Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortgeltung der Vorschriften des ZG, auf die das TrZG verweist; zur Entstehung von EUSt, wenn Waren von einem Hauptquartier abgabenbegünstigt beschafft und an einen deutschen Soldaten weitergegeben werden
Leitsatz (amtlich)
1. Der gemeinschaftsrechtliche ZK überlagert nicht die sondergesetzlichen Vorschriften des nationalen Truppenzollrechts. Die Vorschriften des ZG, auf die das TrZG verweist, gelten trotz Aufhebung des ZG als Truppenzollrecht fort.
2. Zur Frage der Abgabenschuldentstehung und der Abgabenschuldnerschaft, wenn Waren aus dem freien Verkehr der Bundesrepublik Deutschland von einem Hauptquartier abgabenbegünstigt beschafft und an einen deutschen Soldaten weitergegeben werden, der einer Dienststelle des Hauptquartiers zugeteilt ist, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Normenkette
ZK Art. 82, 244; EWGV 918/83 Art. 133 Abs. 1 Buchst. b; EWGRL 388/77 Art. 14 Abs. 1 Buchst. g, Art. 15 Abs. 1 Nr. 10; NATOHQAbk Art. 14 Abs. 2, Art. 16; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; NATOProtG Art. 4; TrZG §§ 1, 4; ZG §§ 55, 57 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (ZfZ 2000, 95) |
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist deutscher Berufssoldat und gehört zum Militärpersonal des NATO-Hauptquartiers AFCENT, das seinen Sitz in Brunsum/Niederlande hat. Der Antragsteller ist bei der Dienststelle des Hauptquartiers beschäftigt, die sich in Euskirchen, Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) befindet. Nach den Feststellungen des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Hauptzollamt ―HZA―) bezog der Antragsteller in den Jahren 1996 und 1997 folgende Waren umsatzsteuerfrei über seine Dienststelle: … Das HZA nahm den Antragsteller mit Steuerbescheid vom … 1999 wegen der sich auf die genannten Waren beziehenden Geschäftsvorfälle auf Zahlung der gesetzlichen Mehrwertsteuer (Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von 15 % = … DM in Anspruch. Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, den er jedoch nicht begründete. Mit einem weiteren Schreiben beantragte der Antragsteller ergänzend die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Steuerbescheids, die das HZA ablehnte.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf AdV gegen Sicherheitsleistung statt und setzte die Vollziehung des Steuerbescheides ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung über den Einspruch, längstens bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides aus. Es hielt den Antrag für zulässig, weil sich das Begehren aus dem Gesamtzusammenhang und aus den ausführlichen Darlegungen im AdV-Verfahren ergebe. Der Antrag sei auch begründet, weil begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerbescheides bestünden. Zwar sei infolge der in Rede stehenden Erwerbsgeschäfte des Antragstellers (wohl mit Ausnahme des Treibstofferwerbs) eine Eingangsabgabenschuld für Einfuhrumsatzsteuer entstanden. Zweifelhaft sei aber, ob diese in der Person des Antragstellers entstanden ist. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 2000, 95 veröffentlichten Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Beschwerde wendet sich das HZA gegen die Auffassung des FG, dass das Entstehen der Abgabenschuld nicht auf § 4 Abs. 1 des Truppenzollgesetzes (TruZG) vom 17. Januar 1963 (BGBl I, 51 mit späteren Änderungen) gestützt werden könne, solange diese Vorschrift nicht der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1) angepasst worden sei. Außerdem seien die Ausführungen des FG, wonach der Antragsteller als Mitglied der ausländischen Streitkräfte anzusehen sei, im Ergebnis ebenfalls unzutreffend.
Der Antragsteller führt aus, das FG habe überzeugend dargelegt, dass durch die Aufhebung des Zollgesetzes (ZG) vom 14. Juni 1961 durch das Zollrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2125) der vom HZA im Streitfall zu Grunde gelegte Status der Waren in der (nicht vorübergehenden) Zollgutverwendung entfallen sei. Die Waren hätten sich in der abgabenbegünstigten Verwendung nach Art. 82 ZK befunden. Der Antragsteller habe zu dem "einem Alliierten Hauptquartier zugeteilten Personal, das zu den Streitkräften einer Partei des Nordatlantikvertrags gehört" bzw. zum Personal der "Truppe" gehört, wie es in Art. 3 des Protokolls über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordatlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere (Protokoll) vom 28. August 1952 (BGBl II 1969, 2000) definiert sei. Die Vorentscheidung sei im Ergebnis aber noch aus anderen vom FG nicht berücksichtigten Gründen richtig. Es sei nämlich nicht zutreffend, dass die NATO-Hauptquartiere abgabenbegünstigte Waren an ihr Personal nur nach Art. 16 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte, Europa, über die besonderen Bedingungen für die Einrichtung und den Betrieb internationaler militärischer Hauptquartiere in der Bundesrepublik Deutschland (Ergänzungsabkommen) vom 13. März 1967 (BGBl II 1969, 2009) abgeben dürften, richtig sei vielmehr, dass die NATO-Hauptquartiere daneben auch im Rahmen des Art. 14 Ergänzungsabkommen beschaffte Waren abgabenbegünstigt an das berechtigte Personal abgeben dürften. Dies ergebe sich auch aus der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung der zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften des Ergänzungsabkommens zum Protokoll zu Gunsten der Hauptquartiere und des berechtigten Personals (Verwaltungsvereinbarung) vom 16. Januar/4. März 1970, die nämlich in Art. 3 auch Ausführungsbestimmungen zu Art. 14 Abs. 2 Buchst. f Ergänzungsabkommen enthalte, der den Nachweis der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. b und c Ergänzungsabkommen betreffe. Gerade in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b Ergänzungsabkommen seien die Vergünstigungen geregelt, auf die sich der Antragsteller berufe. Diese entsprächen denen des Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (Zusatzabkommen) vom 3. August 1959 (BGBl II 1961, 1218 mit Änderungen). Für die Durchführung der Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 14 Ergänzungsabkommen habe der Bundesminister der Finanzen (BMF) deshalb durch Schreiben vom 11. Juni 1981 IV A 3 -S 7493- 1/81 (BStBl I, 497) die Vorschriften zu Art. 67 Zusatzabkommen (u.a. Erlass des BMF vom 15. Dezember 1969 IV A/3 -S 7492- 31/69, BStBl I 1970, 150) für sinngemäß anwendbar erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde des HZA (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ist unbegründet. Wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Tatfragen auslösen. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die AdV nicht erforderlich (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 5. November 1998 VIII B 74/98, BFH/NV 1999, 468).
Art. 244 Abs. 2 ZK, der die AdV von Entscheidungen regelt, die auf der Grundlage des ZK ergehen, findet im Streitfall ―anders als das FG meint― schon deswegen keine Anwendung, weil es nicht um die Einfuhr von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geht, sondern nur die Frage streitig ist, ob für Waren, die aus dem freien Verkehr Deutschlands in die Verwendung eines im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Hauptquartiers überführt worden sind, durch die Weitergabe an ein Mitglied der Truppe die national geregelte Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist.
Das national durch das TruZG geregelte Truppenzollrecht, das gemäß Art. 4 des Gesetzes zu dem Protokoll vom 28. August 1952 über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordatlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere und zu den dieses Protokoll ergänzenden Vereinbarungen (Protokollgesetz) vom 17. Oktober 1969 (BGBl II, 1997) sinngemäß auf Waren, die die Hauptquartiere und u.a. die in Art. 3 Abs. 1 Protokoll bezeichneten Personen abgabenbegünstigt einführen oder beziehen, angewendet wird, enthält keine Verweisung auf den ZK, insbesondere nicht auf Art. 244 ZK. Es trifft entgegen teilweise vertretener Ansicht (vgl. Ehmcke in Bail/Schädel/Hutter, Zollgesetz, Kommentar Zollrecht D III/4 Rz. 6; siehe jedoch Witte/Alexander, Zollkodex, 2. Aufl., Art. 82 Rz. 22) auch nicht zu, dass der ZK diese Vorschriften überlagert. Denn die Regelung der den Hauptquartieren und ihrem Personal zu gewährenden Vergünstigungen ist gemeinschaftsrechtlich ausdrücklich den Mitgliedstaaten vorbehalten. Das ergibt sich zollrechtlich für die bei Ergehen der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABlEG Nr. L 105/1) bereits bestehenden Abkommen mit internationalen Organisationen aus Art. 133 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 918/83 und hinsichtlich der Umsatzsteuer aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. g Anstrich 2 sowie Art. 15 Abs. 1 Nr. 10 Anstrich 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern … 77/388/EWG ―Richtlinie 77/388/EWG― (mit zahlreichen Berichtigungen und Änderungen, ABlEG Nr. L 145/1).
2. Auch die Frage, ob für die hier in Rede stehenden Waren, die der Antragsteller erworben hat, eine Abgabenschuld entstanden und der Antragsteller Abgabenschuldner geworden ist, kann ―anders als das FG meint― bis zu einer gegebenenfalls vom Gesetzgeber zu treffenden anderweitigen Entscheidung (vgl. zu dieser Problematik im Einzelnen auch Müller-Eiselt, Der Veredelungsverkehr, I 12/40) nur auf Grundlage der nach wie vor geltenden sondergesetzlichen Vorschriften des TruZG und nicht nach den Vorschriften des ZK beurteilt werden, sofern hierauf nicht mittelbar verwiesen wird.
Soweit das TruZG auf zollrechtliche Bestimmungen verweist, geschieht dies nicht allgemein in der Weise, dass es auf die geltenden zollrechtlichen Bestimmungen Bezug nimmt (dynamische Verweisung, vgl. zum Begriff Senatsurteil vom 3. Mai 1990 VII R 71/88, BFHE 161, 260), sondern dadurch, dass es auf bestimmte Vorschriften des ZG, nämlich in § 1 Abs. 1 TruZG auf die nicht vorübergehende Zollgutverwendung (§ 55 ZG) oder in § 4 Abs. 2 Satz 2 TruZG auf § 57 Abs. 2 Satz 2 ZG verweist. Dem Wortlaut nach handelt es sich dabei um sogenannte statische Verweisungen (zum Begriff vgl. das Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90, 92) auf ganz bestimmte, in einem anderen Gesetz enthaltene Regelungen. Wird dieses Gesetz wie das ZG aufgehoben (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 des Zollrechtsänderungsgesetzes), ohne dass das verweisende Gesetz geändert wird, so hat das nicht zur Folge, dass an Stelle der bezeichneten Bestimmungen des aufgehobenen Gesetzes ohne weiteres die dieses ersetzenden Vorschriften treten. Sofern aus dem obiter dictum des Senatsurteils vom 30. Januar 1996 VII R 84/95 (BFHE 179, 508), in dem der Senat zur Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften unter Geltung des ZK ab 1. Januar 1994 auf die von Witte/Alexander, Zollkodex, 1994, Art. 82 Rz. 8 f. vertretene Meinung verweist, auf eine andere Ansicht geschlossen werden könnte, hält der Senat hieran aus den vorgenannten Gründen nicht mehr fest.
Die Sonderstellung des Truppenzollrechts bestätigt die in jener Entscheidung getroffene Grundaussage, dass auch nach Vollendung des Binnenmarktes und trotz des durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 nur auf Einfuhren aus Drittländern bezogenen Einfuhrbegriffs eine Abgabenschuld wie bei der Einfuhr entsteht, wenn von einer begünstigten Einrichtung umsatzsteuerentlastet aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates bezogene Waren (wieder) in den freien Verkehr entnommen werden. Allerdings wird mit der Verweisung in § 4 Abs. 1 TruZG darauf, dass die Abgabenschuld entsteht, "wie sie bei der Einfuhr der Waren entstehen würde", mittelbar auf die Vorschriften des Zollrechts verwiesen, nach denen bei der Einfuhr von Waren eine Abgabenschuld entsteht, ohne dass jedoch ein bestimmter der möglichen Abgabenentstehungstatbestände (jetzt Art. 201 Abs. 1, Art. 202 Abs. 1, Art. 203 Abs. 1, Art. 204 Abs. 1 ZK) besonders in Bezug genommen wird. Es kann indes dahingestellt bleiben, welcher der möglichen Entstehungstatbestände in Betracht kommt, weil die davon nach dem ZK abhängige Bestimmung des Abgabenschuldners und des für die Bemessungsgrundlagen maßgebenden Zeitpunkts selbständig in § 4 Abs. 2 und 3 TruZG geregelt ist.
3. Bei summarischer Prüfung bestehen aber ernstliche Zweifel, ob die in Rede stehenden Waren aus der Zollgutverwendung des Hauptquartiers entnommen worden sind und damit die vom HZA geltend gemachte Abgabenschuld für die Waren nach § 4 Abs. 1 TruZG entstanden ist.
a) Der Bezug von Waren durch die Hauptquartiere ist in Art. 14 Ergänzungsabkommen geregelt. Danach sind Lieferungen an ein Hauptquartier, die von diesem in Auftrag gegeben werden und für den Gebrauch oder den Verbrauch u.a. durch ihr Personal (Truppe und unter bestimmten Voraussetzungen Zivilpersonal) bestimmt sind, von der Umsatzsteuer befreit (Art. 14 Abs. 2 Buchst. b Ergänzungsabkommen), wenn den zuständigen deutschen Behörden der Nachweis erbracht wird, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Einzelheiten darüber, wie dieser Nachweis zu führen ist, werden zwischen den deutschen Behörden und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte, Europa (SHAPE) festgelegt (Art. 14 Abs. 2 Buchst. f Ergänzungsabkommen). Mit der Lieferung gehen die Waren in die Zollgutverwendung des Hauptquartiers über (§ 1 Abs. 2 TruZG). Davon, dass der erforderliche Nachweis ordnungsgemäß geführt worden ist (zur Führung des Nachweises in Fällen, die nach dem NATO-Zusatzabkommen zu beurteilen sind, s. BFH-Urteil vom 29. September 1988 V R 53/83, BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022), scheint das HZA auszugehen, obwohl die Berechtigung zur Ausstellung von Abwicklungsscheinen für die Beschaffung der in Rede stehenden Waren zu Gunsten des Antragstellers zumindest bestritten wird.
b) Nach Art. 16 Ergänzungsabkommen können die von den Hauptquartieren abgabenbegünstigt beschafften Waren an die dazu berechtigten Personen in Messen, Bars, Kantinen und Marketendereien nach Maßgabe näherer Vereinbarungen zwischen SHAPE und den zuständigen deutschen Behörden verkauft oder abgegeben werden. Berechtigte Personen sind ohne Einschränkung das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Protokoll genannte Personal (Art. 16 Abs. 2 Buchst. a Ergänzungsabkommen). Das sind die Mitglieder der Truppe, zu denen auch der Antragsteller gehört. Denn nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Protokoll bedeutet der Begriff "Truppe" das einem Alliierten Hauptquartier zugeteilte Personal, das zu den Land-, See- oder Luftstreitkräften einer Partei des Nordatlantikvertrags gehört. Dazu gehört auch der Antragsteller, der dem Hauptquartier zugeteilt ist und als deutscher Soldat zu den Streitkräften einer Partei des Nordatlantikvertrags gehört. Nicht erheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller der Dienststelle eines Hauptquartiers zugeteilt ist, die ihren Sitz in seinem Heimatstaat hat.
c) Art. 5 Verwaltungsvereinbarung, der gemäß Art. 16 Abs. 1 Ergänzungsabkommen die Durchführung des Art. 16 Ergänzungsabkommen näher regelt, beschränkt für deutsche Militärpersonen den Einkauf von Waren in Verkaufseinrichtungen der Hauptquartiere oder entsprechenden Einrichtungen der ausländischen Streitkräfte (Art. 16 Abs. 3 Ergänzungsabkommen) auf Waren des täglichen Bedarfs. Ob die vom Kläger erworbenen Waren mit Ausnahme des Treibstoffs, für den eine noch zu behandelnde Sonderregelung gilt, unter den Begriff "Waren des täglichen Bedarfs" fallen und sie damit in den genannten Verkaufseinrichtungen hätten erworben werden dürfen, kann im Streitfall dahingestellt bleiben, weil der Antragsteller sie nicht in solchen Verkaufseinrichtungen erworben hat. Sie sind vielmehr unmittelbar über das Hauptquartier mit Abwicklungsschein (Art. 14 Abs. 2 Buchst. f Ergänzungsabkommen) für den Antragsteller beschafft worden.
d) Gemäß Art. 7 Abs. 3 Verwaltungsvereinbarung können die Hauptquartiere an die berechtigten deutschen Militärpersonen zu deren privaten Verbrauch 50 Liter Treibstoff je Monat abgeben. Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob die Abgabenforderung des HZA in Bezug auf den Treibstoff darauf beruht, dass der Antragsteller über die danach zulässige Menge hinaus Treibstoff bezogen hat und insofern eine unzulässige Entnahme aus der Zollgutverwendung vorliegt. Insoweit bestehen schon aus tatsächlicher Sicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids.
e) Hinsichtlich der übrigen Waren vermag der Senat aber bei der im AdV-Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht auszuschließen, dass die Hauptquartiere die von ihnen im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b Ergänzungsabkommen für ihr Personal, zu dem ―wie ausgeführt― auch der Antragsteller gehört, beschafften Waren auch außerhalb der in Art. 16 Ergänzungsabkommen getroffenen Regelungen an ihr Personal abgeben dürfen. Das FG hat zwar ausführlich die Gründe dargelegt, die nach seiner Auffassung gegen die Zulässigkeit der Abgabe von Waren an das Personal der Hauptquartiere außerhalb der in Art. 16 Ergänzungsabkommen getroffenen Regelung sprechen. Damit ist aber noch nicht ausreichend das Argument entkräftet, dass Art. 16 Ergänzungsabkommen zwar die Abgabe der von den Hauptquartieren beschafften Waren in bestimmten Einrichtungen regelt, aber nicht ausdrücklich die Möglichkeit ausschließt, solche Waren auch unmittelbar an das berechtigte Personal weiterzugeben. Diese Möglichkeit scheint ―worauf der Antragsteller hingewiesen hat― jedenfalls auch das BMF nicht ausgeschlossen zu haben, als es in seinem Schreiben in BStBl I 1981, 497 den Erlass in BStBl I 1970, 150, der die im Rahmen des Art. 67 Abs. 3 Zusatzabkommen zu gewährende Umsatzsteuervergünstigung näher regelt, auf die entsprechende Regelung in Art. 14 Abs. 2 Ergänzungsabkommen für sinngemäß anwendbar erklärt hat. Nach Abschnitt C Nr. 1 Abs. 3, 4 des Erlasses vom 15. Dezember 1969 dürfte jedenfalls die Abgabe der durch die Streitkräfte, auf die das NATO-Zusatzabkommen Anwendung findet, im Rahmen des Abwicklungsscheinverfahrens beschafften Waren an das berechtigte Personal auch außerhalb besonderer Einrichtungen für zulässig gehalten worden sein, wie sie in Art. 65 Abs. 2 Satz 2 NATO-Zusatzabkommen für den Bereich der betreffenden Streitkräfte bzw. Art. 16 Ergänzungsabkommen für den Bereich der Hauptquartiere genannt sind. Ob dem für den Bereich der Hauptquartiere ―wie vom HZA ausgeführt― Art. 14 Abs. 2 Buchst. a Ergänzungsabkommen entgegensteht, weil darin die Weitergabe umsatzsteuerfrei bezogener Waren, von der in Art. 16 Ergänzungsabkommen geregelten Ausnahme abgesehen, nur zu dienstlichen Zwecken gestattet werde, erscheint zweifelhaft, weil das systematische Verhältnis der Regelungen in Art. 14 Abs. 2 Buchstaben a und b Ergänzungsabkommen untereinander nicht ohne weiteres darauf schließen lässt, dass die von einem Hauptquartier beschafften Waren nur durch die in Art. 16 Ergänzungsabkommen genannten Einrichtungen an die berechtigten Personen abgegeben werden dürfen.
Wenn aber die Abgabe von Waren, die in dem nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. f Ergänzungsabkommen vereinbarten Verfahren von den Hauptquartieren beschafft worden sind, an deren Personal auch außerhalb der in Art. 16 genannten Einrichtungen zulässig sein sollte, besteht nach dem Ergänzungsabkommen kein Unterschied zwischen den deutschen, einem Hauptquartier zugeteilten Soldaten und den übrigen ihm zugeteilten Militärpersonen, die Angehörige der anderen Vertragsparteien des Protokolls sind.
Wäre die Abgabe der von den Hauptquartieren umsatzsteuerfrei aus dem freien Verkehr Deutschlands beschafften Waren an ihr Personal außerhalb der in Art. 16 Ergänzungsabkommen getroffenen Regelung mit den Bestimmungen des Ergänzungsabkommens (Art. 14 Abs. 2 Ergänzungsabkommen) vereinbar, so läge eine die Abgabenschuld begründende Entnahme der Waren aus der Zollgutverwendung nicht vor. Der Antragsteller könnte in diesem Fall schon deshalb nicht als Abgabenschuldner in Anspruch genommen werden.
4. Sollten die Bestimmungen des Ergänzungsabkommens allerdings, wie das FG ―dem HZA folgend― ausgeführt hat, tatsächlich dahin zu verstehen sein, dass die von den Hauptquartieren für ihr Personal beschafften Waren an dieses nur im Rahmen der durch Art. 16 Ergänzungsabkommen getroffenen Regelung abgegeben werden dürfen, so wäre es weiterhin ernstlich zweifelhaft, ob der Antragsteller nach § 4 Abs. 2 TruZG, der insoweit allein einschlägig ist, Abgabenschuldner geworden ist.
a) Nach Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift wird Abgabenschuldner die Person, die nicht Mitglied der ausländischen Streitkräfte ist. Der Antragsteller ist zwar nicht Mitglied der ausländischen Streitkräfte i.S. der Definition des § 1 Abs. 1 Satz 1 TruZG. Dieser Begriff gilt aber wörtlich nur in den Fällen, in denen das TruZG die Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts regelt. Ist das TruZG dagegen ―wie im Streitfall― sinngemäß auch für die Ausführung der abgabenrechtlichen Bestimmungen des Protokolls und des Ergänzungsabkommens anzuwenden (Art. 4 Protokollgesetz), so bezieht sich der Begriff auf das berechtigte Personal der Hauptquartiere, zu dem im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 Ergänzungsabkommen ―wie bereits ausgeführt― auch der Antragsteller gehört, weil er als dem Hauptquartier zugeteilter deutscher Soldat zur "Truppe" i.S. von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Protokoll gehört. Als Mitglied der "Truppe" würde daher der Antragsteller als Abgabenschuldner nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 TruZG ―anders als das HZA meint― ausscheiden.
b) Auch nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TruZG käme er nicht als Abgabenschuldner in Betracht, weil er die Waren nicht an Dritte veräußert hat.
c) Es bliebe damit allein die Möglichkeit, dass der Antragsteller nach § 4 Abs. 2 Satz 2 TruZG Abgabenschuldner geworden ist. Voraussetzung dafür wäre aber, dass er die Waren nach Entstehung der "Zollschuld" (durch die unberechtigte Entnahme der Waren aus der Zollgutverwendung durch das Hauptquartier), aber vor deren Erlöschen übernommen oder an sich gebracht hat, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich um "Zollgut" handelt. Es würde allerdings im Streitfall nicht ausreichen, wenn sich das Wissen oder Wissen-Müssen des Antragstellers allein auf die Tatsache bezöge, dass die Waren durch das Hauptquartier beschafft worden sind, sondern es müsste sich auch darauf beziehen, dass die Waren vorschriftswidrig an ihn weitergegeben worden sind. Denn wären sie in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Ergänzungsabkommens an ihn weitergegeben worden, würden sich die Waren weiterhin in der abgabenbegünstigten Verwendung befinden. Ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorlagen, lässt sich mit den Mitteln des Aussetzungsverfahrens, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht abschließend feststellen. Es bleiben daher auch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen, die die Aussetzung seiner Vollziehung rechtfertigen.
Fundstellen
Haufe-Index 425970 |
BFH/NV 2000, 1438 |
BFHE 192, 149 |
BFHE 2001, 149 |
BB 2000, 2034 |
DB 2000, 1948 |
DStRE 2000, 1100 |
HFR 2000, 892 |
StE 2000, 607 |
LEXinform-Nr. 0554493 |