Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge und außerordentliche Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Auslegung von Rechtsmitteln (§ 133a FGO vs. außerordentliche Beschwerde) bei Rechtsanwendungsrügen.

2. Eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeiten ist nicht statthaft.

 

Normenkette

FGO § 86 Abs. 3 S. 1, § 133a

 

Tatbestand

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) verfolgen mit Anträgen vor dem Finanzgericht (FG) und dem Bundesfinanzhof (BFH) unter Hinweis auf § 86 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Ziel, eine ihnen von der zuständigen Verwaltungsbehörde nicht erteilte Bescheinigung nach § 7h des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erhalten. Die gegen den ablehnenden Beschluss des FG eingelegte Beschwerde hat der BFH mit Beschluss vom 26. Juni 2006 als unbegründet zurückgewiesen; zugleich hat er den an ihn gerichteten Antrag abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit einer "wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit erhobenen außerordentlichen Beschwerde zwecks Abhilfe im Sinne der neu gefassten und neu eingefügten Vorschrift des § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO". Sie führen zur Begründung aus, eine außerordentliche Beschwerde komme "zwar nur noch nach Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO in Betracht, um geltend zu machen, dass eine mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbare Entscheidung … auf einer bewussten und (oder) objektiv greifbar gesetzeswidrigen Anwendung von Prozessrecht beruht". Als greifbar gesetzeswidrig in diesem Sinne betrachten sie "eine Entscheidung, die jeglicher Grundlage entbehrt", was dann gegeben sei, "wenn die Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, welche durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte und deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint". Die bewusst und objektiv greifbare gesetzeswidrige Anwendung des Prozessrechts durch den angerufenen Senat sehen sie "in dem Unterlassen der verfassungsrechtlich zwingenden weiteren Subsumtion unter der Vorschrift des § 30 AO". Zugleich stellen sie erneut den "Antrag auf eine Feststellungsbeschlussfassung ohne mündliche Verhandlung gemäß der neugefassten Vorschrift des § 86 Abs. 1 Satz 1 FGO durch den Bundesfinanzhof".

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Der Schriftsatz der Antragsteller vom 22. August 2006 ist entsprechend seiner ausdrücklichen Bezeichnung als außerordentliche Beschwerde und nicht als Anhörungsrüge i.S. des § 133a FGO zu verstehen. Wie die Ausführungen der Antragsteller zur Begründung ihrer außerordentlichen Beschwerde zeigen, sehen sie den angefochtenen Beschluss des angerufenen Senats deshalb als greifbar gesetzeswidrig an, weil der Senat seine ablehnende Entscheidung getroffen habe, ohne auf § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) einzugehen. Dagegen enthält der Schriftsatz keinerlei Ausführungen, die als Rüge i.S. des § 133a FGO verstanden werden könnten.

2. Die außerordentliche Beschwerde ist unstatthaft und als unzulässig zu verwerfen.

Seit Einführung des § 133a FGO durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ist die außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeit als außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf nicht mehr statthaft (einhellige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188, und vom 22. Juni 2006 IX B 108/06, BFH/NV 2006, 1696).

3. Der erneut gestellte Antrag nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO ist unzulässig; denn darüber hat der Senat bereits durch seinen Beschluss vom 26. Juni 2006 bestandskräftig entschieden.

4. Die Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 4 FGO kommt entgegen dem Begehren der Antragsteller nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1681584

BFH/NV 2007, 472

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