Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenantrag nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache bei verfassungsgemäßer Familienbesteuerung

 

Leitsatz (NV)

Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des gesamten Verfahrens über die Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs gemäß § 138 Abs. 1 FGO der Klägerin aufzuerlegen, wenn sie ohne die Erledigung des Rechtsstreits mit der Klage endgültig unterlegen wäre, weil das sächliche Existenzminimum bezogen auf § 53 EStG ausreichend hoch bemessen und der Betreuungsbedarf sowie der Erziehungsbedarf durch die Möglichkeit der Geltendmachung von Kinderbetreuungskosten (§ 33c EStG a.F.) sowie die Gewährung des Haushaltsfreibetrages (§ 32 Abs. 7 EStG a.F.) verfassungsgemäß berücksichtigt worden waren.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 7, §§ 33c, 53

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 26.04.1990; Aktenzeichen 11 K 56/88 E)

 

Tatbestand

Die geschiedene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter einer im Streitjahr 1986  25 Jahre alten auswärts studierenden Tochter. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1986 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) einen halben Kinderfreibetrag in Höhe von 1 242 DM sowie einen Haushaltsfreibetrag in Höhe von 4 536 DM (§ 32 Abs. 6 und Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der im Streitjahr geltenden Fassung). Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Berücksichtigung eines halben Kinderfreibetrages in Höhe von 2 100 DM begehrte, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, der Kinderfreibetrag sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Dazu trägt sie vor, nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84 (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653) müsse das Existenzminimum der Familie steuerfrei bleiben. Dem werde die für das Streitjahr geltende Regelung des § 32 EStG nicht gerecht.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat der damals zuständige III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Hinblick auf die zu erwartende weitere Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsgemäßheit der Kinderfreibeträge für das Jahr 1986 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nachdem der Gesetzgeber durch § 53 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) die Folgerungen aus den jüngsten Entscheidungen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Kinderfreibetragsregelungen gezogen hat und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch Schreiben vom 14. März 2000 IV C 4 -S 2282a- 35/00 (BStBl I 2000, 413) weitere Anweisungen für die Finanzämter gegeben hat, ist das FA bei einer erneuten Überprüfung des Einkommensteuerbescheides zu dem Ergebnis gelangt, eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1986 komme wegen des zu niedrigen Eingangssteuersatzes der Klägerin nicht in Betracht. Daraufhin haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das FA beantragt, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da diese mit ihrem Begehren erfolglos geblieben sei.

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nur noch über die Kosten des erledigten Rechtsstreits zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu treffen. Im Streitfall entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des gesamten Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Die Klägerin wäre ohne die Erledigung des Rechtsstreits mit der Klage endgültig unterlegen, weil sie durch den angegriffenen Einkommensteuerbescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden ist.

1. Das BVerfG hat durch Beschluss vom 10. November 1998  2 BvL 42/93 (BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174) entschieden, dass das sozialrechtlich definierte Existenzminimum zugleich die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum bildet, welches nicht unterschritten werden darf, und dass das Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen ist (sächliches Existenzminimum). Im Anschluss an den Beschluss des Senats vom 29. Januar 1999 VI R 176/90 (BStBl II 1999, 233) hat der Gesetzgeber durch § 53 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung für sämtliche noch nicht formell bestandskräftigen oder hinsichtlich der Kinderfreibeträge für vorläufig erklärten Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 1983 bis 1995 die Folgerungen aus dem Beschluss des BVerfG gezogen und insoweit einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herbeigeführt.

Für die Klägerin ergab sich keine Änderung des Einkommensteuerbescheides im Hinblick auf § 53 EStG, da das sächliche Existenzminimum im angefochtenen Einkommensteuerbescheid verfassungsgemäß berücksichtigt worden war.

2. Durch Beschluss vom 10. November 1998  2 BvR 1057, 1226, 980/91 (BStBl II 1999, 182) hat das BVerfG entschieden, dass § 33c Abs. 1 bis 4 EStG seit seiner Einführung durch Art. 3 Nr. 19 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 (StBereinG 1985) vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1493, BStBl I 1984, 659) einschließlich aller nachfolgenden Fassungen mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar ist, soweit die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Eltern vom Abzug der Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen sind (Betreuungsbedarf).

Ferner wurde § 32 Abs. 3 EStG bzw. später § 32 Abs. 7 EStG insoweit mit dem GG für unvereinbar erklärt, soweit die in ehelicher Gemeinschaft lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Eltern von der Gewährung des Haushaltsfreibetrags ausgeschlossen sind (Erziehungsbedarf).

Auch insoweit ist die Klägerin verfassungsgemäß besteuert worden. Zum einen ist durch Gewährung des Haushaltsfreibetrages der Erziehungsbedarf berücksichtigt worden. Zum anderen war die Klägerin als Alleinstehende von der Anwendung des § 33c EStG nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sofern die Berücksichtigung eines Betreuungsbedarfs an der Altersbegrenzung des im Streitjahr geltenden § 33c EStG scheiterte, ergibt sich daraus keine verfassungsrechtliche Benachteiligung der Klägerin; das BVerfG hat die Altersbegrenzung in § 33c EStG nicht für verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1422747

BFH/NV 2005, 2045

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