Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB; Grundsätzliche Bedeutung; Umsatzsteuerrechtliche Haupt- und Nebenleistung; Fragen zu § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG
Leitsatz (NV)
- Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer einheitlichen Leistung, von mehreren getrennt zu beurteilenden Leistungen und von Haupt- und Nebenleistung auszugehen ist, ist nicht (mehr) von grundsätzlicher Bedeutung.
- Die Frage, ob § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG schon anwendbar ist, wenn die streitigen Leistungen des Unternehmers auch Leistungen i.S. dieser Vorschrift enthalten, ist nicht mehr klärungsbedürftig.
Normenkette
UStG § 3a Abs. 4 Nr. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, die u.a. Materialprüfungen und Begutachtungen für den Straßenbau und Lagerstättenuntersuchungen durchführt und allgemeine Ingenieurleistungen sowie fachbezogene Beratungen erbringt. Sie ist von der obersten Straßenbaubehörde des Landes als Prüfstelle für die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau anerkannt. Im Rahmen ihrer Eignungs- und Überwachungstätigkeit für ausländische Auftragnehmer nahm die Klägerin teilweise Arbeiten vor Ort im Ausland vor, und zwar die Beschreibung der Lagerstätte, die Begutachtung der Aufbereitungsanlage, die Überwachung der Eigenüberwachung und Probeentnahmen vor Ort. Diese Proben untersuchte die Klägerin anschließend in ihren inländischen Labors auf ihre Güte hin. Zusätzlich informierte sie die ausländischen Auftragnehmer über die geforderten deutschen Qualitätsanforderungen und die damit zusammenhängenden Prüfverfahren. Ihre Leistungen rechnete die Klägerin insgesamt auf der Grundlage und im Rahmen der Überwachungsverträge ab. Über Beratungsleistungen erteilte sie keine gesonderte Rechnung. Die Klägerin ist ―anders als der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―)― der Auffassung, der Ort der von ihr erbrachten Leistungen liege im Ausland und behandelte deshalb die Umsätze als nicht steuerbar. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Klägerin habe eine einheitliche sonstige Leistung erbracht, weil alle Teilleistungen nur der Prüfung dienten, ob die Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Aufrechterhaltung des Prüfzeugnisses vorlägen. Der Ort der sonstigen Leistung richte sich nach § 3a Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG), weil die Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Ortes nicht vorlägen. Insbesondere bestimme sich der Leistungsort nicht nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG, da die Leistung der Klägerin in einer Vielzahl von Teilleistungen bestehe, die neben der Begutachtung auch eine Überwachungstätigkeit beinhalte. Diese umfassende einheitliche Leistung sei weder eine Sachverständigen- noch eine Ingenieurleistung, sondern eine Leistung eigener Art.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Die Klägerin macht geltend, es fehle eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wie die streitbefangenen sonstigen Leistungen der Klägerin, die das FG als Leistungen eigener Art bezeichne, umsatzsteuerrechtlich einzuordnen seien. Sie habe im Verfahren vorgetragen, dass alle übrigen im Bundesgebiet tätigen Prüfstellen ihre sonstigen Leistungen nicht der Besteuerung unterwerfen. Wie sich aus den Richtlinien für die Anerkennung von Prüfstellen ergebe, würden hohe Anforderungen an Leiter und Mitarbeiter einer Prüfstelle gestellt, die denjenigen der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers oder Notars vergleichbar seien.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Für die Entscheidung gilt die Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG). Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht ordnungsgemäß (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte ―abstrakte― klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellen. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich bereits ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof (BFH) erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Juli 1997 V B 18/97, BFH/NV 1998, 177). Auch reicht weder die schlichte Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung noch der Vortrag aus, die angestrebte höchstrichterliche Entscheidung werde sich in einer Vielzahl von Fällen auswirken (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 62, m.w.N.).
Die Klägerin erstrebt die Revision zur Klärung der Rechtsbegriffe der "Tätigkeit als Sachverständiger oder Ingenieur" und der "wirtschaftlichen und technischen Beratung" sowie zur Klärung, unter welchen Umständen ihre eine Vielzahl unterschiedliche Teilleistungen umfassende einheitliche Leistung als Sachverständigen- oder Ingenieurleistung beurteilt werden müsse. Sie legt aber weder substantiiert dar, dass die Begriffe der Tätigkeit als Ingenieur oder als Sachverständiger bisher nicht geklärt oder dass sie klärungsbedürftig sind, sondern erstrebt die Klärung, ob ihre Leistungen als einheitliche Leistungen beurteilt werden dürfen. Damit ist nicht dargelegt, inwiefern hier über den entscheidungserheblichen Sachverhalt hinaus eine weitere Klärung erforderlich ist. Es ist höchstrichterlich mehrfach entschieden, unter welchen Voraussetzungen von einer einheitlichen Leistung, von mehreren getrennt zu beurteilenden Leistungen und von Haupt- und Nebenleistung auszugehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316; vom 24. November 1994 V R 30/92, BFHE 76, 482, BStBl II 1995, 151; vom 26. März 1992 V R 16/88, BFHE 168, 458, BStBl II 1992, 929, und vom 8. September 1994 V R 88/92, BFHE 175, 471, BStBl II 1994, 959).
Geklärt ist auch, dass es nicht schon genügt, wenn die streitigen Leistungen des Unternehmers auch Leistungen i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG umfassen, da § 3 Abs. 4 UStG voraussetzt, dass die bezeichneten Leistungen die Hauptleistungen sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Juni 1998 V R 57/97, BFHE 186, 451, BStBl II 1999, 102). Die Klägerin hätte deshalb darlegen müssen, weshalb es im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts einer weiteren über den Streitfall hinausgehenden revisionsgerichtlichen Klärung bedarf. Sie beschreibt statt dessen nur den Rechtsstoff, der bei einer Revisionsentscheidung zu prüfen wäre und bemängelt, dass das FG ihrer rechtlichen Argumentation nicht gefolgt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 579107 |
BFH/NV 2001, 939 |