 1984 I R 283/81, BFHE 142, 35, BStBl II 1984, 828; vom 19. Dezember 1984 I R 31/82, BFHE 143, 416). In diesen Verfahren ist einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gewähren, auch wenn nicht zu verkennen ist, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift selten erfüllt sein werden. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß eine Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung "zu Gunsten" der Beigeladenen deren Abführungspflicht später potentiell wiederaufleben lassen könnte (vgl. II. 6.). Außerdem tritt eine potentielle Verzinsungspflicht nach § 233a bzw. § 236 AO 1977 zu Lasten der Beigeladenen ein. Die Zinsen wären von der Beigeladenen zu entrichten, ohne daß sie einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch gegen die Antragstellerin hätte. Die Beigeladene ist nicht verpflichtet, sich diesen Rechtsfolgen gegen ihren Willen auszusetzen. Sie können der Beigeladenen auch nicht "aufgedrängt" werden.
Bei dieser Rechtslage kann die Antragstellerin nicht nach eigener Wahl das ihr eröffnete Verfahren gemäß § 114 FGO durch ein solches gemäß § 69 FGO ersetzen, in dem sie die Aussetzung der Vollziehung der Steueranmeldung sowie die Erstattung der ausgesetzten Beträge an die Beigeladene begehrt. Das entsprechende Verfahren ist nur dann eröffnet, wenn die Beigeladene dem Begehren beitritt bzw. materiell-rechtlich eine Abführungsschuld der Beigeladenen unter keinem auch nur theoretisch denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt. Nach dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 19. Juli 1997 ist erstere Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt. An der zweiten Voraussetzung fehlt es schon deshalb, weil bisher ungeklärt ist, welchen Leistungen der Antragstellerin die im I. Quartal 1996 vorgenommenen Zahlungen zuzuordnen sind. Immerhin hat die Beigeladene, die den Sachverhalt aus eigener Anschauung kannte, eine Abführungspflicht nach § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG bejaht. Dann aber ist die Antragstellerin gehalten, das Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG zu betreiben.
8. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Rechtsgrundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben und war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung ist abzulehnen. Die Antragstellerin hat die erforderlichen Voraussetzungen nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 66175 |
BFH/NV 1997, 455 |
BStBl II 1997, 700 |
BFHE 184, 92 |
BFHE 1998, 92 |
BB 1997, 2224 (Leitsatz) |
DB 1997, 2159-2160 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1684-1686 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 893 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 863-865 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1997, 923-925 (Leitsatz und Gründe) |
StE 1997, 671 (Leitsatz) |