Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbegünstigte Verwendung von Heizöl zur Stromerzeugung in „ortsfesten Anlagen“
Leitsatz (amtlich)
Eine Stromerzeugungsanlage, die lediglich mit ihrem bloßen Gewicht auf dem Boden aufliegt, sei es unmittelbar oder mittelbar unter Dazwischenlegen anderer Gegenstände, ist in der Regel nicht mit dem Boden fest verbunden und damit nicht ortsfest im Sinne des Mineralölsteuerrechts.
Normenkette
MinöStG 1993 § 3 Abs. 4 S. 1, § 32 Abs. 1; BGB §§ 93, 94 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zu Recht abgewiesen. Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass eine Stromerzeugungsanlage, die lediglich mit ihrem bloßen Gewicht auf dem Boden aufliegt, sei es unmittelbar oder mittelbar unter Dazwischenlegen anderer Gegenstände, i.S. des § 3 Abs. 4 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes i.d.F. von Art. 5 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 ―MinöStG 1993― (BGBl I, 2150, 2185) regelmäßig nicht mit dem Boden fest verbunden ist. Eine solche Anlage ist daher nicht ortsfest und darf nicht mit steuerbegünstigtem Heizöl betrieben werden. Obschon die Bestätigung des Urteils der Vorinstanz durch den Senat nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG keiner Begründung bedarf, hält er es für angezeigt, die maßgeblichen Gründe für diese Entscheidung offen zu legen und auf diese Weise die vom FG gegebene Begründung zu vertiefen.
a) Für die Auslegung des Ausdrucks "mit dem Boden fest verbunden" in § 3 Abs. 4 Satz 1 MinöStG 1993 ist ein Rückgriff auf § 94 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), wonach zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die "mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen" usw. gehören, nicht angezeigt. Die Vorschriften verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen, die nichts miteinander gemein haben, so dass schon aus diesem Grund ein normübergreifendes einheitliches Verständnis des Begriffs "mit dem Boden fest verbunden" nicht geboten ist.
Die §§ 93 ff. BGB sollen die rechtlichen Verhältnisse an Sachen klären und deren dingliche Zuordnung erleichtern, indem eine klare Trennung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen und folglich auch eine Abgrenzung zwischen der Anwendung des Mobiliar- und des Immobiliarsachenrechts gewährleistet werden soll. Für jede Sache, die sich auf einem Grundstück befindet, ist nach diesen Vorschriften zu entscheiden, ob die Sache in ihrem weiteren rechtlichen Schicksal endgültig als bewegliche oder unbewegliche Sache zu behandeln ist.
§ 3 Abs. 4 Satz 1 MinöStG 1993 verfolgt dagegen keinen solchen sachenrechtlichen Zuordnungszweck. Diese Vorschrift soll vielmehr gewährleisten, dass die zeitlich befristete Subvention, welche das Mineralölsteuerrecht bestimmten Arten der Stromerzeugung zubilligt, auf stationäre und daher im Wege der Steueraufsicht leichter überwachbare Anlagen beschränkt bleibt. Mobile Stromerzeugungsanlagen sollen von der Begünstigung ausgeschlossen werden, um Steuerausfälle zu vermeiden (vgl. Schrömbges, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern ―ZfZ― 1988, 152, 153, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzgebers anlässlich der Einbeziehung der mit Dieselkraftstoff betriebenen Verbrennungsmotoren zur Stromerzeugung in die Steuerbegünstigung der Regelung durch das 9. Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes vom 25. Juli 1978, BGBl I, 1105, 1400). Auch der Senat hatte in seinem Urteil vom 29. November 1994 VII R 97/93 (BFHE 176, 175) dieser Gesetzesbegründung (BTDrucks 8/1270, S. 3) entnommen, dass nur kleine Kraftwerke oder wenigstens kraftwerkähnliche Anlagen ―d.h. also stationäre Stromerzeugungsanlagen―, die auf Dauer der Stromversorgung einer Einrichtung zu dienen bestimmt sind, im Interesse einer rationellen Energienutzung von der Ausweitung der Begünstigung erfasst werden sollten. Damit dienen sowohl das stationär-temporale als auch das stationär-lokale Element in der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 4 Satz 1 MinöStG 1993 einer vernünftigen Begrenzung der gewährten Subvention. Von daher ist der Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamts ―HZA―) zu folgen, welches nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine enge Auslegung des Begriffs "mit dem Boden fest verbunden" im Sinne des Mineralölsteuerrechts für geboten hält.
b) Aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anwendung der §§ 93 ff. BGB und insbesondere des § 94 BGB in anderen Steuerrechtsgebieten ist für den Streitfall nichts herzuleiten. § 2 Abs. 1 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 verweist, wie im Übrigen auch die entsprechende Vorschrift des GrEStG 1997, hinsichtlich des Verständnisses des Begriffs "Grundstück" ausdrücklich auf den Grundstücksbegriff im Sinne des bürgerlichen Rechts. Daher muss die Rechtsprechung des BFH zum Grunderwerbsteuerrecht für die Abgrenzung eines der Steuer unterliegenden Grundstücks von den nicht der Steuer unterliegenden beweglichen Sachen zwangsläufig auch den § 94 BGB anwenden (s. etwa BFH-Urteil vom 4. Oktober 1978 II R 15/77, BFHE 126, 481, BStBl II 1979, 190). Im Investitionszulagenrecht besteht zwar keine ausdrückliche Verweisung auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts; die Rechtsprechung des BFH hatte sich bei der Auslegung des Schlüsselbegriffs "bewegliches Wirtschaftsgut" jedoch schon immer am Einkommensteuerrecht (§ 6 Abs. 2 und § 7 des Einkommensteuergesetzes) orientiert, das seinerseits auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zur Abgrenzung von Grundstücken und beweglichen Sachen (§§ 93 ff. BGB) unter Berücksichtigung des Bewertungsrechts zurückgreift (vgl. BFH-Urteile vom 24. November 1970 VI R 143/69, BFHE 100, 562, BStBl II 1971, 157; vom 16. Juni 1977 III R 76/75, BFHE 122, 385, BStBl II 1977, 590; vom 10. Juni 1988 III R 65/84, BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847; vom 6. August 1998 III R 28/97, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144, und zuletzt vom 28. Oktober 1999 III R 55/97, BStBl II 2000, 150, jeweils m.w.N.). Das Bewertungsrecht legt ohnehin einen eigenständigen Gebäudebegriff im Rahmen des § 68 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes zugrunde, der maßgeblich von der Verkehrsanschauung bestimmt ist (BFH-Urteile vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517; vom 25. März 1977 III R 5/75, BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594, und in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847, jeweils m.w.N.). In allen diesen Bereichen des Steuerrechts kommt es entscheidend auf die Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern an. Es ist daher einleuchtend, wenn bei dieser Abgrenzung die §§ 93 ff. BGB, die diese Funktion für das Zivilrecht erfüllen sollen, eine wichtige Rolle spielen. § 3 Abs. 4 MinöStG 1993 verfolgt demgegenüber, wie ausgeführt, einen ganz anderen Zweck. Es ist daher nicht zwingend geboten, den Begriff "ortsfeste Anlage" im Mineralölsteuerrecht unter Rückgriff auf die zivilrechtlichen Vorschriften über die Abgrenzung von Grundstücken und beweglichen Sachen näher zu bestimmen.
c) Damit ist der Weg für eine eigenständige, die Besonderheiten des Mineralölsteuerrechts berücksichtigende Auslegung des Merkmals "mit dem Boden fest verbunden" in § 3 Abs. 4 MinöStG 1993 offen. Im Rahmen dieser Auslegung darf über das augenscheinlich vom Gesetzgeber als für die Begrenzung der Subvention und die steuerliche Überwachung sehr wichtig angesehene stationäre Element der Vorschrift nicht einfach hinweggegangen werden. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern es, dass derjenige, der die Stromerzeugungsanlage errichtet und betreibt, durch bauliche Maßnahmen eine feste Verbindung der Anlage mit dem Boden herstellt und durch die Anbringung besonderer Vorrichtungen die Immobilität der Anlage gewährleistet, will er die damit verbundene Mineralölsteuerbegünstigung in Anspruch nehmen. Ein bloßes Abstellen der Anlage auf dem Erdboden, auf beweglichen Unterlagen oder in beweglichen Umschließungen, wie z.B. im Streitfall auf einem Anhänger und in einem Container, genügt in der Regel nicht.
Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Anlage ein erhebliches Eigengewicht (im Streitfall 3,5 t) aufweist und dadurch aus der Natur der Sache heraus in ihrer Mobilität eingeschränkt ist. Sicherlich lässt sich eine 3,5 t-Anlage nicht ganz einfach und nicht ohne Aufwand von ihrem Standort entfernen. Besteht jedoch, wie im Streitfall, die nicht völlig von der Hand zu weisende Möglichkeit, die Anlage ohne unverhältnismäßig großen Aufwand abzutransportieren, kann allein das Eigengewicht von 3,5 t die erforderliche Ortsfestigkeit der Anlage nicht begründen. Nach den Feststellungen des FG, die von der Klägerin nicht angegriffen worden sind, steht fest, dass die Stromerzeugungsanlage mittels eines einfachen Mobilkrans auf ein (anderes) Fahrzeug aufgeladen und wegtransportiert werden kann. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten ist darin kein unverhältnismäßig großer praktischer oder finanzieller Aufwand zu sehen. Zudem besteht nach dem von der Klägerin beim FG vorgelegten Gutachten auch die Möglichkeit, dass zwei Personen durch mehrere Stunden Arbeit den nicht fahrbereiten Anhänger wieder betriebsbereit machen und dadurch mittels eines Zugfahrzeugs das Wegziehen der Anlage auf dem Anhänger ermöglichen. Auch dies wäre kein unverhältnismäßig großer Aufwand, der es ausnahmsweise für angezeigt erscheinen ließe, die Anlage der Klägerin als mit dem Boden fest verbunden anzusehen und sie damit einer ortsfesten Anlage gleichzustellen. Wo diese Grenze liegt und ob es solche Fälle überhaupt gibt, in denen allein das Gewicht die Ortsfestigkeit einer Stromerzeugungsanlage begründen kann, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 510285 |
BFH/NV 2001, 287 |
BFHE 193, 242 |
BFHE 2001, 242 |
BB 2001, 1396 |
BB 2001, 34 |
DB 2001, 26 |
DStRE 2001, 422 |
HFR 2001, 267 |