Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird hinter einem zugelassenen und versteuerten Kraftfahrzeug ein betriebsunfähiges oder ein betriebsfähiges anderes Kraftfahrzeug ohne rotes Kennzeichen mitgeführt, so stellt dies die widerrechtliche Benutzung eines Kraftfahrzeuganhängers dar, es sei denn, daß es sich um ein Fahrzeug handelt, das im Sinn des § 18 Abs. 1 StVZO abgeschleppt wird.
Normenkette
KraftStG § 1/1/3, § 1/1/1, § 13/5
Tatbestand
Der Schrott- und Altwarenhändler X. (im folgenden Beschuldigter genannt) führte am 19. Juni 1959 hinter seinem für ihn zugelassenen und von ihm versteuerten Personenkraftwagen einen anderen nicht mehr gebrauchsfähigen und zum Verschrotten bestimmten Personenkraftwagen mit, um ihn von A. nach B. zu verbringen. Das mitgeführte Fahrzeug, dessen Motor bereits ausgebaut war, war weder zugelassen und versteuert, noch war es mit einem roten Probe- und überführungskennzeichen versehen.
Das Finanzamt erblickte in dem Mitführen dieses Fahrzeugs hinter einem Personenkraftwagen auf öffentlichen Straßen die widerrechtliche Benutzung eines Kraftfahrzeuganhängers im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1955 in der Fassung des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 des Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23. Juli 1958 (BGBl I S. 540) und setzte hierfür eine Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum eines Monats unter Zugrundelegung des um das Gewicht des Motors verminderten "Gesamtgewichts" des mitgeführten Fahrzeugs (1080 kg ./. 200 kg 880 kg) in Höhe von 9 DM fest. Der Beschuldigte legte gegen den mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Steuerbescheid vom 3. September 1959 kein Rechtsmittel ein; der Steuerbescheid ist damit unanfechtbar geworden.
Das Amtsgericht hatte zunächst auf Grund des vorstehenden Sachverhalts den Beschuldigten unter anderem wegen Vergehens der Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf die Revision des Beschuldigten wurde das Urteil samt den zugrunde liegenden Feststellungen vom Bayerischen Obersten Landesgericht aufgehoben, unter anderem mit der Begründung, daß nach seiner Meinung ein nicht mehr betriebsfähiger, zur Ausschlachtung und Verschrottung bestimmter Personenkraftwagen kein Kraftfahrzeuganhänger im Sinn der vorgenannten Vorschrift und damit dessen überführung kein der Kraftfahrzeugsteuer unterliegender Vorgang sei. Das Amtsgericht schloß sich dieser Entscheidung an. Es erließ am 5. Oktober 1960 den Beschluß, die Strafsache gemäß § 468 Abs. 1 Satz 4 AO dem Bundesfinanzhof zur Entscheidung über die Frage vorzulegen, ob durch das Verhalten des Beschuldigten ein Steueranspruch verkürzt worden sei. In dem Beschluß brachte es zum Ausdruck, daß es im Fall des Vorliegens der Steuerpflicht eine fahrlässige Steuerverkürzung als gegeben ansehen würde.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat zu Recht das vom Beschuldigten mitgeführte Fahrzeug als Kraftfahrzeuganhänger im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 KraftStG 1955 in der am 30. Juli 1958 in Kraft getretenen Fassung des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 des Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23. Juli 1958 angesehen. Während vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift, also vor dem Außerkrafttreten der Durchführungsverordnung zum Kontrollratgesetz Nr. 14 zur änderung der Kraftfahrzeugsteuergesetze nach seiner änderung durch das Kontrollratgesetz Nr. 51 (KraftStDVO) - in Bayern die Durchführungsverordnung zum Kontrollratgesetz Nr. 14 (Kraftfahrzeugsteuer) nach seiner änderung durch das Kontrollratgesetz Nr. 51 vom 24. Juni 1947 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 167) - das geltende Kraftfahrzeugsteuerrecht eine Begriffsbestimmung für den Anhänger enthielt, die übrigens bei ihrer Schaffung der damals geltenden verkehrsrechtlichen Begriffsbestimmung (ß 18 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - 1937) wörtlich entsprach, enthält das ab 30. Juli 1958 geltende Kraftfahrzeugsteuerrecht keine Begriffsbestimmung für den Anhänger mehr. Wenn der Gesetzgeber zum Unterschied von vordem davon abgesehen hat, wiederum den Begriff für den Kraftfahrzeuganhänger steuerlich festzulegen, dann muß bei dieser eindeutigen Regelung davon ausgegangen werden, daß er an dem vordem festgelegt gewesenen steuerlichen Begriff nicht mehr festhalten wollte; denn angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen änderung des verkehrsrechtlichen Begriffs für den Anhänger durch die "Verordnung zur änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und der Straßenverkehrs-Ordnung" vom 24. August 1953 (BGBl 1953 I S. 1131, 1133) hätte es nicht nur nahegelegen, sondern wäre auch notwendig gewesen, in die Neufassung des § 1 KraftStG 1955 eine abweichend von dem Verkehrsrecht gewollte steuerrechtliche Begriffsbestimmung für den Kraftfahrzeuganhänger aufzunehmen. Gegenüber dieser Erwägung könnte der Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 110), auf die sich der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts in seinem Urteil vom 18. August 1960 für seine gegenteilige Auffassung bezieht, auch dann keine Bedeutung beigemessen werden, wenn im Gegensatz zur Meinung des erkennenden Senats der Begründung in der Tat eindeutig zu entnehmen wäre, was das genannte Urteil ihr in bezug auf den Anhängerbegriff als den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprechend entnehmen zu können glaubt. Allerdings hat das Kraftfahrzeugsteuerrecht einzelne Begriffe festgelegt, so im § 1 der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz i. d. F. vom 12. Juli 1955 (KraftStDV 1955) den Begriff des Kraftfahrzeugs (übrigens sachlich übereinstimmend mit dem verkehrsrechtlichen Begriff im § 1 Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes), ferner in den §§ 4 und 5 KraftStDV 1955 den Begriff für Zwei- und Dreiradkraftfahrzeuge und den Begriff für Lastkraftwagen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß der vor dem 30. Juli 1958 festgelegt gewesene steuerliche Begriff für den Kraftfahrzeuganhänger auch nach dem Wegfall dieser Begriffsbestimmung ohne weiteres im Steuerrecht weiter in Geltung bleiben sollte. Ist nun für den Kraftfahrzeuganhänger steuerrechtlich keine besondere Begriffsbestimmung mehr gegeben, dann gilt für den Kraftfahrzeuganhänger die verkehrsrechtliche Begriffsbestimmung. Dies ergibt sich daraus, daß das Steuerrecht ein Bestandteil der allgemeinen Rechtsordnung ist. So wie für Begriffe, die dem bürgerlichen Recht oder einem anderen Rechtsgebiet eigen sind, beim Fehlen einer besonderen steuerlichen Begriffsbestimmung auch steuerlich die Begriffsbestimmung des bürgerlichen Rechts bzw. desjenigen Rechtsgebiets, dem der Begriff entstammt oder eigen ist, gilt (vgl. z. B. für das Versicherungsteuerrecht das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 406/30 vom 16. Dezember 1930, RStBl 1931 S. 142 = Slg. Bd. 27 S. 292, 294), so muß auch für den dem Verkehrsrecht eigenen Begriff des Kraftfahrzeuganhängers beim Fehlen einer besonderen steuerlichen Begriffsbestimmung die entsprechende Begriffsbestimmung des Verkehrsrechts gelten. Es kann also nicht darauf ankommen, was etwa nach dem Sprachgebrauch unter einem Kraftfahrzeuganhänger zu verstehen wäre. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG 1955, wonach bei Anhängern Steuerberechnungsgrundlage das verkehrsrechtlich höchstzulässige Gesamtgewicht ist, spricht nicht gegen die Auffassung des Senats; abgesehen davon, daß für jedes Kraftfahrzeug und für jeden Kraftfahrzeuganhänger ein verkehrsrechtlich höchstzulässiges Gesamtgewicht festgelegt ist (ß 34 StVZO), kommt es bei der Kraftfahrzeugsteuer, wenn die Steuerpflicht als solche gegeben ist, nicht auf den Umfang und die Art der tatsächlichen Benutzung des Fahrzeugs an. Im übrigen stellt sich die Kraftfahrzeugsteuer zwar nicht rechtlich, wohl aber sachlich als Entgelt für die Be- und Abnutzung öffentlicher Straßen durch Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger dar. Von diesem Standpunkt aus gesehen würde kein innerer Grund dafür vorliegen, von den hinter einem Kraftfahrzeug mitgeführten Fahrzeugen lediglich die nach ihrer Bauart zum Mitführen hinter Kraftfahrzeugen bestimmten Fahrzeuge als Kraftfahrzeuganhänger der Besteuerung zu unterwerfen, solange nicht eine ausdrückliche Vorschrift etwas anderes bestimmt.
Hiernach ist das vom Beschuldigten hinter seinem Personenkraftwagen zum Zweck der überführung von A. nach B. mitgeführte Fahrzeug dann ein Kraftfahrzeuganhänger im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG 1955 n. F., wenn dieses Fahrzeug verkehrsrechtlich als Anhänger galt. Dies ist der Fall. Nach § 18 Abs. 1 StVZO sind Anhänger "hinter Kraftfahrzeugen mitgeführte Fahrzeuge mit Ausnahme von betriebsunfähigen Fahrzeugen, die abgeschleppt werden, und Abschleppachsen". Wie dieser Wortlaut besagt, ist - abgesehen von den ausdrücklich genannten Ausnahmen - jedes hinter einem Kraftfahrzeug mitgeführte Fahrzeug ohne Rücksicht auf seine Bauart und Bestimmung ein Anhänger. Maßgebend ist nicht, ob ein Fahrzeug bestimmt oder auch nur geeignet ist, an ein Kraftfahrzeug angehängt zu werden, sondern in welcher Weise es tatsächlich am Verkehr teilnimmt. Anhänger kann demnach auch sowohl ein betriebsfähiges Kraftfahrzeug als auch ein betriebsunfähiges Kraftfahrzeug sein, das hinter einem Kraftfahrzeug mitgeführt wird. Soweit bei Müller, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., 1959, Zweiter Teil: Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, § 18 Anm. 2 und Anm. 3 c (S. 549, 550) oder bei Floegel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, 11. Aufl., Abschn. 2 StVZO, § 18 Anm. 3 Buchst. a (S. 685) die gegenteilige Auffassung vertreten wird, kann ihr nicht gefolgt werden. Voraussetzung ist allerdings, daß es sich bei dem mitgeführten Kraftfahrzeug nicht um eine Abschleppfahrt handelt. Der Senat trägt keine Bedenken, im Streitfall die Fahrt des Fahrzeugs von A. nach B. als reine überführungsfahrt und nicht als eine Abschleppfahrt, deren verkehrsrechtlichen Begünstigung der Notbehelfsgedanke zugrunde liegt, anzusehen. Eine Abschleppfahrt ist gegeben, wenn ein fahrunfähig gewordenes Fahrzeug auf der Strecke liegengeblieben ist und aus dem Verkehr gezogen wird oder wenn es zu einer Reparaturwerkstätte verbracht werden soll, wobei die nächste geeignete Werkstätte aufgesucht werden müßte. Auf das Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 340/53 vom 17. November 1955 (Verkehrsrechtssammlung Bd. 10 S. 27, 31, 32), auf die Urteile des Bayerischen Obersten Landesgerichts 2 St 915/55 vom 7. August 1956 (Verkehrsrechtssammlung Bd. 11 S. 308, 309) und 1 St 148/58 vom 18. Juni 1958 (Verkehrsrechtssammlung Bd. 15 S. 473, 475, 476), ferner auf die Urteile des Oberlandesgerichts Celle 2 Ss 422/56 vom 29. Januar 1957 (Verkehrsrechtssammlung Bd. 12 S. 228) und 1 Ss 262/58 vom 15. September 1958 (Verkehrsrechtssammlung Bd. 16 S. 312, 315) wird Bezug genommen.
Da das Fahrzeug nicht mit einem roten Kennzeichen für Probe- und überführungsfahrten versehen war, war die Benutzung eine widerrechtliche. Die Steuerfestsetzung des Finanzamts besteht daher dem Grunde nach zu Recht.
Fundstellen
Haufe-Index 409915 |
BStBl III 1961, 83 |
BFHE 1961, 221 |
BFHE 72, 221 |