Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Rechtsmittelschrift

 

Leitsatz (NV)

1. Revision und Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision können gleichzeitig eingelegt werden.

2. Ist ein Rechtsmittel als Revision eingelegt, kann ein späteres Schreiben nicht dazu führen, daß die Revision als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln ist.

 

Normenkette

FGO §§ 115-116, 125; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) abgewiesen. Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen.

Mit Schreiben vom 30. September 1985 - eingegangen beim FG am gleichen Tag - führten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers folgendes aus:

,,Namens und in Vollmacht des Klägers erheben wir Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Aktenzeichen . . . vom . . ., zugestellt am . . .

Gleichzeitig legen wir Revision ein. Nach erfolgter Zulassung der Revision ist über folgende Anträge zu entscheiden:"

Mit Schreiben vom 10. August 1987 wiesen die Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf folgendes hin: Es sei Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Soweit erklärt worden sei, daß gleichzeitig Revision eingelegt würde, ergebe sich aus dem weiteren Satz, daß der erste Satz nur unter dem Gesichtspunkt gelte, daß über die Nichtzulassungsbeschwerde positiv entschieden werde. Der Schriftsatz stelle daher eine Ankündigung der einzulegenden Revision und der dann zu stellenden Anträge dar. Im Ergebnis habe der Antragsteller deshalb nur eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen wollen und nicht zusätzlich eine bedingte Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der zur Zeit der Revisionseinlegung maßgebenden Fassung (BFHEntlG) findet die Revision - abgesehen von den Fällen des § 116 FGO - nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat.

Die Revision wurde vom FG nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist durch Beschluß des Senats vom heutigen Tag VIII B 75/85 als unbegründet zurückgewiesen worden.

Die Voraussetzungen des § 116 FGO, wonach die Revision zulässig ist, wenn bestimmte Verfahrensmängel gerügt werden, sind nicht gegeben.

Der Kläger hat mit dem Schreiben vom 30 September 1985 Revision eingelegt, denn er hat dort ausgeführt: ,,Gleichzeitig legen wir Revision ein". Aus dem Wort ,,Gleichzeitig" ergibt sich, daß es sich nicht um die Ankündigung einer Revisionseinlegung handelt, sondern bereits um die Revisionseinlegung.

Revision und Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision können gleichzeitig eingelegt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Juni 1971 III R 68/69, BFHE 103, 42, BStBl II 1971, 739; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz. 54, § 120 Rz. 7). Eine Einlegung beider Rechtsmittel kann unter bestimmten Voraussetzungen geboten sein, z. B. weil nicht eindeutig ist, ob die Voraussetzungen des § 116 FGO gegeben sind oder nicht.

Das Schreiben vom 10. August 1987, in dem ausgeführt wurde, daß nur Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden sei, kann die mit Schreiben vom 30. September 1985 bewirkte Prozeßhandlung nicht ungeschehen machen. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Schreibens vom 30. September 1985 kann das spätere Schreiben auch nicht zu einer anderen Auslegung des Schreibens vom 30. September 1985 führen.

Das Schreiben vom 10. August 1987 kann nicht als Rücknahme der Revision gewertet werden, denn ein derartiger Wille kommt in diesem Schreiben nicht zum Ausdruck. Die Zurücknahme der Revision bewirkt den Verlust des eingelegten Rechtsmittels (§ 125 Abs. 2 FGO), setzt die Einlegung einer Revision also voraus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423946

BFH/NV 1988, 385

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