Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - besondere Sorgfaltspflicht bei drohendem Fristablauf
Leitsatz (NV)
Bei drohendem Fristablauf ist in besonderer Weise für einen fristgerechten Eingang der Rechtsmittelschrift zu sorgen.
Normenkette
FGO §§ 56, 129
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat dem HZA durch Beschluß aufgegeben, bis zum 30. September 1987 über den Antrag der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Beschwerdegegnerin), das Erlöschen einer Mineralölsteuerschuld festzustellen, zu befinden.
Die Beschwerde des HZA gegen diesen Beschluß ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
Nach den Angaben in dem Empfangsbekenntnis des HZA hat dieses den Beschluß am 16. April 1987 empfangen. Die Beschwerdefrist nach § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist demnach am 30. April 1987 abgelaufen. Die beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegte Beschwerde (§ 129 Abs. 2 FGO) ist bei diesem aber erst am 4. Mai 1987 eingegangen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des HZA auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann keinen Erfolg haben. Das HZA hat nicht glaubhaft gemacht, daß es ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO).
Das HZA hat die Beschwerdeschrift durch Fernschreiben dem Bundespatentamt in München mit der Bitte um Weiterleitung an den BFH übermittelt. Dem Fernschreiben ist zu entnehmen, daß die fernschriftliche Durchgabe der Beschwerde an das Bundespatentamt am 30. April 1987, also am letzten Tag der Beschwerdefrist, um 16.30 Uhr und damit wenige Stunden vor Ablauf der Beschwerdefrist erfolgt ist. Im Zusammenhang mit den Ausführungen des HZA zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daraus zu entnehmen, daß das HZA die Beschwerdeschrift erst wenige Stunden vor Ablauf der Beschwerdefrist auf den Weg zum BFH gebracht hat.
Zwar kann dem HZA nicht daraus ein Vorwurf gemacht werden, daß es die Beschwerdefrist bis wenige Stunden vor deren Ablauf ausgenutzt hat. Mit Rücksicht auf den drohenden Ablauf der Frist hatte es aber in besonderer Weise für einen fristgerechten Eingang der Beschwerdeschrift beim BFH zu sorgen (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, 424, BStBl II 1987, 303). Den Darlegungen des HZA kann nicht entnommen werden, daß es die ihm danach aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht erfüllt hat.
Die Tatsache, daß das Fernschreiben noch am 30. April 1987 (gegen 16.10 Uhr) beim Bundespatentamt, aber erst am 4. Mai 1987 beim BFH eingegangen ist, spricht dafür, daß das Bundespatentamt die Beschwerdeschrift nicht mehr entsprechend dem Ersuchen des HZA am 30. April 1987 an den BFH weitergeleitet hat. Das HZA macht zwar zutreffend geltend, daß es in dem Fernschreiben an das Bundespatentamt auf den drohenden Fristablauf hingewiesen und um sofortige Weiterleitung an den BFH gebeten hat. Selbst wenn der Senat davon ausgeht, daß eine Behörde grundsätzlich darauf vertrauen kann, eine ersuchte Behörde werde ihrem Ersuchen nachkommen, kann im Streitfall aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß das HZA mit dem Hinweis auf den drohenden Fristablauf und dem Ersuchen um sofortige Weiterleitung der Beschwerdeschrift die seiner besonderen Sorgfaltspflicht entsprechenden Maßnahmen getroffen hat, um einen fristgerechten Eingang der Beschwerdeschrift beim BFH zu gewährleisten.
Im Streitfall ist zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeschrift das Bundespatentamt erst am Spätnachmittag des 30. April 1987 und damit gegen Dienstende erreicht hat. Bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß das Bundespatentamt dem zu dieser Zeit eingegangenen Ersuchen des HZA nachkommen konnte. War das Bundespatentamt dazu nicht in der Lage, hat das HZA die Versäumung der Beschwerdefrist schon deshalb zu vertreten, weil es sich nicht darauf verlassen durfte, daß das Bundespatentamt so kurzfristig, wie es im Streitfall erforderlich gewesen wäre, die Weiterleitung der Beschwerdeschrift an den BFH besorgen werde. Es kommt demnach im Streitfall nicht darauf an, ob das HZA ein Verschulden des Bundespatentamtes bei der Verzögerung der Weiterleitung der Beschwerde zu vertreten hätte, wenn es sich darauf berufen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 415330 |
BFH/NV 1988, 378 |