Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung des Wegfalls der Bereicherung gegen einen Abrechnungsbescheid
Leitsatz (NV)
Ein Wegfall der Bereicherung führt grundsätzlich nicht zum Erlöschen des abga benrechtlichen Rückforderungsanspruchs wegen einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3, § 82 S. 1
Tatbestand
Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) forderte die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durch Bescheid vom 3. Januar 1996 auf, ... DM zurückzuzahlen, die ihr 1992 versehentlich als Vorsteuererstattung überwiesen worden waren. Der Betrag stand der Enkelin der Klägerin rechtmäßig zu. Den gegen den Rückforderungsbescheid eingelegten Einspruch wies das FA zurück. Zugleich mit der auf Aufhebung des bezeichneten Rückforderungsbescheids gerichteten Klage, über die noch nicht entschieden worden ist, beantragt die Klägerin, ihr für die Durchführung des Klageverfahrens Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihr die Rechtsanwälte X und Y als Prozeßbevollmächtigte beizuordnen. Die Klägerin hatte sich auf Entreicherung berufen, weil sie das Geld für den Einkauf von Wohnungsmöbeln, Kleidung, für eine Reise und für die Anschaffung von Gegenständen des persönlichen Bedarfs verbraucht habe. Sie rügte außerdem, daß die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoße, weil sie 83 Jahre alt sei, in ärm lichen Verhältnissen lebe und nicht habe erkennen können, daß ihr der Betrag unrechtmäßig gezahlt worden sei. Es sei gröblich unbillig, wenn sie gezwungen würde, den Fehler des FA durch Rückzahlung des fehlgeleiteten Betrages zu korrigieren.
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag auf PKH abgelehnt, weil die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg habe.
Mit der Beschwerde wendet die Klägerin dagegen ein, das FG habe die unmittelbar geltenden Vorschriften der §§812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unzutreffend nicht angewendet. Es habe den zur Antragsbegründung dargestellten Sachverhalt nur unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung und nicht unter dem der Billigkeit und der groben Härte für sie, die Klägerin, gewürdigt. Sie sei krank und werde durch die Rückforderung physisch belastet.
Die Klägerin beantragt, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und ihr PKH zu bewilligen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie ist durch Beschluß zurückzuweisen (§132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu Recht hat das FG den Antrag der Klägerin auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Nach §142 FGO i. V. m. §§114 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Gewährung von PKH u. a. voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Den besonderen Darlegungspflichten zur Begründung eines solchen Begehrens (§142 Abs. 1 FGO, §117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist die Klägerin zwar nachgekommen; doch ergibt sich daraus keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung.
(a) Das FA hat die Rückforderung des der Klägerin ohne rechtlichen Grund überwiesenen Betrages zu Recht mit dem angefochtenen Abrechnungsbescheid geltend gemacht (§37 Abs. 2 i. V. m. §218 Abs. 2 der Abgabenordnung -- AO 1977). Der Rückforderung steht der Wegfall der Bereicherung (§818 Abs. 3 BGB) nicht entgegen.
Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruchs nach §37 Abs. 2 AO 1977 können die §§812 ff. BGB nicht unmittelbar angewendet werden; denn dieser Anspruch ist Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, daß derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Februar 1996 VII R 89/95, BFHE 180, 1, BStBl II 1996, 436). Selbst wenn der Rechtsgedanke des §812 Abs. 1 BGB auch bei der Anwendung von §37 Abs. 2 AO 1977 herangezogen wird und eine Leistung als ohne rechtlichen Grund erbracht angesehen wird (vgl. §812 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn der mit ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt (BFH-Urteil vom 1. März 1990 VII R 103/88, BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520), führt ein Wegfall der Bereicherung (§818 Abs. 3 und §819 Abs. 1 BGB) nicht zugleich zum Wegfall des abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs (vgl. dazu BFH-Urteil vom 6. Februar 1990 VII R 97/88, BFHE 160, 197, BStBl II 1990, 671; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §37 AO 1977 Anm. 66, m. w. N.).
b) Die von der Klägerin dargelegten, ihrer Meinung nach über Treu und Glauben (§242 BGB) zu beachtenden Umstände ergeben ebenfalls keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage.
Die Klägerin macht persönliche Billigkeitsgründe geltend, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids (§218 Abs. 2 i. V. m. §37 Abs. 2 AO 1977) unerheblich sind. Die Frage der Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids ist nach der formellen Bescheidlage, wie sie sich aufgrund der vorhandenen Verwaltungsakte und ihrer Verwirklichung durch Leistungen zwischen den Beteiligten ergibt, zu entscheiden. Billigkeitsgründe können im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids nicht berücksichtigt werden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. November 1996 VII R 49/96, BFH/NV 1997, 537, Deutsches Steuerrecht, Entscheidungsdienst 1997, 649).
Fundstellen