Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von nachträglich vorgebrachten Gründen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzungsgründe müssen innerhalb der Antragsfrist im einzelnen vorgetragen werden. Nach Ablauf der Antragsfrist nachträglich geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe sind grundsätzlich unbeachtlich.
Normenkette
AO 1977 § 110 Abs. 2 S. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Gegen die der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit einfachem Brief am 14. Juni 1992 übersandten Umsatzsteuerbescheide für 1989 und 1990 sowie die damit verbundenen Zinsbescheide wegen Umsatzsteuer 1989 und 1990 legte ihr Vater in ihrem Namen mit Schreiben vom 25. Juni 1992 Einspruch ein, das jedoch erst am 30. Juli 1992 bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) einging. Auf die verspätete Einlegung des Einspruchs und die Möglichkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung wies das FA die Klägerin hin. Nachdem sich ein Steuerberater für die Klägerin gemeldet hatte, machte das FA diesen durch Schreiben vom 4. November 1992 darauf aufmerksam, daß Wiedereinsetzungsgründe bisher nicht vorgetragen worden seien. Nach mehrmaligen Erinnerungen des FA beantragte der Steuerberater der Klägerin mit Schreiben vom 15. März 1993 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist betreffend die Umsatzsteuerbescheide 1989 und 1990. Als Grund gab er an, daß sich die Klägerin im Ausland aufgehalten habe und jetzt wieder in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) sei. Das FA verwarf den Einspruch daraufhin als unzu lässig.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1989 und 1990 und die Zinsbescheide wegen Umsatzsteuer 1989 und 1990 als unbegründet ab, weil das FA den Einspruch gegen die angefochtenen Bescheide zu Recht als unzulässig verworfen habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines Aufenthalts der Klägerin von Mai bis Ende August 1992 im Ausland komme nicht in Betracht, weil sie nicht dafür gesorgt habe, daß sie etwa erforderliche Rechtshandlungen rechtzeitig habe vornehmen können. Sie habe auch nicht behauptet, im Ausland so schwer erkrankt gewesen zu sein, daß sie ihre Angelegenheiten nicht habe erledigen können. Aus einer von ihr kommentarlos erst im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung ergebe sich nur, daß sie im Ausland ärztlich behandelt worden sei.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und wegen eines Verfahrensfehlers durch mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts, auf der die Entscheidung beruhe. Das FG hätte aufklären müssen, weshalb sie, die Klägerin, nicht für die rechtzeitige Vornahme von Rechtshandlungen gesorgt habe, ob die bescheinigten gesundheitlichen Beschwerden nicht eine so schwere Erkrankung darstellten, daß sie dadurch an der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten gehindert gewesen sei, ob aus religiösen Gründen der wirkliche Umfang der Erkrankung nicht beschrieben worden sei und ob sie, die Klägerin, wegen ihres jugendlichen Alters über die erforderlichen Maßnahmen zur Anfechtung der Steuerbescheide nicht unterrichtet gewesen sei.
Eine entsprechende Aufklärung durch Vernehmung der Klägerin, ihrer Eltern und des ausländischen Arztes hätte ergeben, daß die Klägerin mit ihrer Mutter im Mai 1992 ins Ausland gereist sei, wegen der Erkrankung aber nicht wie geplant nach einer Woche, sondern erst später nach fünf Operationen und dem Ablauf von Zeiträumen, in denen sie bewegungsunfähig gewesen sei, in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei. Ihr Vater sei keine geeignete Kontaktperson gewesen, weil er mehrere Wochen beruflich auf Reisen gewesen sei und seinen Wohnsitz in X und nicht wie sie, die Klägerin, in Y gehabt habe. Es hätte sich auch ergeben, daß sie einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht geführt habe. Das FA hätte aufgrund der weitergehenden Sachaufklärung Wiedereinsetzung gewährt, weil die Einspruchsfrist schuldlos versäumt worden sei.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) kommt nur in Betracht, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Die Klägerin hat keine klärungsbedürftige Rechtsfrage bezeichnet.
b) Eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers, auf dem die Vorentscheidung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Ein für den Ausgang des Verfahrens erheblicher Verfahrensfehler des FG ist nicht vorhanden. Das FG brauchte die von der Klägerin bezeichneten Tatsachenbehauptungen nicht weiter aufzuklären, nach denen es ihr schuldlos nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig Einspruch einzulegen, so daß das FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist hätte gewähren müssen.
Wiedereinsetzungsgründe i. S. von § 110 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) müssen innerhalb der Antragsfrist im einzelnen vorgetragen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. September 1992 VIII R 26/91, BFH/NV 1993, 219 m. w. N.), sofern sie nicht offenkundig oder gerichtsbekannt sind (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681). Nach Ablauf der Antragsfrist nachgeschobene Wiedereinsetzungsgründe sind unbeachtlich. Es ist nur zulässig, unvollständige Angaben zu erläutern oder zu ergänzen (BFH-Urteil vom 24. August 1990 VI R 178/85, BFH/NV 1991, 140). Da die Klägerin im Einspruchsverfahren nach ihrer Rückkehr in die Bundesrepublik Ende August 1992 mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15. März 1993 -- somit verspätet -- lediglich einen Auslandsaufenthalt als Grund für die nicht fristgerechte Einspruchsentscheidung angegeben hatte, brauchte das FG die erst während des finanzgerichtlichen Verfahrens geltend gemachte, aber nicht näher erläuterte Erkrankung nicht weiter aufzuklären. Das gilt auch für das übrige Vorbringen der Klägerin.
Fundstellen