Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel - Fehlen der Entscheidungsgründe
Leitsatz (NV)
Ein Urteil ist nicht deshalb ,,nicht mit Gründen versehen", weil im Tatbestand hinsichtlich der Einzelheiten auf das Sitzungsprotokoll verwiesen wird, oder weil der Sachverhalt nicht vollständig wiedergegeben ist. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO betrifft nur das Fehlen der rechtlichen Begründung.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
. . .
Entscheidungsgründe
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt. Nach dieser Vorschrift bedarf es einer Zulassung der Revision nicht, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, daß das Urteil nicht mit Gründen versehen ist.
Die Kläger tragen vor, das angefochtene Urteil sei deshalb nicht mit Gründen versehen, weil es im Tatbestand hinsichtlich der Einzelheiten auf das Sitzungsprotokoll und die Anlagen hierzu verweist und in den Entscheidungsgründen den Inhalt des Sitzungsprotokolls verwertet. Ein Fehlen der Entscheidungsgründe i.S. des § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO liegt nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO betrifft grundsätzlich nur das Fehlen der rechtlichen Begründung. Die Kläger rügen weder, daß eine Begründung (§ 105 Abs. 5 FGO) überhaupt fehle, noch daß das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen habe, mithin die Begründung über einen wesentlichen Streitpunkt fehle (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351, und vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638).
Ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO liegt nach ständiger Rechtsprechung allerdings vor, wenn das FG die Gründe seines Urteils hinsichtlich eines wesentlichen Streitpunktes durch Bezugnahme auf eine andere von ihm erlassene Entscheidung ersetzt, die den Beteiligten bei Beginn der Revisionsfrist weder bekannt noch zugänglich war (z.B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 VII R 60/89, BFHE 162, 1, BStBl II 1990, 1071 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, daß die Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht nur im Tatbestand grundsätzlich zulässig und dort nach Maßgabe des § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO sogar ausdrücklich geboten ist, sondern daß das Gericht auch befugt ist, einzelne Teile der Urteilsgründe durch Bezugnahme zu ersetzen, vorausgesetzt, den Beteiligten ist bei Beginn der Revisionsfrist das Schriftstück, das die in Bezug genommenen und für die Entscheidung wesentlichen rechtlichen Überlegungen und Wertungen enthält, bekannt oder zugänglich.
Kein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO liegt jedoch vor, wenn die Entscheidung den Sachverhalt nicht vollständig wiedergibt (z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 119 Rz.23; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl. § 116 FGO Rz.23). Sind die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung, wie die Kläger meinen, nicht ausreichend dargestellt, so handelt es sich regelmäßig um einen materiell-rechtlichen Fehler, jedenfalls nicht um einen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr.5 FGO.
Im übrigen sind die bei den Akten befindlichen Urkunden den Beteiligten nach Maßgabe des § 78 FGO zugänglich. Die Kläger haben nicht vorgetragen, sie hätten sich nach Zustellung des Urteils erfolglos bemüht, von den ihnen nach § 78 FGO zustehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
Fundstellen
Haufe-Index 418953 |
BFH/NV 1993, 610 |