Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung in einem dem Ehegatten eines Landwirts gehörenden Einfamilienhaus
Leitsatz (NV)
1. Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus ist grundsätzlich nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG durch Gegenüberstellung des Rohmietwerts und der Werbungskosten zu ermitteln. Die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung nach § 21 a EStG findet nur Anwendung, wenn das selbstgenutzte Wohngebäude in dem den Grundlagenbescheid bildenden Einheitswertbescheid als Einfamilienhaus bewertet worden ist.
2. Auf die Artfeststellung des Grundstücks als Einfamilienhaus kann nicht ausnahmsweise deswegen verzichtet werden, weil das Grundstück bei der Einheitswertfeststellung nach § 26 Nr. 1 BewG zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Ehegatten des Eigentümers gerechnet worden ist.
3. Es kann bei der Einkommenbesteuerung dahinstehen, ob § 26 Nr. 1 BewG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet; diese müssen im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Einheitswertbescheid für den landwirtschaftlichen Betrieb des Ehegatten geprüft werden.
4. Führen die einkommensteuerrechtlichen Folgerungen aus der Bewertung des Grundstücks als Teil des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens im Einzelfall zu einer Benachteiligung des Ehegatten und Eigentümers des Einfamilienhauses, so begründet dies noch keinen Verstoß gegen Art. 3 und Art. 6 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 3, 6 Abs. 1; BewG § 26 Nr. 1; EStG § 21 Abs. 2 Alt. 1, § 21a
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, dessen Gewinn er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Auf Grund Vertrags vom 19. September 1973 schenkte er seiner Ehefrau, der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), ein bis dahin zu seinem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörendes 4 072 qm großes Grundstück, auf dem ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 350 qm und eine Schwimmhalle mit einer Fläche von 97 qm errichtet wurde. Die Herstellungskosten betrugen insgesamt 602 759 DM. Die Antragsteller bezogen dieses Gebäude im Jahre 1975 als ihre gemeinsame Wohnung. In dem Einheitswertbescheid für den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers auf den 1. Januar 1976 rechnete der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA - ) das Wohngebäude zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Antragstellers. Dieser hat den Einheitswertbescheid angefochten.
Das FA bemaß für die Streitjahre 1978 bis 1984 den Nutzungswert der Wohnung im Einfamilienhaus der Antragstellerin gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG in Anlehnung an die Kostenmiete. Die von der Antragstellerin begehrte Anwendung des § 21 a EStG lehnte es mangels der Bewertung des Grundstücks als Einfamilienhaus bei der Einheitsbewertung ab. Die hiergegen gerichtete Klage der Antragsteller ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.
Nach einem erfolglosen Antrag beim FA beantragten die Antragsteller beim FG, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1984 insoweit auszusetzen, als das FA den Nutzungswert der Wohnung im Einfamilienhaus der Antragstellerin nicht nach § 21 a, sondern nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG ermittelt hat.
Das FG gab ihrem Antrag mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 357 veröffentlichten Beschluß statt. Von dem Grundsatz, daß die Einheitswertfeststellung als Einfamilienhaus die Grundlage für die Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nach § 21 a EStG bilde, müsse im vorliegenden Fall aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Ausnahme gemacht werden. Nur auf diese Weise lasse sich bei der Einkommensbesteuerung eine Benachteiligung der Antragstellerin infolge einer Zurechnung ihres Einfamilienhauses zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Antragstellers auf Grund des § 26 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) vermeiden. Die Antragstellerin habe im Hinblick auf § 26 Nr. 1 BewG im Einheitswertverfahren keine Aussicht, eine Bewertung ihres Grundstücks als Einfamilienhaus zu erreichen.
Das FA macht mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde geltend, der angefochtene Beschluß sei mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbar, nach der die Einheitswertfeststellung als Einfamilienhaus Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 21 a EStG sei. Die Zusammenrechnung von Wirtschaftsgütern von Eheleuten nach § 26 Nr. 1 BewG müsse sich nicht in jedem Falle nachteilig auswirken. Die dadurch bedingte Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Hause nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG begünstige Steuerpflichtige, die ihr Haus vorwiegend mit Fremdmitteln errichtet hätten; demgegenüber sei für die Antragstellerin eine Anwendung des § 21 a EStG nur deswegen vorzuziehen, weil für den Bau ihres Einfamilienhauses überwiegend Eigenmittel verwendet worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG und zur Ablehnung des Antrages der Antragsteller auf teilweise Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1984. Bei der im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen summarischen Prüfung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide in bezug auf die vom FA vorgenommene Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Hause der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG in Anlehnung an die Kostenmiete. Einer Pauschalierung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung nach § 21 a EStG, wie sie die Antragsteller begehren, steht die fehlende Einheitswertfeststellung des Grundstücks als Einfamilienhaus entgegen.
1. Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Hause ist grundsätzlich nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG durch Gegenüberstellung des Rohmietwerts und der Werbungskosten zu ermitteln. Die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus nach § 21 a EStG findet nur Anwendung, wenn das eigengenutzte Wohngebäude in dem maßgeblichen Einheitswertbescheid als Einfamilienhaus bewertet worden ist. Der Einheitswertbescheid ist mit seiner Artfeststellung als Einfamilienhaus nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats als Grundlagenbescheid für die Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 a EStG bindend (Urteile vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210, und vom 13. Januar 1987 IX R 63/82, BFH / NV 1987, 570).
2. Auf die Artfeststellung des Grundstücks als Einfamilienhaus kann auch nicht ausnahmsweise deswegen verzichtet werden, weil das Grundstück der Antragstellerin bei der Einheitswertfeststellung gemäß § 26 Nr. 1 BewG zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Antragstellers gerechnet worden ist.
Es kann für die Prüfung ernstlicher Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerveranlagungen der Antragsteller im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung dahinstehen, ob § 26 Nr. 1 BewG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Diese Frage hat der Bundesfinanzhof - BFH- in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 24. Oktober 1958 III 153/58 S, BFHE 68, 1, BStBl III 1959, 2; vom 29. Oktober 1973 III R 40/73, BFHE 111, 158, BStBl II 1974, 79; vgl. auch Gürsching / Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 26 BewG, Anm. 12) verneint, weil die Einheitsbewertung als solche Eheleute nicht benachteilige. Sich hieraus ergebende ertragsteuerliche Mehrbelastungen richteten sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen.
Etwaige Einwendungen gegen die vorstehende Rechtsprechung werden im Rahmen der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Einheitswertbescheid für seinen landwirtschaftlichen Betrieb zu prüfen sein. Hingegen geht es bei der hier zu beurteilenden Rechtmäßigkeit der Einkommensbesteuerung der Antragstellerin allein darum, welche einkommensteuerrechtlichen Folgerungen aus der Erfassung ihres Einfamilienhausgrundstücks beim Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers zu ziehen sind.
Der erkennende Senat verkennt nicht, daß die Antragstellerin einkommensteuerrechtlich dadurch benachteiligt wird, daß ihr die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung nach § 21 a EStG mangels einer Einheitswertfeststellung des Grundstücks als Einfamilienhaus verwehrt wird. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, eine Ausnahme von dem Grundsatz zuzulassen, daß eine Einheitsbewertung des Grundstücks als Einfamilienhaus eine Tatbestandsvoraussetzung für die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung von Einfamilienhäusern nach § 21 a EStG bildet. Denn es fehlt an der nach § 21 a EStG erforderlichen Bemessungsgrundlage für die Pauschalierung des Nutzungswerts, wenn das Gebäude nicht als Einfamilienhaus im Einheitswertverfahren bewertet wurde.
Diese Auslegung des § 21 a EStG durch den erkennenden Senat steht auch nicht im Widerspruch zu dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung. Die Benachteiligung der Antragstellerin führt nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Diese Vorschriften verbieten es, Eheleute im Vergleich zu Ledigen allein deswegen steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Eine Diskriminierung auf Grund der Ehe muß jedoch verneint werden, wenn eine im übrigen verfassungsrechtlich unbedenkliche Norm als bloße Nebenfolge sich für Verheiratete nachteilig auswirkt (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 341). Härtefällen kann durch eine Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) Rechnung getragen werden (BVerfG-Beschluß vom 13. Oktober 1971 1 BvL 10/69, BVerfGE 32, 78, 86).
Die für die Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus maßgeblichen § 21 Abs. 2 Alternative 1 und § 21 a EStG sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich. Das im Einzelfall verhältnismäßig ungünstige Ergebnis der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG hat nicht allein seine Ursache in ihrem Verheiratetsein. Es wird dadurch wesentlich mitbestimmt, daß ihr Haus nach den vom FG festgestellten Umständen besonders aufwendig gestaltet und ausgestattet ist, so daß eine Schätzung des Nutzungswerts an Hand der Kostenmiete in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 7/79, BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394). Außerdem ist das ungünstige Ergebnis auch dadurch bedingt, daß das Einfamilienhaus der Antragstellerin vorwiegend mit eigenen finanziellen Mitteln errichtet worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 415675 |
BFH/NV 1988, 707 |