Entscheidungsstichwort (Thema)
Unschlüssige Beweisanträge wegen streitiger Berufskleidung
Leitsatz (NV)
- Die unter Beweis gestellte Eigenschaft eines Lieferanten als "Spezialanbieter von Berufskleidung" ist für sich allein nicht geeignet festzustellen, ob die von ihm an den Kläger, einen Fuhrunternehmer, gelieferten Pilotenjacken und Fellwesten im Rahmen des Möglichen und Üblichen auch als bürgerliche Kleidung genutzt werden können; ebenso ist für diese ‐ nach objektiven Kriterien zu bestimmende ‐ Nutzbarkeit ohne Bedeutung, ob diese Textilien auch von anderen Händlern angeboten werden.
- Der pauschale Vortrag, aufgrund Begutachtung der "plumpen und groben" Kleidungsstücke hätte deren fehlende Eignung als Freizeitkleidung festgestellt werden können, enthält keine hinreichende Konkretisierung der in einer Beweisaufnahme ermittelbaren Tatsachen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 4 Abs. 4, § 12
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemachten Verfahrensmangel, das Finanzgericht (FG) habe entscheidungserhebliche Beweisanträge übergangen, nicht schlüssig vorgetragen haben.
Schlüssig ist die Rüge eines Verfahrensmangels nur, wenn die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, mithin ―auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG― zumindest die Möglichkeit dargetan wird, dass das Gericht ohne den Rechtsverstoß zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 21. Dezember 1973 VI CB 177/73, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, § 34 WpflG Nr. 29). Danach ist die Rüge, das Gericht habe einen Beweisantrag übergangen, nur zulässig, wenn der Kläger darlegt, was das Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489) und weshalb die Vorentscheidung auf dem Fehlen dieses Beweisergebnisses beruhen könne (BFH-Urteil vom 14. Januar 1981 I R 133/79, BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443; Beschluss des Senats vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238).
Diesen Anforderungen genügen die im Streitfall erhobenen Verfahrensrügen nicht.
Soweit die Kläger geltend machen, sie hätten mit der Klagebegründung den Beweisantrag gestellt, durch "Vorlage der Rechnungen der Firma A vom 23.9.1994 und 28.11.1994 sowie eines Firmenprospekts" nachzuweisen, dass die Firma ein Spezialanbieter von Berufskleidung sei, bei dem Freizeitkleidung nicht erworben werden könne, ist das Übergehen eines Beweisantrags nicht schlüssig gerügt, weil die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen schon als solche ―also unabhängig von ihrer Beweisbarkeit― nicht ausreichen oder nicht geeignet sind darzutun, dass der behauptete Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (BFH-Beschluss vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384; BFH-Urteile vom 8. November 1973 V R 130/69, BFHE 110, 493, BStBl II 1974, 219; vom 10. Mai 1990 V R 17/85, BFH/NV 1991, 201).
Die mit der Klagebegründung unter Beweis gestellte Eigenschaft des Lieferanten als "Spezialanbieter von Berufskleidung" ist nämlich für sich allein nicht geeignet festzustellen, ob die Nutzung der von dem Lieferanten gelieferten Kleidung als bürgerlicher Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt. Denn nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG, auf die es für die Beurteilung der Erheblichkeit eines Beweisantrags allein ankommt (BFH-Urteile in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; in BFH/NV 1991, 201), sind die streitigen (Bekleidungs-)Aufwendungen nach Maßgabe des § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den steuerunerheblichen Lebenshaltungskosten ―ungeachtet einer eventuellen Spezialisierung des Lieferanten auf Berufskleidung― allein im Hinblick auf ihre objektive Eignung als bürgerliche Kleidung zuzuordnen (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1990 IV R 65/90, BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348; vom 19. Januar 1996 VI R 73/94, BFHE 179, 403, BStBl II 1996, 202); diese Eignung hat das FG anhand der ihm vorliegenden Bilder des Firmenprospekts bejaht.
Sonstige durch Vorlage der Rechnungen oder des Firmenprospekts festzustellende und die objektive Verwendbarkeit der Kleidungsstücke als bürgerliche Kleidung widerlegende Tatsachen haben die Kläger nicht vorgetragen.
Aus denselben Gründen muss auch die Rüge der Kläger erfolglos bleiben, das FG hätte bei der von ihnen beantragten Durchsicht von Katalogen der Firmen A, B und C festgestellt, dass Kleidungsstücke der streitigen Art im B- und C-Sortiment fehlten, und dies als Beweis für die Annahme typischer Berufskleidung angesehen.
Denn auch die durch diese Beweismittel nach Auffassung der Kläger unter Beweis zu stellende Tatsache "fehlendes Angebot von Kleidung der streitigen Art in den Katalogen der Firmen B und C" ist auf der Grundlage der ―maßgeblichen― materiell-rechtlichen Auffassung des FG für das angefochtene Urteil ersichtlich ohne Bedeutung, weil das FG seine Entscheidung ―im Einklang mit der ständigen BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 163, 134, BStBl II 1991, 348, und in BFHE 179, 403, BStBl II 1996, 202)― unter Auswertung des Firmenprospekts allein auf die objektive Eignung der Kleidungsstücke zur Verwendung als bürgerliche Kleidung gestützt hat und für diese Feststellung der Vertriebsweg der Kleidung unbeachtlich ist.
Die weitere Rüge, das FG habe seine Entscheidung ohne die ―beantragte― vorherige "Vorlage der Originaljacken und der Originalweste" getroffen, betrifft ebenfalls keine zulässige Verfahrensrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Insoweit fehlt es schon an einer hinreichend schlüssigen Darlegung des vermutlichen Beweisergebnisses.
Als Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Kläger lediglich angegeben, dass das FG aufgrund Begutachtung der "plumpen und groben" Kleidungsstücke hätte erkennen können, dass diese von niemandem in der Freizeit getragen würden, da sie vollkommen auf Funktionstüchtigkeit als Berufskleidung abgestellt seien.
Aufgrund welcher Tatsachen sich diese Feststellung des FG hätte aufdrängen müssen, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen; die Darlegung solcher ―durch weitere Sachverhaltsaufklärung ermittelbarer― entscheidungserheblicher Tatsachen ist aber unverzichtbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Verfahrensrüge, Beweisanträge seien übergangen worden (Beschluss des Senats vom 27. August 1997 X B 184/95, BFH/NV 1998, 336; BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103; vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478). Denn nur bei Bezeichnung solcher konkretisierten Tatsachen kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft werden, ob die Beschwerdeführer schlüssig vorgetragen haben, die angefochtene Entscheidung könne auf dem Fehlen dieses vermutlichen Beweisergebnisses beruhen (BFH-Urteil in BFHE 132, 508, BStBl II 1981, 443; Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 238). Dies gilt für den Streitfall insbesondere angesichts des Umstandes, dass Pilotenjacken und Fellwesten zumindest ihrer Art nach zur nicht unüblichen Freizeitkleidung gehören.
Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 425590 |
BFH/NV 2000, 1082 |