Leitsatz (amtlich)
Eine Personengesellschaft wird im steuergerichtlichen Verfahren, das eine einheitliche Gewinnfeststellung zum Gegenstand hat, von ihren jeweils vertretungsberechtigten Gesellschaftern vertreten, selbst wenn diese im strittigen Zeitraum noch nicht Gesellschafter waren.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) für die Jahre 1970 und 1971 eine Investitionsprämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 - KohleG - (BGBl I 1968, 365, BStBl I 1968, 939) in Anspruch nehmen kann. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hat die Prämie zunächst gewährt, später aber versagt. Hinsichtlich des Änderungsbescheides begehrt die Beschwerdeführerin Aussetzung der Vollziehung.
Die Beschwerdeführerin betreibt ihr Unternehmen nach Umwandlung aus einer GmbH seit 1970 in der Rechtsform der KG. Komplementär war zunächst A. Seit 1972 ist die B-GmbH Komplementärin. A wurde Kommanditist. 1973 ist er verstorben. Erben wurden seine Ehefrau und seine drei Kinder; diese sind auch in die Gesellschafterstellung nachgerückt.
Das FA hat die Vollziehung der geänderten Prämienfestsetzung teilweise ausgesetzt. Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin bei Gericht Vollziehungsaussetzung hinsichtlich des vollen Prämienbetrages. Diesen Antrag sah das Finanzgericht (FG) als unzulässig an, weil die Komplementär-GmbH, die den Antrag für die KG gestellt hatte, in den Streitjahren 1970 und 1971 noch nicht Mitglied der KG gewesen sei. Sie sei vom Feststellungsbescheid nicht selbst betroffen und könne auch nicht für die betroffenen Gesellschafter handeln. Für die Streitjahre sei der verstorbene A vertretungsbefugt gewesen; nach seinem Tode müßten die verbliebenen Gesellschafter selbst auftreten.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Zu Unrecht hat die Vorinstanz den Aussetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Gewährung von Kohleprämie ist Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens; hierfür sind die Bestimmungen der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. Abgabenordnung (AO 1977) maßgebend (Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1974 I R 114/72, BFHE 111, 420, BStBl II 1974, 317). Ob den Mitunternehmern einer Personengesellschaft Investitionsprämie nach § 32 Abs. 1 KohleG für die von dieser Gesellschaft hergestellten oder angeschafften Anlagegüter zusteht, ist daher im Verfahren der Gewinnfeststellung zu entscheiden (BFHE 111, 420, BStBl II 1974, 317; Entscheidung vom 21. August 1974 I R 251/73, BFHE 114, 140, BStBl II 1975, 219). Hinsichtlich eines solchen Feststellungsbescheides ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Personengesellschaft klagebefugt. Sie wird hierbei von ihren vertretungsberechtigten Gesellschaftern vertreten. Diese Auslegung der in ihrem Wortlaut unklaren Gesetzesbestimmung entspricht ständiger Rechtsprechung (BFH-Entscheidungen vom 4. Mai 1972 IV 251/64, BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672; vom 18. Mai 1973 III R 73-75/72, BFHE 109, 373, BStBl II 1973, 676; vom 13. März 1974 I R 39/72, BFHE 112, 20, BStBl II 1974, 436). Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß der Personengesellschaft im Besteuerungsverfahren eigene Rechte und Pflichten zukommen und daß sie als Verfahrensbeteiligte nur durch ihre vertretungsberechtigten Mitglieder tätig werden kann.
Die Vertretungsbefugnis muß bei Vornahme der einzelnen Verfahrenshandlungen gegeben sein, in den Fällen der Klageerhebung und des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung also im Zeitpunkt dieser Prozeßhandlungen. Diesem Erfordernis ist im Streitfall genügt, weil die nach den §§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1, 170 HGB zur Vertretung befugte Komplementär-GmbH den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als Geschäftsführerin der KG, mithin in ihrem Namen, gestellt hat. Daß in den Streitjahren 1970 und 1971 die Vertretungsverhältnisse noch anders geregelt waren und die GmbH noch nicht Gesellschafterin war, ist unerheblich. Für die Vertretungsbefugnis im anhängigen Aussetzungsverfahren sind die gegenwärtigen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse maßgebend. Ein früher vertretungsbefugter Gesellschafter kann nicht mehr wirksam für die Gesellschaft handeln.
Auch das Ausscheiden und der Eintritt von Gesellschaftern hat auf den Fortbestand der Personengesellschaft als Verfahrensbeteiligte keinen Einfluß. Bei Veränderungen im Gesellschafterbestand besteht die bisherige Gesellschaft fort (so BFH-Entscheidung vom 7. Juni 1978 II R 112/71, BFHE 125, 395, BStBl II 1978, 605, bei Auswechselung sämtlicher Gesellschafter). In diesem Falle kann nicht etwa die Aufeinanderfolge mehrerer Personengesellschaften angenommen werden. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß nach wiederholter Entscheidung die Klagebefugnis der Gesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter besteht (BFHE 105, 449, BStBl II 1972, 672; BFH-Beschluß vom 28. November 1973 IV B 33/73, BFHE 110, 506, BStBl II 1974, 220). Damit wird lediglich das Klagerecht der fortbestehenden Gesellschaft eingeschränkt. Folgerungen für die Vertretungsbefugnis innerhalb dieser Gesellschaft lassen sich daraus nicht ziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 73300 |
BStBl II 1980, 329 |
BFHE 1980, 5 |